Die Grünkohlkönigin von Dresden

Carla Marschall

Weimar hatte (im Tatort) eine Wurstkönigin, München wartete (ebenfalls in einem Tatort) gleich mit einer ganzen Latte von Königinnen auf: wir sahen die Nördlinger Zwiebelkönigin, die Bayerische Weißwurstkönigin die Kemptener Honigkönigin und die Aichacher Spargelkönigin. Bei Spargelkönig fällt einem vielleicht noch Sven Regener ein, der Texter und Sänger von Element of Crime, der gut informiert wusste, „wer zwanzigmal dabei war, darf aus Altersgründen nicht mehr kandidieren“. Er musste es ja wissen, weil er „schon seit 20 Jahren Ex-Spargelkönig“ ist… – Und was ist mit Dresden? Dresden hat eine Grünkohlkönigin! Carla Marschall heißt sie, ist Direktorin der Dresden International School und mit Grünkohl durchaus vertraut: die gebürtige US-Amerikanerin könnte viel vom Hype um den cale erzählen…

Verliehen wurde der Titel beim 28. Grünkohlessen, zu dem der Dresdner Presseclub und als Gastgeber das Hilton Dresden „rund 150 Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft“ (Pressetext) eingeladen hatten. Das Grünkohlessen hat mit den gleichnamigen Sausen im Nordwesten Deutschlands nicht viel zu tun: es geht gesetzter zu, dafür muss man vorher auch nicht mit dem Bollerwagen zum Veranstaltungsort ziehen.  Aber die Idee des Dresdner Grünkohlessens entstand 1990 ja auch auf einem Wirtschaftsgipfel der Städte Hamburg und Dresden, bei dem die Weichen für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit der beiden Elbestädte gestellt wurden.

Der Grünkohlkönig (m/w/d) ist keine Erbmonarchie, sondern der Vorstand des Presseclubs und Manager vom Hilton suchen sich jemand aus, der (oder die) für das bisherige Engagement für die Stadt Dresden ausgezeichnet wird – verbunden mit der Bitte, während der Amtszeit die Stadt weiterhin voran zu bringen und über die Grenzen Dresdens hinaus zu wirken. Das gelingt mal mehr, mal weniger gut – aber wer weiß schon was wird, wenn Grünkohl serviert wird? Der Blick in die Zukunft ist ja eh ungewiss, weswegen man sich dann gerne auf Traditionen beruft. Schon deutliche Worte zur Gegenwart, wie sie der neue Vorsitzende des Presseclubs Tobias Wolf in einer sehr politischen Begrüßungsrede mit deutlich demokratischem Standpunkt fand, erzeugen am Ende in Dresden keineswegs lauten Beifall, sondern betretenes Schweigen.

Carla Marschall, die 2022 aus Singapur nach Dresden kam und zuvor bereits an verschiedenen internationalen Schulen in Asien, der Schweiz und in Deutschland in Führungspositionen tätig war, ist eher nicht fürs Schweigen. „Dresden befindet sich in einer so spannenden Zeit, was die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung betrifft“, sagte sie. „Ich freue mich sehr und möchte dazu beitragen, dass Dresden insbesondere in der interkulturellen Kompetenz eine weiterhin positive Entwicklung nimmt.“ An der DIS werden etwa 500 Kinder und Jugendliche aus 50 Nationen mehrsprachig unterrichtet. Die Mehrsprachigkeit hat für Carla Marschall in der Pädagogik einen großen Stellenwert, denn sie beeinflusse auch den interkulturellen Austausch und die Fähigkeit, die Perspektive zu wechseln.

Beim Essen wurde die Tradition bewahrt, dass Lätzchen auslagen, die man sich umlegen sollte. Warum? Rund 90 Prozent der Anwesenden stellten sich die Frage nicht und genossen ein als fine dining angelegtes Menü als ob sie wie in Mittelalterkneipen Haxen mit Fingern an den Mund zu führen hätten. Man möchte derlei Nichthinterfragen lieber nicht ins Politische übersetzen – sonst wird das nichts mit der Zukunft.

Dresdner Grünkohlessen 2024Fürs Essen hatte sich das Küchenteam des Hilton Dresden dem Thema Grünkohl wie gesagt eher auf die feine Art genähert. Die asiatisch inspirierte Vorspeise vereinte einen Glasnudelsalat mit Grünkohl, Sushi mit Grünkohl-Kürbis und California Rolls mit knusprigem Grünkohl-Crunch. Beim Hauptgang erlebte man mit einer Surf&Turf-Variante (Irish Beef und Garnele) ein zusätzliches grünes Wunder: Grünkohl mit Kräutersaitling, dazu eine Biersauce – die etwas au0ßergewöhnoich nicht nur auf dem Teller, sondern auch in einem Extra-Näppel serviert wurde (soweit, so gut), das seinen ungewöhnlichen Platz in der Sauce auf dem teller gefunden hatte. Auch ins Dessert hatten die Kreativen den Grünkohl geschmuggelt: als salzigen Crunch und damit Kontrast zum süßen Baklava.

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