Wenn Azubis einen perfekten Abend gestalten

Kochsternstunden 2024: Carolaschlösschen

Carolaschlösschen Menü und Getränke
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Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität.
Sie widerspricht ihren Eltern, legt die Beine übereinander und tyrannisiert ihre Lehrer.
(Sokrates, 470-399 v.Chr.)

Es ist schön, einmal sehr sehr alte sehr sehr weise Männer widerlegen zu können. Selbst wenn Sokarates es nicht genau so gesagt hat (was zweifelsohne stimmt, denn er sprach und schrieb ja nicht deutsch): das Jammern über die Jugend ist nicht neu, sondern war schon immer allgegenwärtig. Und natürlich ist das, wie man heute so trefflich sagt: bullshit. Denn die Jugend war schon immer nicht so schlimm, wie die Ältern sie gemacht hat. Ein schönes Beispiel kann man derzeit im Carolaschlösschen erleben. Das ist – Dresdner (m/w/d) wissen das – ein Ausflugrestaurant im Großen Garten. Es ist aber auch – die meisten Dresdner wissen das nicht – ein Ort, an dem mehr passiert, als man sich zwischen Sonntagsspaziergang und Ausflugrestaurantvorurteilen vorstellen kann.

In diesem Jahr überrascht das Team mit einer sehr anti-sokratischen Entscheidung: es nimmt am Menüwettbewerb Kochsternstunden teil (nicht zum ersten Mal, wir waren ja schon 2020 mit großer Lust dort!) und lässt die Lehrlinge ran. Also so sagen sie das natürlich nicht, wegen der politischen Korrektheit – aber es sind halt die Auszubildenden, die das komplette Menü entwickelt haben und nun sechs Wochen lang kochen und die es (im Service) an den Tisch bringen und dort mit den Gästen klar kommen müssen. Und Gäste, das wissen vor allem die alten Hasen in der Branche, können durchaus manchmal kompliziert sein (wie: manchmal?!?).

Stichwort alte Hasen: dass die Azubis im Carolaschlösschen nicht auf sich allein gestellt sind, versteht sich. Denn natürlich sind ihr Chef Ralf Wolf in der Küche und Serviceleiter Roberto Meißner bei ihnen – um sie zu beraten, zu unterstützen und manchmal auch, sie ein wenig anzuspornen. Aber ansonsten heißt es wohl: laufen lassen. Und das lief bei unserem Besuch richtig gut – auch und vor allem dann, wenn man nachhakte und beispielsweise gleich beim ersten Gang mehr wissen wollte: da kam ohne langes Überlegen die detaillierte Erklärung, wo was wie verarbeitet sei. Ab Gang zwei geschah das dann übrigens gleich beim Einsetzen der Gerichte, ohne Extra-Nachfrage.

VorspeiseDie Azubis hatten es sich übrigens nicht leicht gemacht beim Zusammenstellen des Menüs, es waren durchaus Stolperfallen in jedem Gang. Beim Tataki beispielsweise die Gurken: würden die passen? Natürlich bringen sie die gewünschte Säure in den Gang – aber wird das nicht zu viel? Knappe Antwort: nein, das passte. Was nach unserem Geschmack nicht ganz zum Gang passte, war der Wein – obwohl der davor und danach getrunken eine durchaus positive Überraschung war: Weißburgunder von Vincenz Richter vom Kapitelberg (Winzernachbar Martin Schwarz hat da, vom VDP gekürt, eine Große Lage). Auf der ausliegenden Karte waren die Weine zum Menü zwar beschrieben, aber der Jahrgang fehlte: es war ein 21er. Also aus dem Jahr mit dem vielen Regen – und dem dann doch bei vielen Winzern richtig guten Wein. Also: Der Weißburgunder war wunderbar ausgewogen und hätte der Freund des Abends werden können. Außer zu diesem Gang 😉 – den schaffte er nicht, weil das Essen zu kräftig war (fanden wir aber nicht schlimm, denn wir hatten ja auch Wasser).

