Können Brote reden? Sicher ist das nicht, aber wenn sie aus dem Ofen kommen, ist es schon manchmal so, als ob sie einem zuknistern. Besonders vorlaut sind Baguettes, die obendrein nicht nur betörend riechen, sondern auch großartige Grimassen schneiden können.
Viel braucht’s nicht für ein Baguette: Mehl, Wasser, Salz und ein wenig Bäckerhefe. Die machen ihren Job dann schon alleine, wenn man ihnen Zeit lässt. Damit die Kruste rösch und die Krume großporig ist, braucht’s dann allerdings schon ein wenig Übung.
Die folgenden drei Rezepte haben unterschiedliche Herangehensweisen. Der Teig entsteht einmal ganz traditionell nur mit langer Reife, einmal mit einem Vorteig und einmal mit einem Sauerteig – aber alle drei haben bei uns das Prädikat „Kannste wieder mal machen“ bekommen.
Das knusprigste aller Stangenbrote lässt sich übrigens gut einfrieren…
Richard Ruan nennt sich selbst einen Minimalisten. Seine Boulangerie des Carmen in Angers (Westfrankreich) reflektiert das: sie ist klein, sehr klein. Aber in der 28-Quadratmeter-Bäckerei entsteht fantastisches handwerkliches Brot. Kein Wunder also, dass auch seine Baguettes mit dem Nötigsten auskommen: Mehl, Wasser, Salz und ein wenig (0,5%!) Hefe. Dafür aber: viel Zeit zum Reifen des Teigs!
Das Rezept ist für drei richtige Baguettes (je 350 g) konzipiert. Für drei ofenfreundlich kleinere Baguettes a 250 g die Angaben für die Zutaten einfach mit Faktor 0,75 multiplizieren!
Hauptteig
- 600 g Weizenmehl T65 (100%)
- 450 g Wasser (75%)
- 12 g Salz (2%)
- 3 g Frischhefe (0,5%)
Mit einem Gummispatel (Teigkarte) das Mehl und 400 g des Wassers in der Schüssel des Elektromixers vermischen, abdecken und 45 Minuten ruhen lassen.
Salz und Hefe in die Schüssel geben und nun im Mixer mit dem Knethaken 2 Minuten auf niedrigster Stufe mischen. Danach die Geschwindigkeit um eine Stufe erhöhen und langsam die restlichen 50 g Wasser hinzufügen (Dauer ca. 1 Minute). Rund 10 Minuten weiter kneten, bis der Teig sehr weich, elastisch und glänzend ist. Für weitere 2 Minuten die Knetgeschwindigkeit um nochmals eine Stufe erhöhen.
Teig in eine geölte Teigwanne (mit Deckel) geben und einmal rundum dehnen und falten, so dass der Teig von allen Seiten geölt ist. Deckel auflegen und 60 Minuten bei Raumtemperatur stehen lassen.
Den Teig auf eine leicht bemehlte Arbeitsplatte legen, zu einem etwa 15×20 cm großen Rechteck formen und dann wie einen Geschäftsbrief falten (obere Ecken einklappen). Anschließend beide Hände unter den Teig legen und ihn umgedreht zurück in den Behälter geben. Abdecken und 12 bis 24 Stunden im Kühlschrank lagern.
Den Teig aus dem Kühlschrank nehmen und ihn 45 Minuten zum Akklimatisieren stehen lassen. Auf einer bemehlten Arbeitsplatte den Teig in drei gleiche Stücke teilen und rundwirken. Auf einem Bäckerleinen 30 Minuten abgedeckt ruhen lassen.
Teiglinge zu Baguettes formen und diese für 45 Minuten reifen lassen. In dieser Zeit den Backofen (mit Backstein!) gut auf 250 °C vorheizen.
Backen
Mit dem Lame (Rasierklinge für Bäcker) ritzen und bei 250 °C für etwa 15 bis 20 Minuten goldbraun backen. Anfangs gut schwaden!
Quelle
Daniel Leader, Living Bread: Tradition and Innovation in Artisan Bread Making, S. 97
Die Idee zu diesem Rezept stammt von Anis Bouabsa, der in seiner Bäckerei Duc de la Chapelle in Paris sehr erfolgreich ist: 2008 wurde er Frankreichs bester Baguette-Bäcker („Meilleur ouvrier de France“). Das Geheimnis seiner Baguettes liegt, wie so oft, in der Einfachheit. KISS, you know: keep it simple, stupid.
Anis Bouabsa nimmt für seine Baguettes ein T65 Label rouge – und er kommt ohne Poolish aus, weil er sich ganz allein auf die lange kühle Gärung verlässt. Die Bloggerin Jane, die den ausgezeichneten Bäcker in Paris besucht hatte, schreibt: „Der Baguette-Teig hat eine 75%ige Flüssigkeitszufuhr, sehr wenig Hefe, ist kaum geknetet, dreimal in einer Stunde gefaltet und dann 21 Stunden in den Kühlschrank gestellt. Sie sind nicht vollständig aufgegangen, wenn sie in den Ofen gestellt werden. Es sind der feuchte Teig und der sehr sehr heiße Ofen (250 °C), die das Volumen ergeben.“ (Die Sauerteig-Variante hat Jane später aufgeschrieben, wir haben sie hier auch!)
