Subtile Geschichten in schwarz-weiß

Ausstellung "Kinder" und "Botschaften und Botschafter" von Günter Starke im Diako

Günter Starke

Es gibt Ausstellungen, die man sich freiwillig nicht unbedingt ansieht. Nicht etwa, weil sie schlecht sind – sondern weil sie außerhalb der gängigen Ausstellungsorte stattfinden. Die beiden Bilderzyklen, die der Dresdner Fotograf Günter Starke jetzt (und noch ein halbes Jahr lang) im Diakonissenkrankenhaus Dresden zeigt, sind so ein Fall. Man muss allerdings nicht krank sein oder einen Patienten besuchen, um sich die großformatigen schwarz-weiß-Aufnahmen anzusehen: Besucher willkommen. „Kunst im Diako“ heißt die Ausstellungsreihe, in der regelmäßig Arbeiten sowohl etablierter als auch zeitgenössischer junger Dresdner Künstler ausgestellt werden. „Das Diakonissenkrankenhaus Dresden möchte sich damit mittelfristig als ein Ort zeitgenössischer Kunst in der Stadt Dresden etablieren, an dem Kunst, Medizin und Pflege im Einklang stehen,“ erläutert Pflegedirektor Michael Junge das Konzept.

Indianer begrüßten das Vernissage-Publikum. Also nicht wirkliche, sondern zwei Jungs, die – vor erkennbarem Neustadtgemäuer – Cowboy und Indianer spielen. Oder Pirates of the Äußere Neustadt oder so was. Ungestüm und teils bewegungsunscharf kommen sie auf den Betrachter zu (hier bei der Vernissage noch per Projektor an die Wand geworfen, später bei der Ausstellung dann auf dem Bild). Es ist so ein Foto, bei dem man immer wieder hinsehen möchte, vielleicht noch was entdecken will. Und man muss an dieses eigene Begehren denken, wenn der fotoaffine Musikwissenschaftler Dr. Martin Morgenstern in seiner Einführung von zwei Typen von Fotobetrachtern spricht: „Es gibt [die], die zuerst sehr sorgfältig die mitgelieferte Beschreibung des Fotografen lesen und versuchen zu verstehen, was uns der Künstler sagen wollte, bevor sie das eigentliche Foto betrachten und zu einer Einschätzung kommen. Und dann gibt es [die], die sagen: zeig mir das Bild, ich will das Bild sehen. Entweder es macht was mit mir oder nicht. Ich will nichts vom Fotografen erklärt bekommen, was ich in seinen Bildern sehen soll.“

Martin MorgensternMorgenstern sprach da über seine Erfahrungen mit dem seit 2015 jährlich von ihm mit ausgerichteten internationalen Fotografiewettbewerb PORTRAITS in Hellerau. Günter Starke, der schon immer mit seiner Kamera in seinem Kiez, der Neustadt, unterwegs ist, schlägt sich in dieser Ausstellung eindeutig auf die Seite der Bildsprechenlasser. Nicht einmal Titel gibt er den Bildern – sie hängen und sprechen für sich. Einerseits können sie das, weil eben Foto für Foto eine klitzekleine Momentaufnahme des Lebens in den 80er und 90er Jahren widerspiegelt. Andererseits könnten aber (gerne auch so klitzekleine) Hinweise das Hirnen der Betrachter fördern oder auch erleichtern. Dass die beiden eingangs zitierten wilden Jungs Indianer sind, wissen wir nur, weil bei der Projektion der Bildtitel mit zu sehen war: indianer.tif. Und dass die Hinterhofszene mit dem kleinen Mädel ein besonderer Tag war, verrät wieder der Dateiname, hier ist er sarageb.tif. Noch mehr erfährt, wer mit Starke durch die Ausstellung geht und die eine oder andere Anmerkung aufschnappt. Da kann einer nicht nur sehen und fotografieren, er hat auch was zu sagen.

Die Geschichten, die Günter Starke in seinen Bildern erzählt, sind häufig sehr subtil. Es lohnt sich also, genauer hinzusehen. Wie zum Beispiel auf dem einen Bild, wo man einen kleinen Jungen vor dem Kaufladen sieht, einen (Einkaufs?)zettel in der Hand. Was mag da drauf stehen? Wir wissen es nicht – aber so wie der Bengel guckt, steht da nicht „Eis“. Er sieht nämlich grimmig in die Kamera. „Eis“ steht aber auf der Tafel an der Wand des Geschäfts, genau so wie „Kaffee“ (Rondo und Mona – auf Wunsch auch pulverfein gemahlen). Sauerkraut allerdings gab’s nicht, wie unübersehbar groß mit Kreide auf dem Glas der Eingangstür zu sehen ist. Hoffentlich stand das nicht auf dem Zettel!

Mit Inschriften und Menschen hat Günter Starke sich in einem eigenen Projekt humorvoll auseinander gesetzt. Das sind die Botschaften und Botschafter, die man ebenfalls sehen kann im Rahmen der Ausstellung. Es sind Kombinationen aus Sprüchen und Portraits, die Starke fein humorig zusammen bringt: Spruch unten, Portrait oben. Wir haben diese amüsanten Zusammenstellungen im Juni 2016 bereits im Kulturkraftwerk Dresden-Mitte bewundert – so einen hintersinnigen Humor muss man erst einmal haben, die Dinge auf diese Weise zusammen zu fügen. Der Klassiker unter den Sprüchen: „1 zu 1 sind 2 Färlibte“, und drüber im Fenster (auf Kissen gestützt, wie das so sein muss) schauen Hund und Frauchen ins Gesicht des Betrachters. Herrlich!

Jule MalischkeZu einer richtigen Ausstellungseröffnung gehört auch Musik. Hier war es Jule Malischke, die nach Abschluss ihres Masterstudiengangs Jazz /Rock/ Pop akustische Gitarre an der Carl Maria von Weber Musikhochschule in Dresden nun in der Meisterklasse bei Prof. Thomas Fellow studiert. Neben der klassischen Ausbildung ist sie solo oder zusammen mit Kolleg(inn)en auf Tour – und manchmal eben auch bei Ausstellungseröffnungen dabei, leider immer mit viel zu wenig Liedern. Aber es reichten schon ein U2-Cover (mit eigenem Zungenschlag) und eine Eigenkomposition, Momentaufnahmen, um die Kombination aus hochkarätigem Gitarrenspiel und außergewöhnlicher Stimme in Kopf und Herzen des Vernissage-Publikums zu bringen.

Günter Starke: Kinder · Botschaften und Botschafter
Diakonissenkrankenhaus Dresden
Holzhofgasse 29
01099 Dresden

www.diako-dresden.de

Ausstellung in Ebene 4

1 Kommentar

  1. ich war traurig, dass durch eine Terminfehlerüberschneidung sowohl Jule, als auch der Gospelchor nicht so richtig zur Geltung kamen.
    Danke aber an die Schwestern und Patienten, die mir schon bei meiner Vorbesichtigung für die Bilder gedankt haben.
    Dank auch an die feine Rede des Rektors und auch an Martin!

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