Kleine Glühwein-Soziologie

Glühweintest mit 16 Glühweinen in der Weinzentrale

Glühweintest 2018

Die Zeiten werden härter. Zumindest für Glühweintester, denn immer mehr Winzer und Gastronomen stellen ihr eigenes Heißgetränk her. Wie in den vergangenen Jahren, hatte Jens Pietzonka von der Dresdner Weinzentrale eine stattliche Auswahl besorgt und bot sie zur Verkostung an – insgesamt 16 verschiedene! Man musste nicht alle probieren, aber man durfte (und wir haben!).

Glühweintest in der WeinzentraleJens Pietzonka machte jeden bestellten Glühwein frisch: er (der Wein…) kam aus der Flasche in den Topf und wurde dann im Glas serviert. Gegenüber Weihnachtsmärkten ein großer Vorteil: dort blubbert das Getränk bei hoher Temperatur über einen längeren Zeitraum vor sich hin. Einzelne Gläser Glühwein kosteten 3,50 € – das wird, wie es sich abzeichnet – auch der gängige Striezelmarktpreis für Glühweine (wie wir sie jetzt einmal alle nennen wollen, selbst wenn sie es laut Weingesetz nicht sind) sein. Die wesentlich kleineren Proben kosteten ca 0,95 €/Probierglas (16er Probe 15 €, 5er Probe 4,80 €).

Wir probierten – anders als bei klassischen Weinproben gängig – nicht sehr vornehm: wir schluckten den Wein auch! Allerdings immer nur ein wänziges Schlöckchen, hält ja sonst keiner aus. Der Rest landete dann im schönen schwarzen Spucknapf. Wir probierten jeweils drei Glühweine parallel – drei Rosé, sechs weiße und sieben rote ließen sich so recht gut aufteilen.

Heißer SchuhDabei gab’s schöne Überraschungen, aber manchmal auch fragendes oder verständnisloses Kopfschütteln. Reden wir (na gut: schreiben wir!) über die positiven Erlebnisse. Das erste kam gleich mit dem ersten probierten Schluck! Der kam vom Heißen Schuh, ein rosé Glühdingenskirchen (aromatisiertes weinhaltiges Getränk steht völlig korrekt auf dem Rücketikett. Hergestellt ist er aus Kerner und Dornfelder, dazu kommen die üblichen Spezereien – so riecht und schmeckt es jedenfalls. „Wie ein roter, nur leichter“ kam mir in den Sinn, wobei das mit dem leicht relativ ist, wie ein Blick aufs Etikett verrät: 12,5%vol sind ja nicht wenig.

So ganz anders kam der Rosé vom Genussmensch daher. Dahinter steckt Silvio Nitzsche von der WeinKulkturBar, dessen Glühweine ɡlyːˌvaɪ̯n heißen und bewusst anders gemacht sind: „Wir möchten nicht, wie üblich, einen nicht so gut gelungenen Wein geradebiegen – sondern einen guten Wein aromatischer machen.“ Sein Ziel sei die „Intensivierung das Grundaromas“, was (weil die Weine ja meistens draußen in der Kälte getrunken würden) der Geschmackswahrnehmung entgegen käme. Soweit die Theorie – und in der Praxis? Roch und schmeckte der Rosé zum Beispiel gar nicht weihnachtlich, sondern nach Rose oder Jasmin (wir konnten uns nicht wirklich einigen). Aber wenn der Überraschungseffekt einmal weg war, gefiel uns das sogar (später, beim Weißen, sogar arg sehr!).

…abgefülltDie Runde der Weißen startete mit dem von bean&beluga. Stefan Hermann besorgt sich die Grundweine immer bei einem sehr ordentlichen Winzer – in diesem Jahr ließ er sich von Emil Bauer & Söhne aus der Pfalz Weißburgunder und Riesling für den weißen Winzergewürzwein anliefern. Eine gute Wahl, denn zusammen mit den zehn Prozent Sud, der in der Kellerei Walther in Arnsdorf hinzu gefügt wird, entstand ein sehr saftig-fruchtiger Glühwein. Um es vorweg zu nehmen: unser Liebling bei den Weißen!

