Gegen das schwarze Loch des Trendmülleimers

Kochsternstunden 2024: Alte Meister

Alte Meister

Manchmal sollte man Ankündigungstexte lesen und nicht drüber hinwegsehen (dafür haben wir doch schon Gebrauchsanweisungen, oder?): „Küchenchef Franz Mühlberg und Serviceleiter Gianluca Verbeeck möchten Sie dieses Mal mit Fusionsküche und den entsprechenden Getränken verlocken. Das gab es alles schon, aber die Kombination aus asiatischer und mediterraner Küche ist einfach zu gut um im schwarzen Loch des Trendmülleimers zu verschwinden, so finden wir!“ So steht das auf der Übersichtsseite der Kochsternstunden – und es machte uns an, das Restaurant Alte Meister im 22. Jahr ihres Daseins am Theaterplatz mal wieder zu besuchen.

Als wir da waren, hatten sowohl der Küchenchef als auch der Serviceleiter ihren freien Tag. Das ist in Ordnung, wenn man jeden Tag geöffnet hat: Gastronomen brennen zwar in der Regel für ihren Beruf, haben aber dennoch ein Privatleben – also manchmal. Aber wir hatten es dennoch bestens getroffen, denn – so viel als Spoiler vorab – es war ein rundum gelungener Abend, inklusiv der Nachbarn am Nebentisch, die wir die Ehre hatten mitzuhören. Dazu gleich mehr.

Als wir (vergleichsweise früh) kamen, waren fast alle Tische frei – und wir dachten schon: schade, aber so ist das an einem regnerischen Dienstag vielleicht. Aber: im Laufe des Abends füllte sich das Restaurant, zwei Herrenrunden und ansonsten 2er- oder 4er-Tische. Man sitzt dann vergleichsweise nah beieinander, aber wenn jemand von Haus aus ein lauteres Organ hat (Lehrer*in zum Beispiel?!), bekommt man ja mehr mit als einem manchmal lieb ist. Und wie schon der weise Kurt Tucholsky (im Schloss Gripsholm) befand: „Gott schenke uns Ohrenlider. Wir sind unzweckmäßig eingerichtet.“ Wir also bekamen nach unserer Bestellung („Zweimal das Kochsternstunden-Menü in vier Gängen, einmal mit der vorgesehenen Getränkebegleitung und einmal nur mit Weißweinen, die Sie mir bitte empfehlen!“) mit, dass man das auch komplexer gestalten und sich nach jeder Zutat erkundigen kann. Was ist an der Teigtasche asiatisch? Was ist Miso? Was ist Wakame? Was sind Sobanudeln? Wie ist der Schweinebauch lackiert? Und was ist Soja-Eigelb (nun ja: das hatten wir auch gefragt, es könnte ja schlimmstenfalls gar nicht vom Huhn, sondern vom Soja stammen!)? – und so weiter und so fort. Wir schlossen daraus: im Prinzip sind wir nicht normal – wir wissen zu viel und sind zu gelassen, einfach das zu nehmen, was Küche und Service uns bringen.

Also auch das Abenteuer eines Litschi-Drinks – dem Limette und Ingwer Säure sowie angenehme Schärfe der Süße hinzufügten. Hätten wir freiwillig ohne den Vorschlag als Menüstarter nie genommen, passte aber – und zwar sowohl Solo (merken für den Sommer!) als auch zur Vorspeise. Bei der wurde (wenn wir das richtig verstanden hatten: mehr oder weniger spontan als Gruß aus der Küche) ein Hähnchenspieß auf dem reichlich bemessenen Glasnudelsalat der geheime Favorit des Ganges. Einfach leckerhaft, so wie auch die Miso-Aioli den gewissen Pfiff hatte.

