Ein Abend voll des Lobes

Kochsternstunden 2020: Genussbar by Ronny Löser in Freiberg

KSS Genussbar

Nach dem zweiten Gang mussten wir uns beim Gastgeber Ronny Löser entschuldigen. Dafür, dass wir schon nach dem Auftakt den Teller so gelobt und gepriesen hatten – wie sollten wir uns denn nun noch steigern? Und eigentlich waren wir ja schon vor dem ersten Gang begeistert – aber das läuft in der Genussbar nun wohl schon unter der Rubrik „das erwarten wir so„, weil es zur Begrüßung immer sehr traditionell zugeht: erstens Herzen des Gastgebers mit den Gästen mit gegenseitiger Beteuerung, wie sehr man sich freue. Zweitens platziert werden und einen Willkommenstrunk (außer der Reihe, wir kennen uns ja wirklich lange und freuen uns auch bei Punkt eins wirklich) gemeinsam nehmen, drittens Brot der Feinbäckerei Oliver Härtig aus St. Michaelis genießen. Das ist so gut, dass wir es im vergangenen Jahr den Gang Brot und Butter bei unserer subjektiven Best-of-Auswahl aller getesteten Kochsternstunden-Menüs gewonnen hatte – und dieses Jahr war die Auswahl (Tomate und Chili / Cranberry, Mandel und Sepia / Ananas-Curry) keinen Deut schlechter.

Wir sind, das sollte man vielleicht auch mal schreiben, in Freiberg und dort beim Vorjahreszweiten des Wettbewerbs, der Genussbar, um das diesjährige Kochsternstunden-Menü zu testen. Man kann es wahlweise in drei oder vier Gängen genießen – wir diskutierten am Tisch nicht lange und entschieden uns für alle vier. Eine weise Entscheidung, weil wir auch auf dem Heimweg nicht gewusst hätten, worauf man denn da hätte verzichten sollen. Das Eingangslob wiederholte sich nämlich bis ans Ende des Abends.

KSS Genussbar GetränkeZum Brot, das wir (rein sättigungstechnisch) unvernünftigerweise selbstredend in allen drei Varianten verputzen mussten , gab es Sörens Gin Aperitif, bei dem der Gin mit unterschiedlichsten Tonics aufgemischt wurde. Unsere Goldberg-Variationen mit Hibiscus, Yuzu und klassischem Tonic schmeckten (uns) erst gewöhnungsbedürftig – und dann immer besser. Zumal, wenn man mal ganz bewusst eine der Wacholderbeeren zerschnurpselte und als Extrageschmack mitkostete.

Der schon angesprochene erste Gang war ein Salat, der sich als solcher nicht sofort zu erkennen gab. Fenchel, Blumenkohl und Rotkohl in unterschiedlichsten Texturen und Geschmacksrichtungen waren eine hhhmmm-und-aaahhh-würdige Grundlage für (wahlweise) gedämpften Skrei oder gebratenen Rehrücken. Der Skrei außen kross und innen zart glasig, also topp. Der Rehrücken (aus der Nachbarschaft: Tharandter Jagd) scharf angebraten (was leider viele sous-vide-Köche verlernt haben) und innen saftig-rosa. Wir schwärmten und beredeten lebhaft die tolle Qualität, die Tatsache inklusive, dass man diesen Gang ohne Skrei oder Reh auch klaglos als vegetarische Variante genießen könnte. Der Wein dazu kam aus Rheinhessen. Ronny Löser nannte ihn ein „Potpourri der jungen Triebe“ – und wir hatten uns schon die ganze Zugfahrt von Dresden nach Freiberg drauf gefreut: 2015 Riesling Wunderwerk vom Weingut Dreissigacker. Aber wie das manchmal so ist bei zu viel der Vorfreude: irgendwie hat er uns nicht sooo vom Hocker gehau’n. Aber für einen guten Wein ist er ja auch noch recht jung…

Das Misosüppchen von Huhn und Roter Bete mit Kimchi-Dim Sum kann man wahlweise mit Solylaisse oder gebratenem Pulpo bestellen. Solylaisse – wat is denn ditte? Sprachlich wohl eine Verballhornung von Sot-l’y-laisse, und geschmacklich das beste Stück vom Huhn. Es gibt auch einen schönen alten deutschen Begriff dafür: Pfaffenstück. Das verrät trotz der leicht despektierlichen Bezeichung, wem diese edlen Teile (die man unter gleicher Bezeichnung auch bei anderen Tieren kennt, wenn sie erst einmal aus dem Schmortopf kommen) früher vorbehalten waren. Heutzutage muss man mangels kulinarischer Kenntnis allerorten aufpassen, dass man die beiden filetartige Fleischstücke aus dem hinteren Bereich des Rückens oberhalb der Keulen überhaupt bekommt. Oder sich eben in der genussbar für diese Variante und nicht für den (butterzarten, übrigens) Pulpo entscheiden. Das Süppchen hatte Kimchi-sei-Dank eine schöne Schärfe und trotz der roten Beete keine erdige Schwere. Dazu tranken wir übrigens ein Ginger Bier, das mit Progusta Craftbeer von Braufactum verfeinert wurde. Eine erfrischende Begleitung zur Suppe!

