Mal ab und zu was wagen!

Kochsternstunden 2016: Canaletto

Canaletto

Der Ruf von Restaurants in Hotels ist oft nicht so arg gut. Einerseits. Andererseits gibt es in einigen Hotels die besten Restaurants der Republik überhaupt. Das Canaletto im Dresdner Bellevue gehört seit einigen Jahren zuverlässig zu den Orten, wo man mehr als nur den guten Blick auf die Dresdner Altstadt genießen kann. Beim Wettbewerb der Kochsternstunden, in deren Rahmen wir jetzt mal wieder im Canaletto waren, hatte das Restaurant sogar mal (2013 war das) den ersten Platz gemacht. Mittlerweile gibt es einen neuen Koch – und da mussten wir doch mal schau’n. Für die diesjährigen Kochsternstunden hat Christian Weidt ein 4-Gänge-Menü (43 €, inkl. Weinbegleitung und Wasser 63 €) vorbereitet. Es wird auch als 3-Gang-Menü serviert (39 € / 54 €) – aber davon rät der Service freundlichst ab: man würde was verpassen.

Na gut, wir sind in solchen Dingen ja immer leicht zu überreden. Wir sollten das nicht bereuen: Weidt, der zuvor schon Sous Chef (also der Stellvertreter) im Restaurant war, hatte ein kreatives Menü zusammengestellt – eins, von dem er nach dem Menü im fabelhaftesten Erzgebirgisch erklärte: „Man muss doch ab und zu was wagen, um nicht so zu sein wie die Anderen!“ Der Satz bezog sich direkt auf das Dessert – aber nicht nur. Das Dessert: Wald & Wiese – Rote Beete (sic!), Schokolade, Kiwi. Ist das schrill? Rote Bete zum Dessert? Ja, ist es. Aber ja: das geht auch, sogar gut. Eis macht Vielerlei dessertfähig, nur mal so. Und was wirklich Süßes zum Erdigen gab’s natürlich auch, in Form einer 2011er Riesling, Spätlese Weingut Schloss Proschwitz, Prinz zur Lippe, VDP.

„Es werden jeweils 0,1l ausgeschenkt!“ steht beim Menü, was ja auch irgendwie vernünftig ist. Bei vier Gängen hat man 0,4 l Wein, guten dazu, denn im Canaletto gibt es zu diesem Menü nur solchen vom Schloss Proschwitz. Für diese Weinqualität ist der Preis ordentlich kalkuliert, da muss und kann man nicht meckern. Wir waren bei unserem Besuch mit dem sogenannten „offenen Tisch“ da, zu dem Kochsternstunden-Initiator Clemens Lutz reihum in die teilnehmenden Restaurants einlädt. Da gibt es manchmal nette Überraschungen. Wir kamen in den Genuss einer sehr netten: Jörg Philipp, ein erfahrener sehr lockerer und kenntnisreicher Sommelier sowie Verkaufsleiter Gastronomie Deutschland beim Prinzen, war unter den Gästen. Das hatte für die Mitesser am Tisch nette Folgen: Der Service schenkte vielleicht etwas freigiebiger als sonst nach (bei dem erwähnten Riesling eine sehr schöne Sache!) – und es gab zusätzlich zu den drei vorgesehenen Weinen einen zusätzlich. Und der war nun mal ein richtiger Gewinn.

Zum Hauptgang – Glasierte Wachtel, Hagebutte, Kohl, Knödel – ist vorgesehen ein (pardon:) furztrockener Rosé, nämlich der 2014er Rosé, QbA, trocken, Weingut Schloss Proschwitz, Prinz zur Lippe, VDP. Der ist in seiner Machart bemerkenswert, eine Cuvée aus Frühburgunder und Regent, nur 1,6 g Restzucker – aber in unserer Gefühlsgemengelage mit Schnee draußen und einer eher geschmeidigen Wachtel als Ess-Begleitung wären wir keine großen Freunde geworden. Nun aber das Aber und der Herr Philipp mit seiner Weinreisegepäcktasche: Da war ein 2014er Weißburgunder, Kloster Heilig Kreuz drin – eine VDP Erste Lage von Schloss Proschwitz. Heilig Kreuz liegt links der Elbe bei Meißen, wieder aufgerebt erst vor 16 Jahren. Aber dort entstehen (sonst wär es aber auch nicht so hoch eingestuft als Erste Lage) grandiose Weine. Den Weißburgunder hatten wir neulich schon und fanden ihn zum Verlieben – kann man hier nachlesen. Fairerweise muss man dazu sagen: der Weißburgunder ist etwas teuerer als der Rosé. Aber deutlich mehr als nur etwas besser passend…

Ich spring nun mal an den Beginn des Abends. Den kann man mit einem Glas Sekt einläuten (immer wieder fein: Cuvée Alexandra) oder auf den ersten vorgesehenen Wein warten: das ist ein 2014er Müller-Thurgau, QbA, trocken, Weingut Schloss Proschwitz, Prinz zur Lippe, VDP Beim Warten gibt es verheerend genussvolles Brot, und es wird (gefährlich, gefährlich) auch nachgereicht. Was das für Brot ist, ändert sich: „Wir brauchen in der Küche ja auch ein wenig Abwechslung!“ sagte der Koch und hatte die Lacher auf seiner Seite. Der Müller schmeckt elegant, ist filigran. Man meint, einen Sauvignon Blanc zu entdecken – ist es aber nicht. Ein guter Müller kann mehr als sein manchmal malader Ruf…

Zum Müller schickte die Küche eine exotische Vorspeise: Ei-Blackstone, Speck, Tomate, Sauce Hollandaise, grüner Spargel, Garnele steht auf der Karte, wir sehen (und schmecken!) ein zartes Eigelb (im schwarz lackierten Ei) und genießen den ganzen Rest (außer der Garnele, die liegt freundlicherweise im Trockendeck) in einer feinen Sauce Hollandaise. Doch, das kann man so machen! Die Suppe danach nannte sich ganz harmlos Kartoffelsuppe, hinterließ aber einen eher nachhaltigen Geschmackseindruck. In der Suppe fanden sich zusätzlich Dry-Aged-Rinder-Tafelspitz, Apfel, Sellerie, was geschmacklich schon was hermachte. Aber dennoch fragten wir uns: Dry aged Tafelspitz – bringt das was? Sagen wir mal so: Ganz normales gut gemachtes Roastbeef von bester Qualität wäre wahrscheinlich auch gegangen. Klingt natürlich nicht so geil…

Restaurant Canaletto
The Westin Bellevue Dresden
Große Meißner Straße 15
01097 Dresden

Tel. 0351 / 8051658
bilderberg-bellevue-dresden.de

Geöffnet: Di – Sa ab 18 Uhr

Update: seit Mai 2016 kocht Christian Weidt in seinem eigenen Restaurant in Lichtenstein, dem Schönburger Palais

[Besucht am 1. März 2016 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.

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