SuppeDen zweiten Gang erkoren wir zu unserem spontanen Kochsternstunden-Liebling – was natürlich vielleicht etwas voreilig war, so beim zweiten Gang des ersten Abends. Aber auch in der Nachschau wird das wohl nicht ganz verkehrt. Die Schaumsuppe wurde in einer Tasse serviert, was in puncto auslöffeln schon problematisch sein kann – aber die Suppe war und blieb herrlich heiß in dieser Tasse. Die Jakobsmuscheln hatten eine Super-Konsistenz und behielten sie auch Dank des Tricks, sie nicht in der heißen Suppe totgaren zu lassen, sondern oben auf dem gebackenen Teig zu servieren. Auch wenn Jakobsmuscheln und Suppe nacheinander als Quasi-Trennkost-gelöffelt wurden, bereiteten sie großes Vergnügen. Kleiner Pro-Tipp am Rande: Das Zitronengras ist mehr als kleiner Geschmacksgeber und große Servierstütze denn zum Mitessen gedacht.  Aber Zitronengraskenner (m/w/d) wissen das natürlich… Unser Wein zur Suppe: ein 2020 Hattenheimer Wisselbrunn Rheingau-Riesling von Schumann-Nägler – eine trockene Spätlese: der Hammer, wenn man Riesling mag! (Wir mögen Riesling und mussten spontan ein Glas nachordern).

HauptgangOnglet gehört zu den weniger bekannten Teilen von Rind oder Kalb. Grillfans lieben es, denn das Stück aus dem Bauchraum der Tiere (deutscher Name: Nierenzapfen) ist aromastark und (wegen der feinen Fetteinlagerung) sehr saftig – wenn man’s richtig zubereitet. Macht man’s falsch, kann ein Onglet durchaus die Bissfestigkeit einer ordentlichen Schuhsohle erreichen, was kein Mensch braucht. Wir waren gespannt – und hocherfreut zeigte sich beim ersten Happs, dass wir keine Schusterberatung brauchen würden: alles in Ordnung. Die Beilagen waren farbenprächtig, die Steckrüben dabei echt gut (wer traut sich denn noch, Streckrübe zu servieren?!). Die kleinen Zipfelpaprika hatten wir schon im ersten Gang gesehen und diskutierten auf hohem Niveau, dass man das ja nicht zwingend macht: so eine zwar kleine, aber auffällige Zutat zweimal in einem Menü verwenden. Aber egal! Nicht ganz egal, sondern schade war, dass es soooo wenig Sauce gab. Also muss man sich Benetzungshilfe beim 2016 Amarone Reius della Valpolicella vom Weingut Sartori holen – wer braucht denn da noch Sauce? Dass der Amarone auf der Karte versehentlich aus Apulien kommend angepriesen wird, ließ uns nicht davon abhalten, diesen kräftigen Roten von den Hügeln im klassischen Valpolicella-Gebiet nordwestlich von Verona zu genießen…

Keinen Mausrutscher gab’s beim Getränk zum Dessert, denn der Espresso Martini ist mit Wodka, Kaffeelikör, Espresso und Zuckersirup komplett lagenfrei. Zum spannenden Digestif gab es ein Dessert, in dem es hin und wieder brizzelte. Ansonsten fanden wir Blutampfer zur Himbeertarte spannend und dachten noch mal an Sokrates. Wie schön, dass sich die Zeiten ändern – war ja nicht alles besser, damals…

PS: Die Jungs aus der Küche durften ja schon im Vorbericht zu den Kochsternstunden das Dessert präsentieren – im Beirag stehen auch die Namen. Bei unserem Besuch bediente uns aufs allerfeinste Karina – so steht’s auf der Bewertungskarte für den Abend, mit Herzchen auf dem i…

Menü

  • Tataki vom Rind
    Gurke | Zucchini | Glasnudeln
  • Schaumsuppe vom Krustentier
    Wantan | Jakobsmuschel
  • Onglet vom Kalb
    Erbse | Möhre | Steckrübe | Vanille | Brombeere
  • Himbeertarte
    Sesam | Crumble | Blutampfer

Getränkebegleitung

  • Weißburgunder
    Weingut Vincenz Richter | Meißner Kapitelberg | Sachsen | Trocken
  • Riesling Großes Gewächs RGG
    Weingut Schumann-Nägler | Rheingau | Geisenheimer Rothenberg | Trocken
  • Amarone Reius della Valpolicella
    Weingut Sartori | Trocken
  • Espresso Martini
    Wodka | Kaffeelikör | Espresso | Zuckersirup

Menü-Preis

  • 3-Gang Menü 42,00 €
  • 4-Gang Menü 54,00 €
  • Getränkebegleitung 29,00 €

Carolaschlösschen
Querallee 7
Großer Garten
01219 Dresden

Tel. +49 351 / 2506000
www.carolaschloesschen.de

Öffnungszeiten:
Mo bis Sa 11–22 Uhr
So ab 10 –22 Uhr

[Besucht am 4. Februar 2024 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]


Hinweis:

Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.

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