Vor 25 Jahren war auch nicht immer alles besser. 1991 – wer kann sich noch an Details erinnern? Die Sowjetunion zerfiel, der zweite Golfkrieg neigte sich dem Ende zu, der Bundestag beschloss den Umzug von Bonn nach Berlin. Aber es gab auch gute Nachrichten: Rebhuhn, Sommerlinde und das Kleine Knabenkraut wurden Vogel, Baum und Orchidee des Jahres. Und sieben Frauen gründeten im Badischen einen Verein, den sie Vinissima nennen, im Untertitel Frauen und Wein. Denn auch das war 1991 offenbar nötig: dass sich die (zumindest damals) im Weinbau unterrepräsentierten Frauen zusammentun. Aus sieben wurden im Laufe der Zeit 500 Frauen, die Vinissima als bundesweites Berufs-Netzwerk für Frauen in der Weinbranche nutzen.
Den 25. Geburtstag feiern die Frauen regionenweise. Sachsen und Saale-Unstrut ließen es gepflegt krachen – im Audienzzimmer des Taschenbergpalais. Serviert wurde eine leicht aufgepeppte Variante des Kochsternstunden-Menüs, das normalerweise in drei Gänge (mit der Wahl aus zwei Angeboten pro Gang) und drei dazu passenden sächsischen Weinen serviert wird. Am Samstag während der Jubiläumsgala waren es vier Weine, leider keine aus dem befreundeten Nachbargebiet. Auch Winzerinnnen von dort traten nicht in Erscheinung, aber dafür waren mit Andrea Wirsching die Bundesvorsitzende und mit Evi Jenne die Regionalsprecherin Baden mit in Dresden.
Andrea Wirsching verband die Begrüßung der Gäste mit der Vorstellung des ersten Getränks – einer 2007 Cuvée Pinot brut nature vom Sächsischen Staatsweingut Schloss Wackerbarth. Leider (für die normalen Intermezzo-Kochsternstunden-Gäste) war das außer der Reihe. Und großes Vergnügen für die, die an diesem Samstag einen Platz am Tisch bestellt hatten: Eine Spezialität aus handverlesenen Weiß- und Grauburgundertrauben, kurz im Holzfass und lange in der Flache gereift – wer den im Glas hat, denkt erst mal nicht an einen deutschen Sekt. Nun gut: Die Geschichte des Schaumweins in Sachsen begann ja auch schon 1836 inmitten der Radebeuler Weinberge, und der erste Kellermeister der zweitältesten Sektkellerei Deutschlands kam aus Reims, dem Herzen der Champagne. Zum Schampus, wie man das ja mal weinpolitisch unkorrekt nennen darf, gab es (ebenfalls aus der Reihe) eine sehr angemessene Praline von der Entenleber, Quittengelee, Kokos, Cranberrymarmelade, Kleiner Feldsalat.
Ab diesem Zeitpunkt folgte das Kochsternstunden-Menü (3-Gänge 45 €, inkl. Weinbegleitung 68 €). Tatar vom Milchkalb – Carne Cruda – mit mariniertem Gemüse und Rucola-Senf-Öl ist ein geschmacklich zurückhaltender Gang – Milchkalb ist halt zart, den Geschmack bekam es im Zusammenspiel mit den Gemüsen und dem pikanten Öl. Dazu passt ein leichter Wein – und wir waren gespannt auf das, was sich hinter A1 verbirgt, einem sächsischen Landwein vom Weinbau Fehrmann, den Ines Fehrmann vorstellte. Der Wein sei das Ergebnis eines lustigen Tages im Weinberg – denn geerntet wurde an jenem 17. September nicht jeder Stock, sondern nur ganz bestimmte. Das Ergebnis sei eben: A wie außergewöhnlich, und das eben so zum ersten Mal, also A1. Andersrum wäre es übrigens auch gegangen: 1A – was ja bekanntlich für ein tolles Ergebnis steht und mit der frühen Autonummernschildregel (was für ein Wort! Ich widme es meinem tschechischen Freund für seine Sammlung deutscher Wortungetüme) für Berlin zu tun hat. Ein spritzig-frischer Wein, der uns an einen leichten Burgunder erinnert. Und warum? Weil die zur Ernte freigegebenen Trauben die der Sorte Auxerrois waren. Der steht bei Fehrmanns zwischen dem Weißen Burgunder und ist mit diesem auch verwandt. Uns schmeckt er, das wäre mal ein wirklich feiner Terrassenwein…
Als Hauptgang schickte die Küche des Intermezzo Brust von der Maispoularde mit Vanillekarotten, geröstetem grünen Spargel und Süßkartoffelbaumkuchen, also nichts Raffiniertes, sondern eher Hausfrauenkost. Wobei die Hausfrau vielleicht nicht aus optischen Erwägungen den Geschmacksträger Sauce zur hauchdünnen Millimetersache erklärt, sondern gleich für ausreichend Ditschmasse für den Baumkuchen gesorgt hätte. So blieb es dem Service überlassen, mit der Sauciere von Gast zu Gast zu gehen und zu fragen, ob es vielleicht noch ein wenig Sauce sein dürfte? So wie ich es mitbekam, sagten alle „ja!“ und schoben ein „gerne noch ein wenig mehr“ hinterher, um weiterer vornehmer Zurückhaltung vorbeugend entgegen zu wirken. Als begleitenden Wein gab es nun schon den zweiten Wein von der linken Elbseite: Silke Altmann präsentierte den 2014 Kloster Heilig Kreuz Weissburgunder VDP. Erste Lage® trocken vom Weingut Schloss Proschwitz. Die Lage Heilig Kreuz links der Elbe ist noch relativ jung – seit 16 Jahren machen sie hier Wein. Aber: Es ist, nach den Kriterien des VDP, eine Erste Lage – also von der Anlage schon mal richtig gut. Die Burgunder, die hier wachsen, haben nach Pflege im Weinberg und im Keller das Zeug zu Lieblingen: schöner Schmelz, eingebundene Säure. Um so gut zu werden, braucht es Zeit – und die gibt man auf Schloss Proschwitz den Weinen. Der 2014 Weißburgunder wurde in Spätlese-Qualität geerntet und durfte reifen – erst im September 2015 kam er auf die Flasche. Da sind die Weine anderer Winzer in Sachsen schon längst ausgetrunken…
Zum Dessert gab es rein weintechnisch noch mal eine Abweichung von der Kochsternstundennorm. Antje Wiedemann vom Weingut „Drei Herren“ stellte ihre 2012 Solaris Beerenauslese vor. Mit 63 g Restzucker kein Schlankmacher, aber Süßweine sind ja auch eher zum Nippen als zum Kippen. Solaris, eine sogenannte PiWi-Rebe (eine pilzwiderstandsfähige…) sei ein Garant für Dessertweine – was will man denn auch machen, wenn man die Sonne schon im Namen trägt? Solaris wurde 1975 in Baden gezüchtet und vom damaligen Weinbauberater Claus Höhne, einem der drei Herren des Weinguts Drei Herren, nach Sachsen gebracht. Zum Süßen gab’s leichte Säure beim Mille-feuille von Orangen-Mandel-Plätzchen mit Buttermilchmousse und Monatserdbeeren, unserem Lieblingsgang an diesem Abend…
Intermezzo
Taschenberg 3
01067 Dresden
Tel. 0351 /4912 712
kempinski.com
Geöffnet: Di – So 12–15 Uhr / Di – Sa 18– 23.30 Uhr
[Besucht am 20. Februar 2016| Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.
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