Liebeserklärung an Ampelmännchen & Co

666 Gründe für eine sommerliche Reise nach Dresden – Leipzig – Weimar

Ein Bericht von Carla Zwylle

498

Im Osten, heißt es, sei alles anders. Immer noch spannend sei es, da hinzufahren und es sich vor Ort anzusehen. Was denn alles anders sei, wollte mein Mann – der beste Ehemann von allen – eines netten Sommertages von mir wissen, und mir fiel außer Alleen, Ampelmännchen und Rechtsabbiegerpfeilen nichts ein. Wie so oft, kam uns der Zufall zu Hilfe. Diesmal in Form einer Anzeige, die auf den ersten Blick eine unverständliche Gleichung zeigte, sich aber als tolles Angebot entpuppte: Drei Übernachtungen in den drei Kempinski Hotels in Dresden, Leipzig und Weimar, das Doppelzimmer für 666 Mark – da ließ sich der Gatte schnell überreden: Nicht rosten, auf in den Osten!

Station Nummer eins: Dresden. Die Landeshauptstadt Sachsens putzt sich an allen Ecken fürs kommende Jahrtausend und bietet eine gelungene Mischung von Neuem und Altbewährtem. Wegen der reichlich vorhandenen Kunst schmückt sich Dresden mit dem Beinamen „Elbflorenz“, was bis aufs Wetter auch gut nachvollziehbar ist. Unser Zimmer im Taschenbergpalais war eins mit Blick auf einen wesentlichen Teil eben jener Kultur: Schloß und Semperoper.

Klar, daß wir gleich nach der Ankunft dieses barocke Dresden erkunden mußten. Der erste Rundgang führt über das Residenzschloß und die Oper in den Zwinger. Natürlich mußten wir in die Gemäldegalerie, um die mittlerweile zu jedem kitschigen Zweck mißbrauchten Engel auf Raffaels Sixtinischer Madonna einmal live zu sehen: Genial! Ein Kaffee im Vestibül des Taschenbergpalais markiert die Halbzeit des Bummels, der mit Fürstenzug, Frauenkirche und Brühlscher Terrasse komplettiert wird.

Abends dann Dinner im Intermezzo, dem Restaurant des Taschenbergpalais. Bei sächsischem Wein und mediterran inspiriertem 4-Gang-Menü studieren wir die üppige Liste aller „666 Gründe, den Sommer zu entdecken…“, die uns das Hotel nach dem ersten Info-Telefonat zugeschickt hatte. Resigniert stellen wir fest, daß uns nur noch der nächste Morgen bleibt und wir eine Auswahl treffen müssen – sie fällt auf eine Schiffstour elbaufwärts zum Blauen Wunder und zum Bummel durch die Königstraße. Hier entwickelt Dresden Einkaufsflair, daß es Spaß macht. Wer will, kann hier wunderbare Sachen kaufen. Und ich wollte…

Der beste Ehemann von allen hatte das kommen sehen und pragmatisch wegen der zu erwartenden Einkaufstüten als Verkehrsmittel das Auto empfohlen. Mit dem verließen wir am Nachmittag die Landeshauptstadt. Das Ziel: Leipzig und sein Fürstenhof. Auch der mittendrin im Geschehen, so daß wir uns die Stadt erlaufen konnten. „Mein Leipzig lob‘ ich mir“ sagte Goethe (wer denn sonst?), die Stadtwerber bringen es weniger poetisch auf den Punkt und behaupten: „Leipzig kommt“. Aber wo sie recht haben…

Wohin in Leipzig, der Messe- und Museenstadt, der Bach- und Buchstadt, der Universitäts- (seit 1409) und Heldenstadt (seit 1989)? Zuerst aufs Zimmer (chic chic, sogar mit kleinem Balkon), dann zum Hauptbahnhof, weil der ja nach Umbaumaßnahmen zu einem Vorzeigestück geworden ist mit all seinen Shops, Cafés und der immer noch ansehnlichen Zahl von Bahnsteigen und Gleisen. Und dann, nach einem stärkenden Imbiß im Wintergarten des Fürstenhofs (mit flexiblem Sonderservice: Auf Wunsch gab es sogar was von der Zimmerkarte – prima!) auf Tour durch die Innenstadt: Meine Güte, was gibt es dort viel Kneipen! Und das ganze Volk sitzt draußen – Lebensqualität pur, und das auch dann, wenn nicht Großveranstaltungen wie das Classic Open Air locken.

Der Morgen danach, ein Kapitel für sich. Wir genossen (leider nur kurz) die Badelandschaft „AquaMarin“ im Fürstenhof, bevor wir den Stadtbummel wiederholten – diesmal unter besonderer Berücksichtigung der zahlreichen Boutiquen und Geschäfte in den Passagen der alten und prächtig restaurierten Messehäuser. „Gut, daß Samstag ist,“ merkte der beste Ehemann von allen an, weil so der Ladenschluß um 16 Uhr dem Kaufrausch ein natürliches Ende setzte…

…und so kamen wir noch rechtzeitig nach Weimar, um zwei Dinge unseres Plans abzuhaken: Der Elephant, das dritte der Kempinski Hotels mit dem verlockenden 666-Marks-Angebot, liegt am Markt – und nur wenige Schritte vom Park an der Ilm und dem Goethehaus entfernt. Das muß man doch gesehen haben, und nach einer Autofahrt tut ein Spaziergang allemal gut. Anschließendes Muß für den Abend: Besuch im Elephant-Restaurant Anna Amalia. Es wird in den einschlägigen Führern für seine Küche gelobt – und da der beste Ehemann von allen ja nach den zwei Einkaufstouren mit der ihm Anvertrauten noch einen Wunsch frei hatte… Aber es hat sich gelohnt, und der Absacker in der Bar gehört zu den vielen guten Erinnerungen der Reise.

Sonntag in Weimar. Endlich kommen die Klassiker zu ihrem Recht. Das Hotel hat etwas, was wir so noch nirgendwo erlebt haben: Eine eigene Kulturreferentin. Kornelia Lukoschek nahm uns an die Hand und zeigte uns ihr Weimar. Eine belesene Frau, die neben viel Stadthistorie auch das Pikante der Geschichte kennt (manchmal trägt sie im Restaurant des Elephanten zum viergängigen Goethe-Menü Heiteres zum Thema „Goethe und die Frauen“ vor). Knapp zwei Stunden waren wir unterwegs und haben fast alles gesehen, wenn auch nur im Vorübergehen. Herzogin Anna Amalia, Goethe, Schiller, Bauhausgründer Gropius, Herder, Bach und all die anderen: Alle dagewesen zu ihrer Zeit, aber alle immer noch präsent durch Museen und Bibliotheken. Und der Geist der Klassiker, der weht einen sowieso in dem kleinen gemütlichen Städtchen an jeder Ecke an. „Zuviel für einen Tag!“ seufzte der beste Ehemann von allen – und hatte mich schnell auf seiner Seite mit dem Entschluß, die Tour so oder so ähnlich irgendwann mal zu wiederholen. Keine schlechte Idee, wo doch in Weimar die Geschäfte geschlossen hatten…

Carla Zwylle

Veröffentlicht in: TaschenbergNews 4/1998
Als PDF betrachten (64 KB)

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*