Rund um und auf den Borsberg

Dreiseithof

Wer Bonnewitz nicht kennt, muss kein schlechtes Gewissen haben: Viel los ist nicht in dem Örtchen, das auf halbem Weg rechtselbisch zwischen Dresden-Pillnitz und Pirna am Fuße des Borsbergs liegt. Wer aber einmal in Bonnewitz war, wird seine Reize loben. Der denkmalgeschützte Dorfkern ist ein slawischer Rundling und auf das Allerlieblichste auf Vordermann gebracht, es gibt gab ein Gasthaus und Parkplätze sowie die Endhaltestelle eines Dresdner Stadtbusses: Da kommt man also hin und auch wieder weg, wenn’s sein muss.

Der slawische Rundling, muss man wissen, ist ein sehr beliebter Siedlungstyp hier in der Gegend. Die Häuser (meist nicht mehr als acht bis zehn) sind rund um einen Platz angeordnet – meistens gucken die Giebel zum Platz. Solche Dörfer gibt es nicht nur rund um Dresden, aber eben doch besonders häufig und oft auch noch gut wieder zu erkennen. Flur- und Dorfmamen, die auf -itz enden, deuten übrigens in der Regel auf slawischen Ursprung hin – und da das gesamte Gebiet um Dresden ehedem von Slawen besiedelt war, gibt’s davon reichlich.

Vom Eise befreit...Bonnewitz also, das slawische Runddorf, ist ein idealer Ausgangspunkt für diverse feine Wanderungen. Unsere Weihnachtswanderung mutete österlich an, denn „der alte Winter, in seiner Schwäche, zog sich in rauhe Berge zurück. Von dort her sendet er, fliehend, nur ohnmächtige Schauer körnigen Eises in Streifen über die grünende Flur.“ Soweit unser aller Goethe anlässlich des Osterspaziergangs. Auch wenn wir die Rückkehr des kalten Meisters noch vor Ostern gewärtigen, sollte uns an diesem Weihnachtstag vor allem das muntere Plätschern zahlreicher Bäche begleiten.

Das Wegenetz ist nicht gering, und wie in Sachsen üblich gut ausgeschildert. Wandervereine, Tourismusvereine, Gott und die Welt kümmern sich um die Wegeführung und Ausschilderung, so dass man im Prinzip auch gut ohne Kartenmaterial voran kommt. Manchmal sind Karten sogar hinderlich: Wenn die Routenführung einer Wanderung geändert wurde, passen Karte und Wirklichkeit nämlich nicht mehr so gut zusammen. Gut beraten ist, wer sich das auf die Schilder und nicht auf die Karte verlässt – aber dazu später mehr.

Am Rundling BonnewitzWir erkunden also zuerst den Rundling. Wer Fachwerk mag, kommt auf seine Kosten. Neben dem Gasthof gibt es auch noch ein Haus mit Ferienwohnungen. Dann geht’s ab in den Wald, immer am Bach entlang, der munter vor sich hin plätschert und halb zugefroren, halb aufgetaut das eine oder andere Fotomotiv abgibt. Kaum hat man sich das abgeknipst, kommen neue Motivsensationen: Brücken! Und von der Art, wie man sie in einem Wald halbwegs in der Pampa nicht vermutet: Aus Stein und mit Bögen, darunter sogar die zweistöckige „Hohe Brücke“.

BrückenDerlei Brückenbauten erfreuen sogar die Augen der kritischsten Dresdner, die ja in puncto Brücken trefflich streiten können und sich mit der Waldschlösschenbrücke den zweifelhaften Ruf von Welterbe-Schändern eingehandelt haben. Wie Vieles von den schönen Dingen in und um Dresden haben auch diese Brücken höfischen Ursprung: Die Herrschaften gingen auch in diesem Gebiet auf Jagd und ritten zwischen den Burgen und Schlössern in Pillnitz, Lohmen und Stolpen so für sich hin. Die Brücken machten den Ritt komfortabler, mussten die Pferde doch nicht bis runter ins Tal und wieder hoch. Und sie (die Brücken, nicht die Pferde) gaben, weil eben auch fürs Auge gebaut, der Landschaft einen zusätzlichen Reiz. An der Hohen Brücke mit ihren Stichbögen und Bogenstockwerken, so stand es auf den nicht mehr vernetzten Gasthof-Seiten, seien die Handschriften Marcolinis und seines Architekten F. Exner deutlich zu erkennen.

Von den etwas ausgeglicheneren Höhenlinien profitieren nun auch wir Wanderer, und die kleinteilige Brückenarchitektur lohnt bei besserem (wärmer! heller! grüner!) Wetter sicher eine erneute Exkursion. Wir sind über mindestens neun veritable Steinbrücken gegangen, was den hochkarätigen Ohrwurm von den sieben Brücken allerdings nicht verhindern konnte.

