Alles ist Kunst, irgendwie. Ob die jungen Mädels wissen, die auf ihren Rollschuhen Die Glückliche von Marcus Wittmers umrunden, dass auch sie ein Teil der Kunst an diesem Abend in der Galerie Holger John sind? Ahnen könnten sie es, denn sie tragen T-Shirts mit dem Aufdruck UNBEGABT und befinden sich damit in guter Gesellschaft: Seit Samstag und noch bis zum 18. November sind über 50 Werke von mehr als 20 Künstlern zu sehen – „alles Unbegabte“ sagt Holger John und kann sich den verschmitzten Gesichtsausdruck nicht verkneifen.
Kein Wunder, denn Namen wie Andy Warhol, Banksy, Gerhard Richter, David Hockney, Damien Hirst, Keith Haring oder Claes Oldenburg kennt man nötigenfalls auch als Uninteressierter. Den Rest kann man kennen lernen, auch ohne Kaufabsichten. Erstens geht das eh nicht bei allen Bildern, denn bei einigen haben sich Sammler nur vorübergehend getrennt und das Werk dem Galeristen als Leihgabe überlassen – doch „einige sind verkäuflich“, sagte Holger John bei der Eröffnung und fügt hinzu: „Aber da müssen Sie lange lange für arbeiten!“ Eine knappe Million müsse man im Koffer schon mitbringen bei dem einen oder anderen Bild…
Gerhard Richter (John: „einer der ganz großen Strategen, höchstbegabt!“) steuert eine Deutschlandflagge „extra für Dresden“ (sagt nicht Richter, sondern wieder Holger John) bei. Richter war nicht da bei der Vernissage, Damien Hirst auch nicht – aber dafür Bernd Kirschner aus Berlin, Super Future Kid aus London und Kosmo Mars („vom Mars ist er gekommen!“).
Selbst die Tapeten, vor denen einige der Werke hängen, seien Kunst. „Hier ist ja alles immer Kunst!“ So wie der Superman, der am Vortag der Ausstellungseröffnung eingeflogen sei (ein schönes Wortspiel, wenn man sich seine Bruchlandung in Dresden genau anschaut). Markus Wittmers gab seinem Werk den schönen Titel: „Auch Helden haben schlechte Tage“.
Gut, dass wir alle keine Helden sind. Denn wir hatten einen schönen Abend. Natürlich wegen der Kunst in der Vernissage und der drumherum (vom 1959er Cadillac, knapp sechs Meter lang!, vor der Galerie) zu clownesken Darbietungen vom Glücksmobil und Live-Musik von Stephen Paul Taylor aus Kanada (oder, weil er jetzt ja mehr so aus Neukölln kommt, vielleicht doch von Stefan Paul Schneider? Egal: alles ist Kunst!).
Im Bermuda-Dreieck der Kunst entwickelte sich der Abend von der Rähnitzgassen-Kreuzung in zwei Richtungen zur Herz American Bar in der Prisco Passage und mit VIP-Ticket zum Club Standesamt am Palaisplatz, das mit nur einer Barfrau unfreiwillig zum Grundgedanken des bewussten Alkoholverzehrs beitrug, was der Stimmung bei Musik aus den wilden Endsiebziger und Achtziger Jahren (jaja…) keinen Abbruch tat. Sollte ja auch so sein wie im legendären Studio 54, auch wenn die Exzentrik schon deswegen nicht stattfand, weil man ins Original nur für viel Geld oder verdammt gutes Aussehen (am besten beides) kam, hier aber mit der VIP-Karte. Und gab’s für alle, denn „natürlich war das ein Fake, aber alle sind im Vorfeld drauf reingefallen!“ (John). Also gab’s Rock ohne Drugs und Sex, aber mit einem Mitternachtsauftritt von der Carte-Blanche-Version von Lady Gaga…
Galerie Holger John
Rähnitzgasse 17
01097 Dresden
Tel. +49 162 4772739
www.galerie-holgerjohn.com
Geöffnet: täglich außer montags 14-19 Uhr
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