Geschichten von der rasenden Taschenlampe

Sonderausstellung Trophys & Trophäen zur MZ im Verkehrsmuseum

Rückblick auf die MZ

Die Kräfte waren gering. Das Ziel
lag in großer Ferne.

Ihr aber, wenn es soweit sein wird,

gedenkt unsrer
mit Nachsicht.

Bertolt Brecht, An die Nachgeborenen

Es gelte, eine Erfolgsgeschichte zu erzählen, sagt Joachim Breuninger, der Direktor des Verkehrsmuseums. In der DDR hatten 50% aller Haushalte eine MZ – das Motorrad aus Zschopau. Die Erfolgsgeschichte erzählen will das Dresdner Verkehrsmuseum nun – und damit auch Erinnerungen wecken. Denn die Erfolgsgeschichte mit über 2,5 Millionen gebauten Motorrädern hat ein Ende (wenn man die Firmengeschichte genauer ansieht, sogar mehrere Enden –falls das sprachlich überhaupt geht…): seit 2012 wird die MZ nicht mehr gebaut. Bis dahin aber wurde sie, vor allem in der Zeit bis 1989, nicht nur millionenfach gebaut, sondern auch exportiert (nach Großbritannien, nach Dänemark – in der damals noch real existierende BRD machte es Neckermann möglich, zu studentenfreundlichen Preisen) und auch über 50 Mal kopiert. Eine höhere Anerkennung gibt’s ja kaum…

Dass am Anfang dieses Stückchens sächsischer Industriegeschichte ein Ausländer stand, gehört zu den netten Zufälligkeiten, die in Zeiten wie diesen in Dresden durchaus erwähnenswert sind: Jørgen Skafte Rasmussen, ein dänischer Ingenieur und Industrieller, nutzte die damalige Krise der Textilindustrie, kaufte 1906 eine leerstehende Tuchfabrik und begann, dort statt Tuch allerlei (damals) neumodische Dinge herzustellen. Haushalt- und Werkstattgeräte, Kfz-Zubehör zuerst, sechs Jahre später dann begann unter neuem Namen (Zschopauer Maschinenfabrik) und mit dem Markenzeichen DKW (Dampf Kraft Wagen, im Volksmund gerne aber auch Des Knaben Wunsch oder Das kleine Wunder) das, was zur Erfolgsgeschichte werden sollte. Noch einmal zehn Jahre später startete in Zschopau die Serienproduktion von Motorrädern – so erfolgreich, dass in Zschopau das erste Motorrad-Fließband der Welt entstand, und mit einer Jahresproduktion von 60.000 Motorrädern war man 1929 die größte Motorradfabrik der Welt.

Karl Clauss Dietel | Joachim Breuninger
Der MZ-Gestalter Karl Clauss Dietel im Gespräch mit Museumsdirektor Joachim Breuninger

Ein erstes Aus kam mit dem Ende des zweiten Weltkriegs: die Produktionsstätten wurden auf Befehl der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland demontiert und in den Ischmasch-Werken wieder aufgebaut. Während in Ischewsk die ehedem Zschopauer DKW NZ 350 als identischen Motorrads Izh-350 weitergebaut wurde, ging es in Zschopau auch wieder los. Erst langsam, dann beständig – und seit 1952 als VEB Motorradwerk Zschopau (MZ). MZ: So hießen seit 1956 alle Modelle – und die 1962 erschienenen beiden Modelle MZ ES 125 und 150 spätestens schrieben dann Geschichte. So wie auch der Mann, der sie (mit) entwarf: Prof. Karl Clauss Dietel, Designer in der DDR (das Wort Designer hört er freilich nicht gerne, Gestalter treffe es seiner Meinung nach besser) und Formgeber von so Dingen wie der Schreibmaschine Erika oder auch dem Wartburg. Seine Entwürfe für MZ waren konsequente Umsetzung seiner Philosophie, bei der lange vor dem modischen (und dadurch oft phrasenhaft verwendeten) Gebrauch die Begriffe Langlebigkeit oder Nachhaltigkeit schon vorkamen. Während des Grußworts, das er anlässlich der Ausstellungseröffnung hielt, gab es allerfeinste Einblicke in die erfolgreiche und teils wegweisende Arbeit der Designer – aber auch reichlich Informationen über die frustrierenden Aspekte, wenn sie etwas entworfen hatten, was nie realisiert wurde – aus politischen Gründen.

Verkehrsmuseum MZKurator der Ausstellung ist Thomas Giesel, selbst kein Motorradfahrer, aber offenbar ein Mensch mit Gespür für schöne Details: Aus wie vielen Einzelteilen so eine MZ der 150er Reihe wohl bestehe, wollte er wissen – und ließ für die Ausstellung so eine Art dreidimensionale und wirklich faktische Explosionsdarstellung anfertigen. Die „rasende Taschenlampe“, wie das Mopped liebevoll genannt wurde, brachte es auf 1.135 Einzelteile. Oder ein paar mehr, wenn man die gezählten Teile weiter decollagiert. Sieht gut aus und gibt einen Eindruck des Offenen Konstruktionsprinzips von Karl Clauss Dietel. Noch faszinierender sind aber die ausgestellten kompletten Maschinen, denn die MZ brachte es zwar auf eine hohe Stückzahl (1970 lief das einmillionste Motorrad seit 1950, eine MZ ETS 250 Trophy Sport, vom Band – und 1983 bereits das zweimillionste Motorrad, eine MZ ETZ 250) – aber häufig gab es auch nur Tastversuche. Produktzahl: 2 steht da beim Prototyp einer Militär-Maschine ETZ 251. 50 % davon kann man sehen, von einem privaten Leihgeber (einem von vielen!). Die 2004 bis 2008 gebaute MZ 1000 brachte es auf 1.180 Exemplare, aber nur ein Prototyp entstand auf der Basis der MZ 1000 für die sächsische Polizei – auch der ist ausgestellt. Und die Variante des Dresdner Sportwagenbauers Melkus gibt es zu sehen (eine der sieben gebauten ME 150, die auf der ETZ 150 basiert).

Die Ausstellung zeigt noch andere Seltenheiten wie ein brasilianisches Modell (schon wegen des Hintergrunds ein Hingucker), Fahrzeuge für die Polizei (DDR wie BRD), die Feuerwehr und für den Bau (mit Beiwagen). Wundervoll in Szene gesetzt sind die Maschinen, vor passenden Bildern aus der Zeit – die Fotothek der SLUB und andere gut gefundene Motive machten’s möglich. So gesehen ist es nicht nur eine Ausstellung für Nostalgiker oder Fans – es ist ein attraktiv aufgearbeitetes Stück Zeitgeschichte.

Motorräder für die Massen…

Verkehrsmuseum Dresden
Augustusstraße 1
01067 Dresden

Tel. 0351 / 8644-0
www.verkehrsmuseum-dresden.de

Geöffnet:
Dienstag bis Sonntag von 10 – 18 Uhr · Montag geschlossen

Trophys & Trophäen. MZ-Motorräder aus Sachsen 1952-2005. Vom 11. Februar bis 6. August 2017.

Begleitprogramm: Einmal monatlich bietet der Kurator der Ausstellung, Thomas Giesel, eine kostenlose Führung an. Eine Voranmeldung ist nicht nötig. Termine, jeweils 15 Uhr:
18. Februar | 18. März | 22. April | 13. Mai | 24. Juni | 15. Juli | 6. August

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