Nose to Tail, die anglifizierte und küchentechnisch wohl klingende Variante der alten Volksweisheit „von der Schnauze bis zum Wedel, beim Kalb ist alles edel!“, ist ja seit einiger Zeit im Kommen. Na endlich, möchte man sagen, denn so schaffen es vorzügliche Innereien auf die Teller auch guter Restaurants. Diese Innereien sind anders: Das Onglet (deutsch: Zapfenstück) ist schieres Muskelfleisch und außerhalb Deutschlands schon lange kein Geheimtipp mehr. Küchenchef Karsten Schönfeld hatte das Stück geschmort und es geschafft, dennoch rosa Reflexe zu erhalten. Das superzarte Bries kam kross im Teig ausgebacken, dazu gab es zwei Saucen und neben dem Rosenkohlbisquit (mit einer Nusskruste fürs Bissgefühl) lagen auch noch geschmälzte Schwarzwurzeln auf den Teller. Vorgesehene Begleitung war ein vollmundiger spanischer Rotwein – aber wer warum auch immer den 2014 Finca Constancia Altos de la Finca La Mancha aus der Magnum nicht wollte, bekam natürlich adäquaten Ersatz. Ronny Lösers Weinkeller in der Genussbar ist mittlerweile auf rund 300 Positionen angewachsen, da findet sich immer was. Für Nicht-Rotwein-Trinker war der 2017 Chardonnay Smaragd vom Ried Seiber Berg (Weingut Franz Zottl, Wachau) ein sehr ebenbürtiger Ersatz mit schönem Schmelz…

Zum Dessert gab’s Psyche und Amor – allerdings nur auf dem Etikett des Krug Rosé Frizzante, einem sortenreinen Pinot Noir aus dem Steinfeld, Thermenregion, der (mit 17 g Restsüße bei 5 g Säure) einen deutlich halbtrockenen Einschlag zeigt – aber hej, der halbtrockene Touch passte doch erfrischend gut zum Dessert! Kiba im Blätterteig-Sandwich könnte man es nennen, sollte den kleinen Pistazie-Vanille-Saucenspiegel nicht vergessen und das Trüffelrahmeis sowieso nicht – denn das schmeckte tatsächlich nach Trüffel. Ein Diskussionsanlass – mit dem Ergebnis unserer nicht repräsentativen Dreierrunde, dass es allein gegessen trefflich schmeckte und im Zusammenhang mit dem Rest etwas verloren wirkte. Also: Trennkost!

Das Menü

  • Fenchel (Konfitüre) / Blumenkohl (Cous Cous) / Rotkohl (Rotes Curry) wahlweise mit Rehrücken oder gedämpftem Skrei
  • Misosüppchen von Huhn und Roter Bete mit Kimchi-Dim Sum – wahlweise mit Solylaisse oder gebratenem Pulpo
  • Bries und Zapfenstück vom Kalb mit Schwarzwurzel, Rosenkohlbisquit und Dattel
  • Mille Feuille von Banane, Kirsche und weißer Schokolade mit Affenbrot und Trüffelrahmeis

Die Getränkebegleitung

  • Sörens Gin Aperitif
  • 2015 Weingut Dreissigacker Riesling Wunderwerk Rheinhessen
  • Old Jamaica Ginger Beer
  • 2014 Finca Constancia Altos de la Finca La Mancha aus der Magnum
  • Krug Rosé Frizzante Pinot Noir aus dem Steinfeld Thermenregion
  • Alternativ: Bier- oder alkoholfreie Begleitung

Die Preise

  • 3-Gänge-Menü 44,00 € (inkl. Wein und Aperitif 67,00 €)
  • 4-Gänge-Menü 57,00 € (inkl. Wein und Aperitif 86,00 €)

Genussbar
Mönchstraße 1
09599 Freiberg

Tel. +49 3731 2188290
www.genussbar-freiberg.de

Öffnungszeiten
Di – Sa: 17-22.30 Uhr
So: 11:30-14:30 Uhr
Küchenschluss Di-Sa 21:30 Uhr, So 14 Uhr

[Besucht am 22. Februar 2019 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

Hinweis:
Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.

3 Trackbacks / Pingbacks

  1. Genussbar by Ronny Löser - Kochsternstunden-Menüwettbewerb
  2. Kochsternstunden 2020 zum Zweiten | STIPvisiten
  3. Kochsternstunden: Schönburger Palais ist Sachsens Bestes | STIPvisiten

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*