Tafeln unter der Fruchtschale

Kochsternstunden 2017: Moritzburger Schlossrestaurant

Großes Stillleben mit der Dame, die einen Papagei auf der Hand hält

Wir sitzen an der langen festlichen Tafel. Uns umweht ein Hauch von Allem zwischen Aschenputtel und Zauberschloss, aber vor allem sehen wir auf dieses Bild im schweren goldenen Rahmen. „Ist das echt?“ – „Sicher nicht, wir sind hier nicht im Museum! Wir sind im Restaurant!“– „Naja, aber das Restaurant ist doch nicht irgendwo, es ist im Schloss Moritzburg – und die haben doch genug Kultur im Haus!“ – „Ja, aber nicht nur die! Schau, da kommt schon die „Königliche Fischsuppe aus den Moritzburger Himmelsteichen!“

Schlossrestaurant MoritzburgStimmt, die Suppe kommt. Sie ist der erste von vier Gängen, die wir im Rahmen der Kochsternstunden gegessen haben (40 € / mit 
Weinbegleitung je 0,1 l zzgl. 15 € / mit Bierbegleitung je 0,25 l zzgl. 9 €). Zweierlei Fisch drin, sehr tomatig mit grünen Akzenten. Wir hatten uns gegen das Bier und für den Wein entschieden, schon weil wir mal wieder die wahrlich sächsische Rarität probieren wollten, einen 2015er Goldriesling von Tim Strassers Rothes Gut Meißen. Ein leichter Wein (Frühstückswein nennen ihn einige, andere Terrassenwein) zu einem leichten Süppchen.

Kaum waren die Münder zum Sprechen frei, hub die Diskussion über das Bild erneut an. Lauter studierte schlaue Menschen am Tisch – und keiner wusste, wer’s gemalt hat. „Was mögen das für Früchte sein?“ – „Ich sehe Feigen!“ – „…und ich Quitten!“ – „Weintrauben!“– „Du schon wieder, Du denkst auch immer nur an das Eine!“ – „Nein, manchmal auch an das Andere.“

Genau, zum Beispiel an Bärlauch. Nicht auf dem Bild, so weit wir das sahen. Aber im nächsten Gang. Perlgräupchen-Risotto mit wildem Bärlauch aus dem Moritzburger Forst. Und einem Gänseblümchen, das man zwar mitessen kann, aber nicht muss. Wenn man davon absieht, das in Risotto das Wort Reis steckt, kann man das mit den Perlgraupen durchaus machen, die schmecken besser als sie in manchen Ohren klingen, aber das gilt wohl auch für den Begriff Perlgraupotto. Keinerlei Benennungsprobleme machte der Wein, dieses Mal (nach dem linkselbischen Goldriesling) ein genau zu lokalisierender vom anderen Ufer: 2015er Elbestrom km 94 Weißburgunder vom Weingut Joachim Lehmann, halbtrocken und zum Bärlauchgang durchaus passend – wie überhaupt die nicht ganz so trockenen Weine bei entsprechender Säure nicht zu verachten sind.

Kaum waren die Münder zum Sprechen frei, setzte sich die Diskussion zum Bild fort. „Sind die kleinen roten Dinger da Himbeeren?“ – Keine Ahnung, ist ja alles auch ein wenig diffus und dunkel!“ 
– „Aber die Artischocken siehst Du?“ – „Na klar, dass es die damals schon gab?!?!“ – „Aber was soll der Affe da?“ – „Keine Ahnung!“ – „Ob’s den damals zum Essen gab?“ – „Besser nicht!“

Wir bekamen eindeutig keinen Affen, sondern Tafelspitz vom heimischen Weide-Rind mit Bouillon-Kartoffeln und frisch gehobeltem Meerrettich. Serviert in einer Bouillon mit knackigen Erbsschoten. Erstaunliche Beobachtung am Tisch: fast alle wollten Meerrettich nachhaben! „Der Koch reibt schon frischen nach!“ sagte die superfreundliche Katharina Köntopp, die uns den Abend über bediente. Frisch gerieben ist eben deutlich besser als aus dem frisch geöffneten Glas! Für den Wein verließen wir die sächsische Heimat und machten uns auf zu den „Pirats of the Palatinum“, wie die Winzer vom Weingut Lergenmüller ihre innovative Linie gerne nennen. Ihr Oak & Steel Chardonnay ist ein grandioser Wein – aber den gab es ja gar nicht, sondern den Saigner Rosé »Ice« (Weingut Lergenmüller, Pfalz) eine trockene Cuvée aus Spätburgunder und 
Cabernet Sauvignon, die nach der Saignée-Methode hergestellt wurde.

Blutender Wein – das bringt uns zurück zum Bild, denn da blutet es dem gejagten Wild auch aus dem Mund, was dem kleinen Hund sichtlich hilft, sich zu stärken. Wir wissen mittlerweile, worauf wir da schauen und was uns den Abend über peu à peu schlau gemacht hat: Natürlich (!) handelt es sich um ein „Großes Stillleben mit der Dame, die einen Papagei auf der Hand hält“, auch wenn wir angesichts von Affe, Wild und Federvieh sowie all den Früchten den Papagei noch gar nicht recht würdigen konnten (die Dame übrigens auch nicht). Frans Snyders hat das Gemälde zwischen 1625 und 1650 auf 154 × 237 cm mit Öl auf Leinwand gebracht. Das Original hängt natürlich nicht in Moritzburg, sondern in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden. Dem Online-Katalog entnehmen wir, dass „üppige Stillleben … im 17. Jahrhundert sehr beliebt (waren). Die hier dargestellten Mittelmeerspezialitäten – Artischocken, Feigen, Zitrusfrüchte und Quitten – wurden in der Regel aus Südeuropa nach Antwerpen geliefert, dessen Markt für seine reiche Auswahl an Luxuswaren bekannt war. Exotische Tiere, wie Papageien und Affen, gelangten auf den Schiffen der Ostindien-Kompanie aus Südamerika in die Niederlande. Bei den mit Obst gefüllten blau-weißen Schüsseln handelt es sich um Porzellan der späten Ming-Dynastie, das man aus China importierte.“

Da wäre das, rechtzeitig zum Dessert Meißner Schwerter Bierapfel mit Granatapfelkernen und Bourbon-Vanilleeis von der Eismanufaktur Hanke aus Radebeul auch noch geklärt. Dazu tranken wir wieder regional: ein Glas 2012er Scheurebe Kabinett 
von Schloss Wackerbarth, auch halbtrocken – aber passend. Wobei wir angesichts des Bierapfels ins Grübeln kamen: Vielleicht hätten wir ja doch von Anfang an die Bierbegleitung probieren sollen, denn einerseits ist das Restaurant ein Unternehmen der Privatbrauerei Schwerter Meißen und andererseits hätten wir mit Pils, Urhell, Rubin Lager und Maibock einen netten Querschnitt probieren können…

Moritzburger Schlossrestaurant
Schloßallee
01468 Moritzburg
Tel. +49 35207 / 993 616
www.moritzburger-schlossrestaurant.de

Öffnungszeiten:
Mo – Do 10 bis 18 Uhr
Fr– So und an Feiertagen 10 bis 20 Uhr
Kochsternstunden-Termine: 24./25. März 2017, 31. März/1. April 2017 (jeweils 18 – 22 Uhr)

[Besucht am 1. April 2017 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]


Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.

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