Dicker ist er geworden und auch ausführlicher: der falstaff WeinGuide 2024. Auf 706 Seiten gibt die Redaktion nahezu 4.000 Weinempfehlungen von über 500 Weingütern (auf den Titel haben es die relativierenden Begriffe nahezu und über aus dem Vorwort nicht geschafft). Der falstaff hat gegenüber den anderen Führern in die Welt guter Weine mehrere Besonderheiten, von denen eine nicht neu ist, sich aber als immer mehr visionär richtig erweist: neben den 13 bestimmten Weinbaugebieten von Ahr bis Württemberg gibt’s für den Nord-Osten ein gemeinsames Kapitel, in dem Saale-Unstrut und Sachsen (zwei der 13) vorkommen, aber auch Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.
Und so schaffen es dann auch Betriebe wie das Weingut Hohmann auf Rügen (auf 0,85 ha wächst nur eine Sorte: Souvignier Gris) oder das Weingut Schloss Rattey, das sich mit 34 ha Norddeutschlands größtes Weingut nennt. Beide Weingüter haben einen falstaff-Stern erhalten. Wie die beiden erwähnten Winzer, arbeitet man auch bei Weinbau Dr. Wobar mit PiWis, den pilzwiderstandsfähigen Sorten. Familie Wobar rebte 2012 und 2013 „Brandenburgs einzige Steillage mit 30-33 % Hangneigung“ am Großräschener See an einer stehengebliebenen Böschung des ehemaligen Tagebaus Meuro auf natürlich gewachsenem Boden auf – der falstaff vergab immerhin 2 Sterne für Sekt, Solaris, Cabertin & Co.
Natürlich gibt’s im Nordosten noch mehr Winzer, allein beim Branitzer Weinfest in diesem Sommer waren außer Wobars noch sechs weitere Winzer aus der Region– aber wie immer (und bei allen WeinGuides): wenn die Winzer ihre Weine nicht anstellen, können sie im Buch nicht vorkommen. Auch der falstaff nimmt eine Anstellgebühr von den Winzern – aber die deckt ja (wie bei den anderen, die das tun – und das sind alle außer VINUM) nur einen Teil der Kosten ab. Aber: das müssen ja die Winzer selber wissen. Die Lese-Erfahrung auf den einschlägigen sozialen Medien zeigt allerdings: wer vorkommt, zeigt sich dort meist stolz wie Bolle…
Eine weitere Besonderheit des falstaff sind für mich die begleitenden Texte. Und da ich da in diesem Jahr vielleicht ein wenig befangen sein könnte, weil einer davon von mir ist (die Einleitung zum Nord-Osten), verweise ich auf meinen Beitrag hier vom vergangenen Jahr, den ich in ahnungsloser Unbefangenheit schrieb: „Was mir am … falstaff gefällt, ist der nahezu magazinhafte Umgang mit den einzelnen Kapiteln – trotz der Eigenwahrnehmung „Neben den bekanntesten Weinen und unserer Meinung zu ihnen finden Sie auch … süffig geschriebene Einleitungen zu den Weinbauregionen und wertvolle Restaurant-Tipps für den Aufenthalt vor Ort.“ Süffig geschrieben, haha, ein Wortspiel – oder? Davon ab: ja, die Texte sind gut lesbar und informativ – also das, was man sich von so einem Buch erwartet.“
Das würde ich für alle Texte und auch Bilder bis auf denen einen, über den ich ja nix sagen kann, immer noch so sehen. Chefredakteur Ulrich Sautter weist in seiner Einleitung dabei auf einen reizvollen Aspekt hin: „Zu guter Letzt ist [der Guide] so angelegt, dass man ihn auch nach Jahren nochmal aus dem Regal nehmen und wie in einem Jahrbuch nachlesen kann, was im betreffenden Zeitraum in Bezug auf den deutschen Wein gerade aktuell war. Am meisten freuen würde es uns, wenn dann der Moment gekommen ist, um einen gereiften Wein im Glas mit jener Probennotiz zu vergleichen, die das Falstaff-Team Jahre zuvor geschrieben hat.“
Und damit nochmal zurück ins Konkrete, weil es ja direkt vor der Haustür besonders interessant ist: mitgespielt haben (nur) vier, wobei Schloss Wackerbarth in der Bewertung mit 4 Sternen am besten abschnitt. Besonders angetan hatten es den Verkostern zwei Weine: ein Eiswein vom Riesling aus dem Paradies aus dem Jahr 2021 sowie ein Gemischter Satz von Alten Reben aus dem Goldenen Wagen, ebenfalls Jahrgang 21. Schloss Proschwitz bekam 3 Sterne – aber zwischen den Zeilen (und in den Einzelbewertungen, z.B. 94 Punkte für ein 2020 Spätburgunder GG) klingt es fast so, als ob da ein Hauch von Aufstieg mitschwingt. Beim Karl Friedrich Aust muss man diesbezüglich nicht in der Glaskugel lesen, denn da steht schwarz auf weiß als Conclusio „Wir setzen den Betrieb auf die Watchlist zum vierten Stern.“ Spätburgunder (auch hier!) sowie Traminer feinherb, beide Jahrgang 22 und aus dem Goldenen Wagen, schnitten am besten ab. Betrieb Nummer vier sind die Drei Herren, 2 Sterne: der Traminer wird besonders erwähnt, aber auch hier taucht ein Spätburgunder aus dem Jahr 2020 mit guter Benotung (90+ Punkte) auf. Die Roten sind im Kommen, und das in Sachsen!
In der Benotung/Bewertung/Einschätzung der Weine scheint mir der falstaff am großzügigsten mit den Punkten umzugehen. „Insgesamt 121 Weine … erreichten eine Bewertung von 95 Punkten und mehr“, schreiben Herausgeber Rosam und Chefredakteur Sautter ins Vorwort. In diesem Jahr wurden sogar zwei Mal 100 Punkte vergeben – für die »2022 Iphofen Julius-Echter-Berg Riesling Trockenbeerenauslese« des Weinguts Hans Wirsching aus Franken sowie für die „2022 Kiedrich Gräfenberg Riesling Trockenbeerenauslese“ des Rheingauer Weinguts Robert Weil.
falstaff Wein Guide Deutschland 2024
706 Seiten, 15 x 2.6 x 22 cm
ISBN 978-39822182-6-7
Verlag: falstaff, 24,90 €
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