Lutz Geißler, studierter Geologe und mit seinem Plötzblog die Referenzadresse für deutsche Hobbybrotbäcker, konnte freilich nicht anders: in seiner Variante gibt’s einen Vorteig und eine insgesamt deutlich längere Gare. Der bekommt dem Baguette ganz gut…
Vorteig
- 160 g Weizenmehl 550 (alternativ: T65)
- 160 g Wasser
- 0,3 g Frischhefe
Die Vorteigzutaten verrühren und 16-20 Stunden bei Zimmertemperatur reifen lassen.
Hauptteig
- Vorteig
- 300 g Weizenmehl 550 (alternativ: T65)
- 50 g Einkornvollkornmehl (Variante UVS)
- 165 g Wasser I
- 50 g Wasser II
- 3 g Frischhefe
- 12 g Salz
Vorteig, Mehl und Wasser I händisch mischen und 30 Minuten abgedeckt ruhen lassen.
Nach dieser Autolyse die Hefe zugeben und – nun in der Maschine – 3 Minuten auf Stufe 2 unterkneten. Derweil das Salz im restlichen Wasser II lösen und dann peu à peu zum knetenden Teig geben. Das kann bis zu zehn Minuten dauern…
Den Teig bei 24°C für eine Stunde gehen lassen. Dabei alle 20 Minuten eine Runde dehnen und falten.
Anschließend den Teig (gut abgedeckt, damit er nicht austrocknet) bis zu 30 Stunden im Kühlschrank lagern (bei mir passten 24 Stunden besser in den zeitplan – und das ging auch ganz gut).
Am Backtag den Teig aus der Kühlung nehmen und eine Stunde akklimatisieren lassen.
Teiglinge zu je etwa 225 g abstechen und zu Zylindern vorformen. 15 Minuten abgedeckt entspannen lassen. Ein Bäckerleinen macht sich da gut!
Die Baguettes formen und für 45 Minuten bei 24°C in bemehltem Bäckerleinen mit Schluss nach oben gehen lassen. Backofen vorheizen!
Die Teiglinge vor dem Backen einschneiden.
Backen
Bei 230 °C 20-25 Minuten backen. Anfangs gut schwaden (Dampf in den Ofen bringen).
Quelle
Janedo70 (d.i. Jennifer Benoit / Jennifer Stewart) hat sich zwischen 2008 und 2014 in ihrem Blog Au Leavain dem Backen mit Sauerteig verschrieben. Auf ihrer Suche nach einem tollen Baguette besuchte sie auch den Baguette-Papst Anis Bouabsa in Paris – der ihr bereitwillig mehrere Blicke hinter die Kulissen gestattete. Die Aufarbeitung des dort Erlebten führte zu diesem Rezept mit einigen charmanten Zitaten. Sie schreibt: „Was ist ein Baguette? Mehl, Wasser, Salz und Sauerteig …. und viel Technik. Das Baguette hat nur wenige Zutaten, aber für den nicht professionellen Bäcker ist es eines der schwierigsten Brote. Ein gutes Baguette, das diesen Namen verdient, muss eine knusprige Kruste und eine Wabenkrume haben, die sogar mit großen Löchern übersät ist. Und genau das ist die Schwierigkeit.“ Dies ist ihre Variante des Originals von Anis Bouabsa – mit Sauerteig, weil das ihre (un)heimliche Liebe ist…
Weizensauerteig (Levain)
- 30 g Anstellgut (Weizensauerteig)
- 90 g Weizenmehl T65
- 40 g Wasser
Die Zutaten für den Sauerteig gut miteinander vermischen und für 12 bis 18 Stunden bei Raumtemperatur zur Reifung stellen.
Hauptteig
- Sauerteig
- 500 g Weizenmehl T65
- 375 g Wasser
- 2 g Frischhefe
- 10 g grobes Salz
Den fertigen Sauerteig zuerst nur mit Wasser und Hefe vermengen und dann Mehl und Salz hinzugeben. Diese Masse mit einer Teigkarte oder einem Spatel so lange vermischen bis sie homogen ist.
30 Minuten Teigruhe.
Der Teig wird nicht geknetet, er wird lediglich durch wiederholtes 20maliges Dehnen-und-Falten in Form gebracht. Diese viermal im Abstand von 20 Minuten durchgeführte Prozedur hilft bei der Entwicklung von Gluten-Netzwerken und versorgt den Teig mit Sauerstoff. Der Vorteil ist, dass der Teig vor dem Formen nicht aus der Schüssel kommt.
Nach einer abschließenden 10minütigenTeigruhe den Teig für 12-18 Stunden im Kühlschrank lagern. Am nächsten Tag den Teig in vier Teile teilen (je ca 250 g) und Kugeln formen, die 1 Stunde ruhen müssen. Nun die Baguettes formen, nochmals 45-60 Minuten ruhen lassen. Vor dem Backen einschneiden.
Backen
Bei 250 °C mit viel Dampf 25 Minuten backen.
Quelle
www.aulevain.canalblog.com/archives/2008/08/13/10218608.html
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