Am südlichen Rande Dresdens befindet sich der der Plauensche Grund – ein Tal, das es Romantikern wie Caspar David Friedrich weiland sehr angetan hat. Die Weißeritz drängelt sich hier Richtung Elbe und hinterlässt bei Hochwasser wildeste Spuren in der Landschaft. Hier lässt es sich (wenn nicht gerade Hochwasser ist, versteht sich) prima ein wenig lustwandeln bei einem stadtnahen Ausflug.
Wir haben unsere Rundwanderung allerdings nicht direkt im Grund begonnen, sondern gleich nebenan auf der Höhe im Fichtepark. Dort steht der Fichteturm, der sein Dasein als Bismarckturm begann. Damals hieß der kleine Park im Süden Dresdens, der 1890/91 errichtet wurde, noch Westendpark. Umbenannt wurde er 1937 zu Ehren des Philosophen Fichte, der Turm folgte weniger zu Ehren Fichtes denn aus Gründen der Ideologie (Bismarck passte nicht so recht ins realsozialistische Weltbild) 1954. Man kann den 27 Meter hohen Turm besteigen – aber die 153 Stufen der Wendeltreppe lohnen sich nur bei gutem Wetter, wenn die Aussicht hervorragend ist.
Der Park ist etwa 2,5 ha groß. Geschaffen hat ihn Carl Hampel, ein bedeutenden Garten- und Landschaftsarchitekten des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Das Grundstück stellten die Gebrüder Bienert unentgeltlich zur Verfügung – welcher Fabrikant (die Bienerts waren Mühlenbesitzer, dazu später mehr) macht so etwas heute noch für „sein Viertel“? Zwei (von ursprünglich vier) Figurengruppen zeigen Kinder und Tiere; uns hatte es das „Kind mit Delphin” von Franz Weschke angetan, obwohl wir ehrlich gesagt den Delphin erst nach Recherche-Lektüre und erneutem Ansehen der Bilder identifiziert haben (und auf dem hier gezeigten Bild ist er schon gar nicht zu sehen, weil sich der Ausschnitt ja aufs Kindsgesicht konzentriert).
Unweit vom Park befindet sich der Hohe Stein. Geologen bekommen hier ganz feuchte Augen, denn sie sehen das Meer und deuten den Aussichtsturm als „Leuchtturm am Ufer des Kreidemeeres“. Unsereins kommt von der Küste und sagt sich: Meer sieht anders aus und Kreidezeit war mindestens vorvorgestern – freut sich aber dennoch, dass man von hier aus so wundervoll in die Gegend gucken kann. Der Brandungsklippe im Meer der Kreidezeit mit 190 Metern über Normalnull sei ebenso Dank wie einigen verdienstvollen Einzelpersönlichkeiten: Erstens dem Herr Friedrich August Frohberg aus Deuben. Er erwarb 1862 das Gelände und errichtete zwei Jahre später den Turm, auf dem ein Schild allen Besuchern kund und zu wissen tut, dass es sich hier um „Frohbergs Burg“ handelt.
Zweitens den Bossen der Brauerei Felsenkeller, die eigentlich unten im Tal (im Eiswurmlager – was für ein Name!) tätig war. Die Brauereileute erschlossen das Gelände rund um den Turm und vergaßen auch nicht, einige Aussichtsbastionen auf das Brauereigelände (seinerzeit das größte in und modernste in Sachsen) einzurichten. Und drittens mal wieder ein Bienert, dieses Mal Erwin: Der Sohn des Mühlenbesitzers kümmerte sich um das Areal westlich vom Turm. Den Bienertpark unten werden wir noch durchwandern! Und wir sind nicht allein: von Hans Christian Andersen über E.T.A. Hoffmann, Heinrich von Kleist Friedrich Schiller sowie Schopenhauer, Schlegel und Novalis haben sie sich alle hier schlendernd der Bewunderung hingegeben.
Nun also wir! Und zwar zuerst quer durch eine Streuobstwiese, die zu jeder Jahreszeit ihren ganz besonderen Reiz ausübt. Am nettesten ist sie natürlich bei der Blüte, dann während die Früchte hängen und selbstverständlich wenn sie abgefallen sind und auf der Wiese herumliegen. Nun also Winter und der weiße Mantel aus Schnee, der die Baumstrukturen so fein zur Geltung bringt. Hach!
Wir biegen in einen der zahlreichen Wege ab. Hier kann man sich erstens trefflich verlaufen, weil es reichlich Trampelpfade gibt und zweitens findet man sich dann doch immer wieder am richtigen Punkt ein, weil eben nahezu alle Wege statt nach Rom unten zur Felsenbrauerei führen. Links plätschert ein Bächlein munter den Hang herunter. Weiter oben ist die Osterquelle, also mutmaße ich mal, dass wir hier den Osterbach querten – und das mitten im Winter! Es hatte tüchtig geschneit in der Nacht zum Neujahrstag, was die Landschaft einerseits in dieses berühmte sanfte Kuscheltuch tauchen ließ, andererseits aber die Wege ungemütlich glatt machte.
Natürlich gibt es keine glatten Wege, sondern nur falsches Schuhwerk – aber zum Neujahrsspaziergang wollten wir doch chic sein! Die Anderen, die uns entgegen kamen, waren ähnlich beschuht. Da kommt man sich menschlich nahe, ruft freudig erregt „Gesundes Neues!“ oder auch „Frohes Neues!“ und vermeidet den „guten Rutsch“ nicht nur, weil Silvester vorbei ist. Auf ebener Strecke und ohne Rutschgefahr waren die Menschen übrigens weniger kommunikativ und passierten mit Muffelbrausengesichtern, als ob sie noch 365 Tage eines schwierigen Jahres vor sich hätten.
Ein nun etwas größerer Bach ohne mir bekannten Namen gesellt sich zu uns, wenig weiter wird er in die Weißeritz münden. Die ist namensgebend für das Tal hier und manchmal ganz schön wild – vor allem, wenn es droben im Erzgebirge geregnet hat, führt sie reichlich Wasser mit sich. Die Mühlen, die es hier gab, machten sich diese Wasserkraft zu Nutze, so dass das romantische Tal ganz schön industrialisiert war. Industrie vor hundert Jahren brachte aber auf jeden Fall interessante Gebäude hervor – den Felsenkeller zum Beispiel. Das war ein schnell prosperierendes Unternehmen – und die Befürchtungen der Dresdner Brauereien, dass der Neubau im Örtchen Plauen vor den Toren der Stadt Dresden unangenehme Konkurrenz bringen würde, sollte sich bewahrheiten: Grundsteinlegung war 1857, zur Jahrhundertwende war man marktbeherrschende Großbrauerei.
Und das trotz des Eiswurms, der sein Unwesen angeblich in den neun je 66 Meter langen Stollen im Fels getrieben haben soll, die man für die Lagerung des Bieres gebaut hatte. Die Legende half übrigens einigen wenigen Großaktionären der Brauerei ganz gut: Diverse Kleinaktionäre glaubten nämlich die Mär, dass der Eiswurm das hier gelagerte Bier verderben würde – und sie verkauften.
Bier wird im Felsenkeller nicht mehr gebraut – aber über 100 Gewerke und Dienstleister arbeiten in den Gebäuden. Wissenschaftler aus Rossendorf haben in den Tiefen es Berges ein Stralenmesslabor eingerichtet, und auch ein Händler für feine italienische Weine nutzt die gut klimatisierten und garantiert eiswurmfreien Stollen im Berg.
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