Auf der gar nicht mal so kleinen Insel jenseits des dann doch vergleichsweise schmalen Wassers suchen sie ja immer noch den Notausgang und brexiten so vor sich hin. Da ist es doch fein, dass in durcheinanderen Zeiten wie diesen gewisse Konstanten die Fahrt durch die Zeitenläufte erleichtern. Im Feierbereich beispielsweise der Pate, der mit seinen Jungs nun schon zum achten Mal mit der Dinnershow Mafia Mia für leichtfüßige Unterhaltung sorgt und einen (erfreulich langen, aber nie langweiligen) Abend lang die Mühen und Plagen sowie den ganzen Rest des Alltags vergessen macht.
Dieses Mal spielt die Geschichte in London, natürlich mit bierernstem Hintergrund: Für den Fall der Fälle eines ungemütlichen Brexits wollte der Pate sich quasi ein wenig einnisten im dann wieder in wundersamer Isolation in der Nordsee dümpelnden Königreich. Es geht ja schließlich nicht nur um Familie und Freunde, es geht ja auch Geschäftspartner! Und da hilft der Titel Duke of Clarence and Avondale, den der Pate sich gesichert hat, natürlich. Das historische Vorbild, so viel zur glücklichen Wahl des Titels, zog Sex and Drugs and Rock’n-Roll dem Regieren vor und verstarb an Syphillis. Die Show zehrt davon (glücklicherweise) recht einseitig: von nachhaltigen Gesundheitsstörungen ist nichts überliefert, dafür aber gab es reichlich Rock’n’Roll, die üblichen legalen Drogen (der Pate hat aus der italienischen Heimat Weine in allen Farben mitgebracht, also rot, weiß und rosé) und Sex in der jugendfreien Version – dazu später mehr.
Für den Rock sind primär die fünf Jungs der Firebirds zuständig – und sie machen es wie immer: hinreißend mitreißend. Sie spielen die Rolling Stones nach und (gleich in einem kompletten Medley) die Beates, sie haben die Rock-Klassiker drauf und können’s auch ganz ohne, also a-capella. Wenn man bedenkt, dass es die Firebirds schon seit 25 Jahren gibt, sind sie ganz schön spontan drauf – auch wenn alles einstudiert und geplant ist. Und überhaupt muss man das ja mal so deutlich schreiben: Idee und Konzept von Mafia Mia kommen von den Firebirds, und Firebirds-Mitbegründer und Schlagzeuger Guido Gentzel ist zusammen mit Bert Callenbach derjenige, der die Story zur Show schreibt. Während der Show ist das ja quasi egal, denn da geht’s ums Mitsingen, Mitwippen (des Fußes am übergeschlagenen Bein) und Spaß haben. Auch und besonders dann, wenn ein Bandmitglied den langen Tisch in der Mitte des Saals zum Laufsteg macht und als Solist auftritt – egal ob Saxophon, Gitarre oder nur Gesang…
…wobei der Gesang ja durchaus nicht nur auf der Bühne, sondern auch von direkt daneben kommen kann. Mal eben runter auf den Schoß einer jungen (und hübschen blonden, da lassen wir bitteschön kein Klischee aus) Frau und schon haben wir den Rhythmus, bei dem jede(r) mit muss. Ist das böse, politisch unkorrekt, eine Aufregung wert? Me too? Nicht an so einem Abend, allenfalls in der sehr entgegengesetzten Variante von: „Ich auch!“ Also „dich auf dem Schoß haben wollen und angehimmelt werden…“
Wir sind, bitte nicht vergessen, in einer Dinnershow, um den Alltag zu vergessen. Und die um Gleichbehandlung bemühte Regie hat einen sehr augeklügelten Augenschmausplan ausgearbeitet. Da kommen zum Beispiel recht früh in der Show vier extrem hübsche und extrem bewegliche und extrem reizvolle – ach ja, der Mann gerät ins Schwärmen: es treten auf die Mafia Mia Dancers. Wer da sagt, nicht hinzugucken, lügt. Und die Frauen im Saal? Die bekommen immer mal wieder vier Herren in extremen Nebenrollen zu sehen, die dann später im Showteil Muskeln und am Ende gar mit bloßem Oberkörper den Damen gaben, wovon sie (mit Blick auf den einladenden Chef oder die Begleitung links neben ihnen) träumten…
Die Stimmung, man kann sich das bei einem so bezaubernden Mix aus Bildern und Musik leicht vorstellen, war grandios. Interessierte sich eigentlich noch jemand für die Geschichte um die Show? Nun ja, schon, denn nur die Geschichte bringt den Paten auf die Bühne. Bert Callenbach spielt ihn (wie immer) mit der nötigen Mischung aus Gelassenheit und Überlegenheit, er ist mit seiner sonoren Stimme und seinem gediegenen Auftreten der unerreichbare Darling von allen. Weil er ja auch nicht wirklich Böses tut und obendrein ziemlich gestraft ist mit seinen treudoofen Begleitern Schlicht und Kümmerling (Joachim Lippmann und Kai Neumayer). Aber natürlich sorgen die Beiden immer wieder für schöne Lachmomente, ob im Film vor dem Buckingham Palace in London (mit Uniform und Bärenfellmütze!) oder livehaftig als Elton-John-Parodie. Außerdem treiben der Pate und seine Diener die Geschichte voran, denn wer zum englischen Hof gehört, hat auch den Regeln von Protokoll und Etikette zu folgen – und wird vom Geheimdienst Ihrer Majestät beobachtet. Das macht dem Paten und seiner Familie das Leben natürlich schwer, und wir dürfen alle mitfiebern!
Mitfiebern kann man auch bei den Artisten. Die sind (auch das hat Tradition bei Mafia Mia) gut und reichlich im Einsatz. Joe & Martin fliegen durch die Luft – sie nutzen das Schleuderbrett (oder, wie Kleinkinder sagen würden: die Wippe), Tatjana und Sergi sind Tempo Rouge und kuscheln am Trapez, dass der Begriff Luftikuss eine ganz neue, erotische Bedeutung bekommt. Und Man’s World, die vier Männer von der Circus Academy Kiev, die so lässig cool daher kommen, haben eben auch mehr als nur Muskeln – sie bauen Pyramiden mit sich selbst, dass die Pharaonen vor Neid erblassen würden.
So viel Show! Und was ist mit Dinner? Das gab’s selbstredend auch! Leicht britisch angehaucht vor allem bei der Suppe (Maiscreme-Süppchen & karamellisiertes Chili-Popcorn mit Minze), aber im Grunde doch so, wie man es kennt: Mit Entenkeule und Rotkohl zum Hauptgang. (Keine Bilder, weil die Beleuchtung in den Essenspausen doch arg lila auf die Teller scheint. Ist eben doch mehr Show als Dinner…)
Mafia Mia – The London Boys läuft noch bis zum 13. Januar 2018 (genaue Daten und verfügbare Termine) ; Beginn 19.30 Uhr
Erlwein-Capitol, Messering 8 E (gegenüber Haupteingang Messe)
www.mafia-mia.de
Karten je nach Kategorie und Wochentag ab 58,50 € (inklusive Show, Menü und Tanz nach der Show).
[Wir waren zu Gast bei der Premiere am 30. November 2018 – auf Einladung mit Pressekarten.]
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