Beim Zwischengang gaben die Sobanudeln Gesprächsstoff. Mit fundiertem Halbwissen orakelten wir, ob die aus Buchweizen gemacht seien – und suchten Bestätigung bei unserer Bedienung, die für uns erst später wegen der Kochsternstunden-Bewertung mit Vivien auch einen Namen bekam. Wir hatten sie auch anonym schon ins Herz geschlossen, weil sie uns von Anfang an mit ihrer Art freundlich, aber unaufdringlich und flink, aber nicht hetzend positiv aufgefallen war. Sie wusste in Sachen Soba erst auch nicht mehr als wir, fragte aber in der Küche nach – und nun wissen wir alle, dass das stimmt mit dem Buchweizen. Was vielleicht noch fehlt (aber ein Blick auf die Verpackung könnte da helfen), ist die Antwort auf die Frage: Sopa (wie bei den Alten Meistern geschrieben steht) oder Soba (wie die Japaner wohl sagen, wenn sie nicht gleich そば schreiben…). Abseits dieser eher philologischen Überlegungen gefiel uns der Spaß, eine mediterrane/italienische Carbonara asiatisch zu interpretieren – wobei uns der lackierte Schweinebauch zu nackt vorkam, braucht doch eine Carbonara Speck (Pancetta) – und wenn der Schweinebauch ganz ohne Fett daher kommt, hilft auch Lackieren nicht. Lustig fanden wir die Idee, dazu einen Wein anzubieten, der ein Pecorino war! (Gepasst hat er obendrein: jung, frisch, fruchtig…)

Im Hauptgang treffen Confierte Entenbrust und Kartoffel-Trüffelpürée auf Hoisinjus und Pak Choi – und verstehen sich gut! Da kann man auf dem Teller erleben, wie einfach es sein könnte, dass sich einander ursprünglich weit entfernte Kulturen auch auf engem Raum vertragen. Die Entenbrust war längs halbiert (und von der Menge immer noch reichlich genug!), so dass sie ihr zartes Rosa sofort offenbarte – ein Vorteil der sanften Zubereitungsart. Jus ist ja immer ein wenig kräftig, Hoisin auch – da kommt schon eine Menge Schmackes mit, aber die Jus ist ja am Rande drapiert und kann somit nach Bedarf mitgenommen werden. Außerdem gibt’s ja Wasser und Wein sowie ein zweites – sanfteres – Sößchen…

Zum Dessert sah die Getränkebegelitung einen alkoholfreien Grünen Tee vor – nach den Erfahrungen des Starter-Gangs sahen wir dem gelassen und erwartungsfroh entgegegen. Dass dann zum Cheesecake und Mango-Curry-Parfait noch ein Limoncello als Drop-In serviert wurde, war eine freudige Überraschung. So ein kleiner Schuss Mediterranes im Tee kommt nämlich – was die Tiefe des Geschmacks angeht – erstaunlich gut…

Menü

  • Asiatische Teigtasche | Miso-Aioli | mediterraner Glasnudelsalat | Wakame
  • Soba Carbonara: Sobanudeln | Soja Eigelb | Parmesan | lackierter Schweinbauch
  • Confierte Entenbrust | Hoisinjus | Pak Choi | Kartoffel-Trüffelpürée
  • San Sabastian Cheesecake | Mango-Curry-Parfait

Getränkebegleitung

  • Starter: Litschi Drink mit Limette und Ingwer (alkoholfrei)
  • Pasta: Pecorino IGP, Tenuta Ulisse, Abruzzen
  • Hauptgang: Crozes Hermitage, Domaine Brotte, Rhonetal
  • Dessert: Geeister grüner Tee (alkoholfrei) – plus Limoncello (wer mag)

Preise

  • 3-Gang Menü 48 € | Getränkebegleitung 25 €
  • 4-Gang Menü 58 € | Getränkebegleitung 32 €

Alte Meister
Theaterplatz 1a
01067 Dresden

Tel. +49 351.4810426
www.altemeister.net

Öffnungszeiten:
Di–Sa 12–23 Uhr
So 12–17:30 Uhr

[Besucht am 6. März 2024 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

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Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.

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