Wer sich auf dem Striezel auskennt, weiß um den anderen Kandidaten auf Platz eins: Keth. Der Stand des Rheinhessen ist ja mittlerweile Institution in Dresden – und immer dicht umlagert. Aus gutem Grund: die Winzerglühweine von Keth sind sehr gefällig, süffig und erfahrungsgemäß so ehrlich wie sauber gemacht, dass man keinen Kopf bekommt, sollte man einmal mit zu vielen Freunden anstoßen wollen.

Unter den anderen empfehlenswerten Weißen ist auch wieder der Heiße Engel von Frédéric Fourré. Müller-Thurgau, Scheurebe und 13 Gewürze (welche? streng geheim! sagt der Pariser aus Radebeul) sind drin. Und wenig Süße. Das mögen nicht alle mögen, aber man schmeckt dadurch mehr Wein, es klebt nicht so sehr. Unser Tipp für Besucher des Weihnachtsmarkts in Altkö ist übrigens, beim Fourré statt des Glühweins einen seiner richtigen Weine zu verlangen: die schmecken noch mehr nach Wein!

Etwas ratlos machte uns die Vanillebombe, die sich als Weißer Glühwein der Hoflössnitz entpuppte. Wie ein Germknödel mit reichlich künstlicher Vanillesauce, so gar nicht meins. Was mir bei den Glühweinen der Hoflössnitz auch immer auffällt: sie tun so, als ob sie aus Sachsen seien – kommen aber sonstwo her. Wer die Flasche in der Hand hat und das Rücketikett liest, merkt es: „Deutscher Glühwein hergestellt in Sachsen“ steht da. Rechtlich ist das ja in Ordnung, aber als ich im vergangenen Jahr den Verkäufer in der Striezelmarktbude fragte, ob das ein sächsischer Wein sei, meinte der natürlich prompt: „Ja!“

Der weiße Genussmensch (ist das so noch politisch korrekt? Egal!) basiert auf einem Sauvignon Blanc und schmeckt auch so. Nur ohne das sommerliche Kratzen. Und aus der Serie der in Bügelflaschen (Plopp!) ausgelieferten Winzerglühweine vom Speisewerk bekam der weiße auch ein Sternchen fürs Vormerken (obwohl die anderen auch was hatten, da müssen wir also nochmal hin!)…

Nacheinander, nicht durcheinander!Wann begann das eigentlich mit Glühweinen, die nicht rot sind? Vor zehn Jahren oder erst vor fünf? Sieben Rote probierten wir – und ganz ohne Umschweife können wir ja auch gleich verraten, dass es uns bei den Roten nicht anders ging als bei den Weißen: auch hier fanden wir in diesem Jahr den aus dem Hause bean&beluga ein My besser als den von Keth. Wobei beide (wie all die anderen) ja noch nicht die Kälteprobe bestanden haben, da müssen wir bestimmt noch einmal vor Ort nachtesten!

Zwischen den beiden Siegern gab’s noch weitere empfehlenswerte rote Glühweine: der Feuer & Wein von Wackerbarth beispielsweise gefiel uns, weil er uns sehr ausgewogen erschien. Das ist ja wichtig, weil Glühweintrinken auf den Weihnachtsmärkten mittlerweile auch eine soziale Funktion hat: man trifft sich mit Freunden und will es leicht haben, nicht schwer. So wie im Sommer beim Grillen. Da passt doch, was gefällt! Und auch der sehr stoffig und nach Kirsche schmeckende kräftige Rebglut von Jan Ulrich hatte, was einen zum Wiederholungstrinker machen könnte…

Weinzentrale
Hoyerswerdaer Straße 26
01099 Dresden

Tel. +49 351 / 89966747
www.weinzentrale.com

Öffnungszeiten
Mo – Fr ab 16 Uhr

[Glühweintest in der Weinzentrale: 5er bis 16er Flights zu je ca. 0,95 €/Probe. Tasse Glühwein: 3,50 €. Probiert am 26. November 2018 | Zu den Glühweintests 2017 und 2016]

1 Trackback / Pingback

  1. Der große ultimative Glühweintest 2019 | STIPvisiten

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*