Die Frage nach dem schönsten Strand an der Algarve kann man nur mit Achselzucken beantworten: es gibt einfach zu viele schönste. Ganz oft ist es ja der, an dem man gerade ist. Aber manchmal ist es auch die Praia do Castelejo. Das ist der Strand, zu dem man über eine Stichstraße (relativ) schnell von der Kleinstadt Vila do Bispo gelangt. Am Ende des Wegs zwischen Parkplatz und Meer: ein Restaurant, bei unserem Besuch im Januar 2024 leider (wegen Ferien) geschlossen. Das war schade, denn die Erinnerung an den Besuch im Oktober 2017 klang noch nach: da saßen wir dort und schauten bei einem Glas Wein der Sonne zu, wie sie sich aufmachte, das Meer zu küssen.
Eigentlich waren wir 2017 ja nur an diese Stelle gefahren, um den Sonnenuntergang zu erleben. Aber einem ungeschriebenen Gesetz zufolge passierte an diesem Abend genau das, was ambitionierte Sonnenuntergangsfotografen aller Geschlechter oft erleben: es gab keinen Touchdown im Meer, denn Madamm beliebte sich zuvor hinter Abendwolken zu verkriechen. Aber schön war’s natürlich doch, zumal wir in den 90 Minuten zuvor uns an tollen Wellen und bizarren Felsformationen begeistern konnten. Bewegungsradius in dieser Zeit: keine 500 Meter hin und ebenso viel wieder zurück. Und dennoch zehn 36er-Filme verknipst, um den richtigen Zeitpunkt der sich brechenden Wellen zu erwischen. Lange Zeit schauten wir auch einer Fotografin zu, die einen der Felsen erklommen hatte, um von dort aus direkt die sich brechenden Wellen zu fotografieren. Mal abgesehen davon, dass ich da gar nicht unbeschadet hoch gekommen wäre: ich hätte ja Angst um die Kamera gehabt. Selbst in der doch nur leicht geschützten Position am Fuße des Felsens…
Spannend war, wie unterschiedlich das Licht zur Zeit des Sonnenuntergangs wirkte: der Löwenmaul-Felsen mit der Sonne im Rücken schon etwas milchig, aber sonst eher normal in den Farben – aber beim Blick eine Minute zuvor in entgegengesetzte Richtung kurz vor Sonnenwolkenuntergang war alles rot getüncht. Die Gischt der unermüdlich vor sich hin brechenden Wellen scheint da kräftig nachzuhelfen!
2024 im Januar waren wir in Relation zum Sonnenuntergang zu ähnlicher Zeit da, aber es war eben Winter: komplett anderes Licht. Sonnenuntergang ist im Januar gut eine Stunde früher als im Oktober, und an unserem Besuchstag waren die Wellen deutlich niedriger – aber dafür rollten sie beständig an und gaben tolle Muster ab. Nur an den vorgelagerten Felsen gab es erneutes Aufbäumen… Eigentlich wollten wir eine kleine Rundwanderung machen: erst am Strand lang und dann hoch auf die Klippen und etwas ins Landesinnere. Aber die Faszination des Ortes zog uns erneut in den Bann, so dass ein Vorankommen eher schneckengleich möglich war. Aber immerhin schafften wir den komplett geplanten Küstenabschnitt!
Die Klippen ragen hier – wie nahezu überall – steil hoch – je nach Standort kommt man auf über 120 Meter. Aber wir bleiben ja unten, und weil ablaufend Wasser ist, gehen die Strände ineinander über und wir kommen trockenen Fußes von der Praia do Castelejo über die Praia do Cardoama zur Praia da Barriga. Bei Flut geht das nicht, weil das Wasser dann bis an die Küstenvorsprünge geht (weswegen unsereins als geborenes Küstenkind so einen Weg auch nicht bei auflaufend Wasser macht – das Wasser kommt nämlich manchmal schneller als man denkt. Und welche Wucht dahinter steckt, sieht man ja an den Felsen im Meer).
Was unser Tempo so entschleunigte: der Blick zurück. Dass es da immer wie feiner Nebel aussieht, wissen wir ja schon und schmecken es auch: das Salz auf unserer Haut ist leckbar! Natürlich unterhalten wir uns nicht nur über das faszinierende (Gegen-)Licht, sondern auch über Wein. Denn wie oft hat der Herr Gräfe im Podcast bei mineralischen Weinen gesagt, wie sehr ihn das ans Meer erinnern würde, wo man ja auch immer mit der Zunge über die Lippen lecken müsse. Wir haben den Spieß nun also umgedreht und darüber sinniert, welcher Wein am Abend vielleicht zu diesem Meer passen würde…
Am Wendepunkt der Wanderung hatten wir Gelegenheit, zwei menschlichen Hobbies zuzuschauen. Zuerst erblickten wir einer kleinen Stativkarawane, also Fotografen (m/w/d) mit normalen Hobbykameras auf Stativen. Sie waren zünftigst gekleidet, vor allem im Fuß- und Beinbereich, denn es war für ihre Tele-Aufnahmen sehr sehr wichtig, mit den Füßen im Wasser zu stehen. Sozusagen mittendrin statt nur am Rand. Später, als sich alle am vorgelagerten Felsen in Castelejo zum Sonnenuntergang postierten, hatten die Stativler das Nachsehen. Ihre weit vorab gesicherten Plätze (so ein Stativ ist auch nichts anderes als ein Handtuch…) erweisen sich als schlecht gewählt, und die Freihandfotografen waren offensichtlich schlauer und obendrein durchaus in der Lage, schnell mal einen Schritt nach links oder rechts zu gehen.
Das andere Hobby-Schauspiel rang uns kein Lächeln, sondern Respekt ab: ein Paraglider gleitete von der Klippe an den Strand, mit einigen gekonnten Figuren und sich der Ästhetik des abgegebenen Bildes vielleicht ja sogar bewusst. Das ist aber auch kein schneller Sport, dachten wir: für ein paar Minuten Schweben im Sonnenuntergang muss man ja erst mal die Klippe hoch stapfen, sich den korrekten Absprungort suchen – und dann für eine eventuelle Wiederholung noch mal von vorn…
Der Weg zurück war also der gleiche wie der Weg hinzu – und doch völlig anders. Und das machte, natürlich, die Sonne mit ihrem Gegenlicht. Fotografenfreunde, die sich online Licht und Schatten oder Lichtschreiber nennen, hätten ihre Freude gehabt an den diversen Schattierungen der Felsvorsprünge und dem sich in der Gischt brechenden Licht zwischen ihnen.
Den Sonnenuntergang erlebten wir dann mal wieder nicht. Zwar standen wir an der korrekten Stelle, mit Vordergrund und sich großartig brechenden Wellen direkt vor der Sonne beim Eintauchen ins Wasser – aber wieder einmal schoben sich Wolken zwischen Sonne und uns. Aber wie meinte schon Bertolt Brecht: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen!“ Zum Ausgleich schickte man uns eine Federwolke. Man nimmt halt, was man bekommt…
Das Restaurant zur Wanderung: O Tiago in Budens
.
Hinterlasse jetzt einen Kommentar