1768 gab’s noch zwei Orte in der Oberlausitz, die Friedersdorf hießen – einer mit nem Ober und der andere mit nem Unter davor. So weit, so normal. Dass die Grenze aber an einem Ort mitten durch ein Haus verlief – das war schon vor 255 Jahren nicht die Regel. Und dass dieses Haus dann auch noch ein Gasthaus war, muss schon als besonders gelten: die Grenzschänke, so lernen wir beim Besuch im schon lange vereinten und daher grenzenlosen Friedersdorf, trägt ihren Namen also zu Recht. Ein besonderer Ort ist sie aber heute noch – denn das Gasthaus mit der langen Tradition hat jetzt einen nur leicht veränderten Namen (Lindners Grenzschänke), aber ist ansonsten schon irgendwie anders.
Anders als andere – nicht nur in der Oberlausitz: das liegt auch daran, dass so viele Restaurants vorgeben, gutbürgerliche Küche im Repertoire zu haben und dabei gar nicht merken, dass sie zwar im ursprünglichen Wortsinn bürgerlich, aber keineswegs immer gut kochen (wobei sich diese Anmerkung nicht zwangsläufig auf andere Friedersdorfer Gaststätten bezieht, die kenne ich ja gar nicht!). Was Daniel Lindner in der Küche und Jana Lindner im Service in ihrer Grenzschänke zelebrieren, entspricht glücklicherweise nicht der aktuellen Duden-Definition von gutbürgerlich (Küche, die einfache, nicht verfeinerte Gerichte in reichlichen Portionen bietet) – schon weil die Portionen so bemessen sind, dass man sich aus der kleinen Karte mühelos ein Menü zusammenstellen kann und dann am Ende selbstredend auch satt ist.
Wer braucht schon reichliche Portionen aus noch reichlicheren mehrseitigen Karten? Bei den Lindners kommt die Vielfalt durch einen viel angemesseneren Wechsel der Karte alle vierzehn Tage. Und selbstverständlich spiegelt der Wechsel die Jahreszeit mit ihrem Angebot wider, und die in der Speisekarte abgedruckte Lieferantenliste zeigt auch, wo die meisten der verarbeiteten Zutaten herkommen (besonders netter Punkt dort: unsere lieben Nachbarn). Das hier beschriebene Menü gibt’s also schon so nicht mehr, wir könnten also wieder hin.
Wobei das Hinkommen einen eigenen Absatz verdient. Friedersdorf ist nämlich keineswegs der Nabel der Welt. Aus Dresden ist man mit den Öffis zwei Stunden unterwegs (aber immerhin: es geht!), mit dem Auto geht’s ein wenig schneller (Autobahn je nach Fahrweise ab 1:15, wir: durch Tschechien, sehr schöne Landschaft und den Weg als Ziel nehmend: 1:35). Für sich genommen klingt das viel, aber wenn man den Restaurantbesuch mit einem Ausflug (die Spree! die Umgebindehäuser!) verbindet, passt es schon.
Wir waren Sonntagspätmittagesser – davor waren alle Tische besetzt, ging also nicht früher. Aber das ist den beiden Lindners offensichtlich egal, sie scheinen lieber ruhig und über längere Zeit als gehetzt im knappen Zeitfenster zu arbeiten. Denn Zeit für ein Gespräch und gute Beratung vorab oder beim Einsetzen der Speisen muss sein – und zu reden gibt es ja immer was. Jana Lindner berät bei der Weinkarte, die ausgewählt und abwechslungsreich ist und vor allem einen feinen Mix aus Bekanntem und möglicher Entdeckung bietet. Zum Essen kann sie auch was sagen, versteht sich – aber das ist in der Regel ja nicht so erklärungsbedürftig. Feinheiten kommen dann als Ansage beim Einsetzen, sowohl von ihr als auch vom Koch, wenn der die Zeit findet, mit heraus zu kommen.
Unser Menü begann mit einer Gazpacho (7,90 €), die ein wenig aufgepimpt war. Einerseits war das offensichtlich keine reine Tomate, sondern ein „kaltes Süppchen von Sommergemüsen“ (aber dennoch sehr tomatig und rosarot), andererseits gab sich eine gegrillte Riesengarnele dem Gast hin – wenige Croûtons lagen auch noch auf dem Tellerrand. Leichte (und wohltuende) Schärfe nahm dem Süppchen das Beliebige, uns hat’s prima geschmeckt.
Der Schafskäse kommt von der knapp zehn Kilometer entfernten Dorfkäserei Lawalde (9,90 €). Er war Teil eines sommerlich bunten Tellers, mit gegrillten Aprikosen, Rucola, Himbeeren, Pinienkernen und (essbaren) Blüten. Das Vitello Tonnato (9,90 €) gehörte eindeutig zu den besseren der Region. Herrlich auf den Punkt rosa gebratenes Kalbsfleisch war sehr zart, die Thunfisch-Mayonnaise fein und geschmack-voll. Auch das eine schöne sommerliche Vorspeise.
Ein wenig blass, aber sonst ordentlich gegart, zeigte sich das Filet von der Dorade (22,90 €).In Rosmarinbutter gebraten, was man schmeckte – aber leider keine krosse Haut. Kann man sowas überleben? Man kann! Denn zusammen mit den gegrillten Drillingen, die optisch wie geschmacklich im Vielklang mit Oliven, roten Zwiebeln, Paprika, Tomaten und Zitronen-Rucola-Pesto die Beilage bildeten, konstatierten wir: lieber blass und saftig als kross und trocken.
Mit Trockenheit haben ja meist auch Kaninchen-Gerichte zu kämpfen. Da braucht’s schon Vertrauen in den Koch, wenn Kaninchen & Lavendel (22,90 €) auf der Karte stehen. Die Kaninchenkeule war im Lavendel Sud geschmort, was dem sonst auch gern geschmacklich faden Tier eine mediterrane Geschmacksnote gab – vom Gargrad wurde das Vorab-Vertrauen zu mindestens 80 Prozent eingelöst (wobei: selber besser machen ist bei Kaninchen echt nicht leicht!). Für Ablenkung sorgte eine gefüllte Rispentomaten aus dem Ofen – die kam mir vor wie ein Ratatouille-Schiff!
Geht da noch was? Jaaaa! Denn obwohl eigentlich satt, musste es zur Abrundung natürlich noch (für jede*n – mit Gruß an den Rat für deutsche Rechtschreibung!) ein Dessert sein. Crème Brûlée (7,90 €) schmeckte, hatte aber eindeutig in Folge der Servierform im kleinen Weck-Glas das falsche Verhältnis von Crème zu Brûlée. Schwarzwälder Kirsch (7,90 €) wies nahezu alle Bestandteile des Torten-Klassikers auf, war aber decollagiert und locker wieder zusammen gebracht. Aber, um nun abschließend endlich mal das Lieblingswort aller Gäste zu nennen, Kirschkompott, Amarena-Kirscheis, Schokoküchlein und Schlagobers waren: lecker!
Lindners Grenzschänke Friedersdorf
Grenzschänkestraße 7
02742 Neusalza – Spremberg
Tel. +49 35872 299968
lindners-grenzschaenke.de
Öffnungszeiten:
Do und Fr: 11:30 – 14 Uhr und 17 bis 22 Uhr
Sa 11:30 – 22 Uhr | So 11:30 – 20 Uhr
Auf Anfrage auch außerhalb der Öffnungszeiten
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