Schönfelder HochlandWir verlassen den Wald und sehen zur Rechten auf das sanft gewölbte Schönfelder Hochland sowie links hinunter ins Elbtal mit der Sächsischen Schweiz im Hintergrund. Auch hier gilt die alte Binsenweisheit: Bei richtig schönem Wetter sieht das sicher toll aus! Wir können es uns nur vorstellen, denn der alte Winter beliebte mit Eintrübung und eisekaltem Wind kund zu tun, dass er keineswegs komplett gegangen sei. Der Wind pfeift uns „Am Waldrand“ entgegen, aber wir kommen dennoch frohen Mutes nach Zaschendorf, wo gleich am Ortseingang links ein Leihgerät des „Volkseigenen Betriebs Zwickauer Ladenbau“ zurückzugeben vergessen wurde. Eine mit Trabi bemalte Garagentür und eine im Oktober 2009 bemalte Tür der Freiwilligen Feuerwehr künden von der Liebe zur realistischen Malerei und sind natürlich Fotos wert! Sonst gibt es in Zaschendorf nicht mehr viel zu sehen.

Die Wiesen sind kaum noch weiß, die Pferde schon nochWir verlassen den Ort und sehen schimmelige Pferde, ganz in weiß auf weiß-grüner Wiese. Die Straße Richtung Borsberg (der Ortschaft) führt vorbei am Borsberg – mit irgendwo über 350 Metern der höchste Berg des Schönfelder Hochlands. Zur Bergeshöhe variieren die Angaben munter: Die Wikipedia schlägt 361 Meter vor, das Schild an einem Baum auf dem Borsberg versucht es mit 362 Metern, hier sind es 354, dort 355 Meter. Der Berg, der ganz früher Golk und später dann Porsberg hieß, bevor die Sachsen ihn zum Borsberg eingenüschelt haben, weist mehrere Besonderheiten auf. Erstens hat der Graf Marcolini hier 1780 auf Befehl von König Friedrich August dem Gerechten eine künstliche Grotte bauen lassen, die mit einem Aussichtsgerüst geschmückt war. Ein beliebtes Ausflugsziel – damals. Denn heute befindet sich die Grotte in einem grottigen Zustand, und das Holzgerüst ist wegen Baufälligkeit gesperrt. Auch die Bergwirtschaft gleich nebenan hat schon einmal deutlich bessere Zeiten gesehen. Sie ist geschlossen, vernagelt, dicht. Eine fiese Geste für durstige und/oder hungrige Wandersleut! (Nachtrag: Mittlerweile habe ich – durch Kommentare Wissender – gelernt, dass der Borsberg gar nicht mehr der höchste Hügel dort ist:  „Seit der Einheimsung des Hochlandes ist der Triebenberg das Höchste, was Dresden zu bieten hat.“ Stimmt, er ist 384 Meter hoch…)

TriangulationssäuleNoch gut anzuschauen ist allerdings die Triangulationssäule. Das ist nicht etwa schwäbisch für ein kleines Schwein der Triangulations-Rasse, sondern etwas ganz Bedeutendes im Leben der Kartographie: Zwischen 1862 und 1890 wurde Sachsen erstmals ordentlich wissenschaftlich-geodätisch vermessen. Das Dreiecksverhältnis der insgesamt 158 Säulen war seinerzeit hochmodern: Im Abstand von 50 bis 60 Kilometern standen die 36 Säulen 1. Ordnung, von jeder sah man direkt mindestens drei weitere. Engmaschiger waren die Säulen 2. Ordnung gesetzt: alle 20 Kilometer gab es eine. Die „Station Porsberg“ wurde 1865 errichtet und 2003 anlässlich des hundertsten Todestages von Prof. Christian August Nagel, dem Begründer der „Königlich Sächsichen Triangulirung“ (genau so, ohne e!) mit einer Plakette verzieret.

TreppenVom Borsberg geht’s nun aber wieder zurück – zuerst viele Treppen herunter, dann laut Plan den alten Jagdweg entlang. Doch hier hat die tourismusfördernde Reiterlobby der Nachwendezeit einen Sieg errungen und das Wanderzeichen mit dem grünen Strich schwarz übertünchen lassen: Der Jagdweg ist, wie früher!, als Reitweg markiert. Wir sind ihn dennoch gegangen, was der Herr über ausgleichende Gerechtigkeit auch prompt bestrafte, denn er ließ mich einmal ganz elegant ausrutschen. Das sah so aus, dass die Füße im schmuddeligen Untergrund schneller bergab rutschten als der in Trägheit verharrende Restkörper, was zu beidseitigem Pobackenkontakt führte. Von hinten betrachtet sah das irgendwie nicht gut aus, aber da wir fast alleine unterwegs waren, hat auch keiner meckern können.

Feen-SeeEin kleines Highlight gab es dann noch vor dem Ziel, als sich ein zugefrorener See im Restlicht des sich neigenden grauen Tages ins Blickfeld schob. Wahrscheinlich war es gar kein See, sondern nur ein Feuchtgebiet, denn es ragten lauter Bäume aus der Eisfläche heraus. Sah aber gut aus und mystisch – aber leider waren die Feen, die sehr harmonisch zum Bild gepasst hätten, ausgeflogen. Schade, denn so eine Begegnung wäre kurz vor Schluss der Wanderung noch mal eine feine Sache gewesen!

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