Ach ja, der Elfte im Elften – das ist schon ein verrücktes Datum. Im Rheinland beginnt die fünfte Jahreszeit, die Kirche lancierte die Story vom heiligen Martin und dessen Mantel, um unchristliche Feiern zu überformen – aber egal: Hauptsache feiern! Leidtragende waren seit eh und je die Gänse, denn ob sie nun zum Ente des bäuerlichen Wirtschaftsjahrs in der Backröhre landeten oder als letzte Gelegenheit vor der (mittlerweile sehr in Vergessenheit geratenen) christlichen Fastenzeit vor Weihnachten, konnte den Tieren egal sein. Die Weinbauern nutzten, wenn schon mal der Tag für die Zahlung des Zehnten gekommen war, die Gelegenheit auch gleich, um unter Kollegen rumzuziehen und den jungen Wein zu probieren – mit etwas Phantasie und/oder Fachwissen ahnte man dann schon, wie der Jahrgang werden würde. Ein Feiertag also, wenn auch kein gesetzlicher, dieser 11.11., den man nutzen kann: die Sächsische Winzergenossenschaft Meißen tut das seit nun schon zehn Jahren mit einem Jungwein, dem Grünschnabel.
Junger Wein in Flaschen ist ja per se keine neue Idee – die Tradition des Heurigen in Österreich reicht bis ins Jahr 1784 zurück, den mit viel Marketing-Tam-Tam unters Volk gebrachten Beaujolais Primeur gibt es seit 1951 jeweils ab dem dritten Donnerstag im November. All diesen Weinen ist gemein: sie passen auf keinen Fall wirklich zu einem guten Gänsebraten und wollen das auch gar nicht – ihnen fehlt nach so kurzer Reifezeit im Keller schlicht die Tiefe. Was diese Weine wollen und bestenfalls können: Spaß machen. Das Rezept der Winzer Meißen besteht aus einer Weißweincuvée mit deutlich schmeckbarem Zuckerschwänzchen und unter der Haube einer aninierenden Säure. Und als Zugabe gibt’s schon beim Ansehen ein gewisses Guck-Vergnügen, denn um das jährlich variierende Etikett kümmert sich der Radebeuler Künstler-Karrikaturist Lutz Richter – was die Flaschen durchaus zu einem begehrten Sammler-Objekt machen kann (da der Inhalt zum alsbaldigen Genuss gedacht ist, machen sich auch leere Flaschen im Regal ganz gut).
Zum Zehnjährigen gibt’s ein nachvollziehbares Etikett: der zehnte Grünschnabel steht vor den Fässern der Jahre 2016 bis 2025 zeigt aufs aktuelle 25er Fass. Aus dem kommen, sinnbildlich, wie immer 10.000+ Flaschen, die erfahrungsgemäß bis zum Jahreswechsel schon wieder aus den Regalen des Handels verschwunden sind: ausverkauft zu sein gehört zum Konzept von Jungweinen, es kommen dann ja die normal lang vergorenen! Wie isser denn, außer frisch und frech wie immer? Mangels aktueller Weinmajestäten, die es in diesem Jahr in Sachsen ja nicht gibt, hatten die Winzergenossen Anna Bräunig gebeten. Die war vor zehn Jahren Weinprinzessin und ist auch ten years after immer noch eine charmante Repräsentantin sächsischen Weins, die es nicht verlernt hat, den jungen Wein zu loben (das Weinloben ist übrigens in Österreich beim Heurigen ein fest verankerter Brauch!).
Anna Bräunig beschrieb den Wein als einen jungen, frischen Tropfen mit frechem Charakter. „Im Glas präsentiert er sich hellgelb und einladend. Die Nase duftet nach exotischen Früchten und natürlicher Süße, der Gaumen offenbart Noten von Maracuja, Litchi und Pfirsich, untermalt von lebendiger Säure und harmonischer Restsüße.“ Lutz Krüger, Geschäftsführer der Winzergenossenschaft Meißen, ergänzte noch Anklänge an reife Birnen und Äpfel und verriet auf Nachfrage die Daten zur moderat gehaltenen Süße: 31,4 g Zucker, denen etwas über 6 g Säure gegenüber stehen. „Nicht sächsisch-trocken, aber beliebt bei der Kundschaft!“ sind ein Argument. Die Rebsorten der Cuvée werden, wie in den vergangenen Jahren, nicht verraten, denn das „ist ein bisschen unsere Philosophie, das Geheimnis hinter dem Edikett zu wahren“.
Kein Geheimnis indes ist das Ergebnis der diesjährigen Lese: sie war gut, wenn auch vergleichsweise lang (vom 27. August bis 18. Oktober). „Von der Menge her sind wir fast auf den Punkt genau bei derselben Tonnage wie 2023“, sagte Lutz Krüger. Die gute Ernte (Vergleiche zum Forstjahr 2024 verbieten sich ja, da war ja nüschte so wie es sein sollte) mag ein Grund gewesen sein, weswegen der Grünschnabel 2025 nicht nur als Jubiläumswein in die Annalen eingehen wird – er ist auch preiswerter als im Vorjahr! Für zehn Euro soll er im Handel angeboten werden, also cum grano salis zehn Prozent günstiger als der 24er. Sachen gibt’s…
Winzergenossenschaft Meißen
Bennoweg 7
01662 Meißen
Tel. +49 3521 780970
winzer-meissen.de
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