Wohltuend unaufgeregte Spazierwanderung

Amoreira

Mit dem Paradies ist das ja so eine Sache. Fest steht: wir kommen nicht rein. Also jedenfalls nicht ins Restaurante Paraiso do Mar am Strand von Amoreira, wo wir schon 2017 den Wein aus Plastikbechern tranken, weil man gerade schließen wollte. Dieses Mal gab es nicht einmal Wein, weil das Restaurant wegen der Feiertage komplett geschlossen hatte. Also nix Paradies, aber dafür (wieder) hübsches Wellenspiel mit Gischt im Gegenlicht in Richtung Praia de Monte Clérigo und später einen tollen Sonnenuntergang. Aber vor dem kam erst einmal eine Spazierwanderung, die in wohltuender Unaufgeregtheit durch die Dünen entlang der Küste und später durch verschiedene ruhige Landschaften führte. Siebeneinhalb weitgehend anstrengungsfreie Kilometer (das mit dem Dünensand merkt man ja schon!) mit himmlischer Ruhe – das sollte man sich durchaus mal gönnen.

Die ersten beiden Kilometer können dauern – nicht nur wegen des tiefen weichen Dünensands, sondern auch wegen der Fotomotive, die sich auch auf Abstechern an den Rand der hier knapp 60 Meter hohen Klippen ergeben – wobei wir auch da natürlich auf Wegen bleiben: immer wieder feinste Ausblicke auf die Küste. Nicht aufregend, aber anregend!

Gleich am Anfang der Tour gab es von der Düne herab einen Blick auf eine Felsformation, die ein wenig an ein versteinertes Skelett erinnerte – so zwischen Wal und Dinosaurier, wenn da die Fantasie mitspielt. Ganz ohne Fantasie erkennt man beim (im durch die Gischt neblig wirkenden) Blick zurück den Fluss, der Amoreira von Clerigo trennt: Ribeira de Aljezur. Der hat kurz vor dem Meer ein großes Delta ausgebildet – und das ist ein großartiges Gebiet für Störche, so rein futtermäßig. Wir mussten auf dem Weg zum Strand dort direkt mal anhalten, um uns das anzusehen…

Praia da Amoreira

Blick zurück: Ribeira de Aljezur

Störche im Flussdelta

Zurück zur Düne. Der Weg auf schmalem Pfad ist bestens ausgeschildert, so dass man sich nicht versehentlich in den Dünen vergeht, sondern immer brav auf dem rechten Pfad bleibt (von den Abstechern mit Meerblick abgesehen). Der zweite Abstecher (nach dem zu den Felsen gleich am Anfang) gibt den Blick frei auf die Praia da Carriagem. Oder, wenn einem der lang gezogene Strand, der über eine Treppe erreichbar ist, egal ist: das Meer. Wellen, Himmel. Kurz bevor der Weg rechts ab ins Landesinnere führt, sehen wir eine riesige Agave – und abgesehen vom netten Wortspiel Agave in der Algarve fragt man sich doch: wie kommt das Teil da hin, so als Solitär in dieser Größe?

Dünenpfade

Praia da Carriagem

Meerblick

Agave in der Algarve

Nach der Agave ändert sich die Vegetation landeinwärts – was allerdings erst einmal eine ganze Zeit lang bleibt, ist das Stapfen durch feinen Dünensand. Mit dem zeitgeistigen Lieblingswort gefühlt erweitert sich so der gut siebeneinhalb Kilometer lange Rundweg mindestens auf zehn Kilometer ;-). Aber es bleibt spannend, weil aus Gräsern Büsche und aus Büschen Bäume werden – je weiter das raue Meer mit Wind und Salz (in der Gischt) entfernt ist, desto mehr wächst das Grün nach oben. Uns hatten es die Pinien angetan, die hier prächtig in der Landschaft standen – und das (keine Garantie für alle Zeiten) vor regenschwer dunklen Wolken voraus bzw. Richtung Westen mit schon sonnenuntergangsgeschwängerter Beleuchtung des Himmel und der Wolken.

Pinie

Pinie

Vor dem Sonnenuntergang

Der Rundweg hat ja fast die Form eines Rechteckwegs (mit leichten Beulen), und nach dem nächsten großen Rechtsabbiegen wurde er ein wenig langweiliger – obwohl er doch von da an sich die Wegeführung mit dem Caminho Histórica teilt. Der Historische Weg ist ein 263 km langer Fernwanderweg, der meist durchs Landesinnere von Santiago do Cacem bis zum Cabo de S. Vicente führt. Und obwohl er 2016 für seine Qualität als Wanderweg mit dem europäischen Siegel Leading Quality Trails – Best of Europe ausgezeichnet wurde, gefielen uns die Teilstücke, die wir im Rahmen anderer Wanderungen gingen, so gar nicht. Was uns auch nicht gefiel, waren die Hinterlassenschaften vorheriger Regenfälle: wegebreite Pfützen, gesäumt von dornigen Pflanzen links wie rechts. Doch es gab immer noch Möglichkeiten, am Rande auf schmalem Pfad trockenen Fußes weiter zu kommen, und alles blieb gut, denn auch die dunklen Wolken zogen ab. Also: Hoffnung auf den Sonnenuntergang am Meer, zumal der Weg uns jetzt erstaunlich bergab führte. So beschleunigten sich die Schritte gleich doppelt.

Gut ausgeschildert

Teil des Caminho Histórica

Wir knipsen alles!

In Sachen Sonnenuntergang haben wir dann noch etwas ganz Wichtiges dazu gelernt. Es gibt, das wussten wir ja schon, bekanntlich mehrere Eckpunkte (die so oder so ähnlich auch beim Sonnenaufgang in Frage kommen, aber den verpennen wir ja meistens). Also wissen wir zu unterscheiden zwischen bürgerlicher Dämmerung, nautischer Dämmerung und astronomischer Dämmerung – es geht da um Grade (wohl nicht zufällig im Sechserschritt), die die Sonne unterm Horizont steht. Wer mehr wissen will, findet Details bei der Uni Münster oder beim DWD, wo sogar die regionale Spezialität der Mitternachtsdämmerung erwähnt wird. Was aber dort nicht zu finden ist, sondern nur hier, ist der montische Sonnenuntergang mit all seinen Folgen. Die erlebt man nämlich in den Bergen (lateinisch: mons), die an der Küste auch als Klippe oder hohe Düne auftreten können: dort ist die Sonne nämlich schneller fort als alle einschlägigen Kalender oder Apps angeben. Wir mussten also ganz zum Schluss noch einen Zacken zügiger gehen, um direkt am Meer klippenfrei das Eintauchen des Lieblingssterns ins Meer zu verfolgen…

Zehn Minuten vor der Zeit…

Sonnenuntergang Praia da Amoreira

 

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