Eine sehr lohnende Parthie!

Wanderung von Königstein zum Pfaffenstein

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Quelle: http://www.pfaffenstein.de/

Hermann Keiler war nicht ganz unbefangen, als er irgendwann vor 1899 annoncierte, dass der „bequeme Aufstieg“ zum Pfaffenstein eine „sehr lohnende Parthie“ sei. Der seiner Meinung nach „interessanteste Berg der sächs. Schweiz“ sei in einer „3/4 Stunde von Schiff u. Bahnst. Königstein“ zu erreichen. Nun denn, schreiten wir wacker fürbass!

Wir erreichen Königstein mit der S-Bahn. Angesichts der Staus (vor allem abends auf dem Rückweg) und der Parkplatzsituation in Königstein eine unbedingte Empfehlung – und nahezu unabdingbar, wenn man nicht rundwandern, sondern eine Strecke zurücklegen will. Der Weg vom mehr tod- als chicen Bahnhof  entlang der  B 172 Richtung Dorfkern von Königstein wirft natürlich Fragen auf, beispielsweise die, ob man selbst gerne zwischen Hauptstraße und Bahngleis wohnen möchte – und wenn ja, ob einem dann regelmäßig hereinbrechende Hochwasserereignisse, wie die Beamten die Flut nennen, auch lieb wären. Man kann übrigens auch unten an der Elbe lang, was zumindest den Blick aufs andere Ufer ermöglicht – aber eben vom Nachdenken über Stadtentwicklungsfragen ablenkt.

IMG_0942Der befremdliche Teil ist schnell geschafft, wir erblicken die Mokka-Milch-Eis-Bar – ein Name, bei dem in den späten 60ern im Osten aufgewachsene Menschen gleich zu singen anfangen. Dieses Mal ließen wir sie rechts liegen, aber wenn man am Ende der Tour noch Zeit hat, lohnt sich ein Besuch. Auch ohne Liedkenntnisse (die sich ja eh auf das Original in Berlin beziehen). Gleich dahinter sieht man die Turmspitze der Marienkirche, und auch hier wäre „das Original“ (wasimmer das bei Kirchen ist) sicher eine größere Attraktion als der jetzige Bau: George Bähr – genau: der von der Dresdner Frauenkirche! – war 1704 – 1724 mit dem Neubau einer Kirche an dieser Stelle beschäftigt. Doch ein Stadtbrand 1810 zerstörte die Kirche, die wir dieses Mal ebenfalls rechts liegen lassen (nicht ohne sie uns bei unserem Aufstieg immer mal wieder anzusehen, weil sie sich schön macht vor der Festung Königstein.

IMG_0948Können wir noch was rechts liegen lassen? Na klar: Die Postdistanzsäule, die auf dem eigentlichen Weg gen Pfaffenstein steht, sehen wir uns nur kurz an. Sie stammt aus dem Jahr 1727 und wurde mehrfach restauriert. Was immer wieder fasziniert, sind die Entfernungsangaben – in Stunden, nicht in Kilometern. Bernhard Peter stellt in seinem (sehr lesenswerten) Beitrag Vergleiche zu den Entfernungen vor dreihundert Jahren und heute an: Meist waren die Strecken damals deutlich kürzer. Das liegt nicht daran, dass unsere Erde fetter wird, sondern weil „die modernen Straßen weit mehr Serpentinen enthalten als die alten Poststraßen, die größere Steigungen enthielten und Unebenheiten nicht so großräumig umfuhren wie die heutigen Straßen.“ Klingt logisch…

IMG_0957Wir wollen zum Pfaffenstein, was auf der Säule nicht vorgesehen ist. Und wir weichen auch gleich mal vom rechten Pfad ab und verlassen den Malerweg, weil es links den Heideberg hochgeht. Und zwar etliche Stufen – eine gute Übung für den Aufstieg zum Pfaffenberg! Aber unter dem Vorwand, immer mal einen Blick auf Stadt und Festung Königstein erheischen zu wollen, kann man ja (Foto-)Pausen einlegen. Auf jeden Fall verweilen wir an einer nicht mehr sichtbaren Eiche, die anlässlich einer „stattgehabten Jubelfeier“ am 31. Oktober 1855 gepflanzt worden war und am 25. August 1997 vom Blitze getroffen wurde. Es verblieb ein veritabler, sauber abgesägter Baumstumpf – und eine Neupflanzung am 2. Oktober 1990 wächst nebenan als noch schlanker Eichenjüngling empor.

IMG_0972Das erste Ziel ist die „Schöne Aussicht“, wie alles auf sächsischen Wanderwegen gut ausgeschildert. Also rascheln wir uns durchs Herbstlaub, das schön mächtig unten liegt. Zwischendurch erwartet uns ein Geschicklichkeitsparcour: frisch gefällte Bäume liegen quer übern Weg. Wir hüpfen behände drüber hinweg (naja…) und wundern uns, dass das eher mehr als weniger wird mit wild herumliegenden Bäumen. Die Auflösung erwartet uns in Form eines quer über den Weg gesperrten rot-weißen Bandes am Ende des Weges. Holzfällung! Betreten verboten! Lebensgefahr! Aha, nun wissen wir Bescheid. Wir natürlich unten drunter durch, sonst wären wir ja nicht aus dem Gefahrengebiet heraus gekommen. Die Schöne Aussicht ist dann auch gleich neben an, und man sieht: nichts. Beziehungsweise konkreter: Kinder, Bäume und ein Schild, dass uns aufklärt, dass früher „die Hangbereiche in Richtung Königstein und Lilienstein weitgehend unbewaldet“ waren. Nun wissen wir noch mehr Bescheid.

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Next stop: Pfaffenstein. Weit ist es nicht, ein Bummel auf halber Höhe. Eine Lichtung kurz vor dem ersten Abzweig nach Pfaffendorf bietet sich für eine Rast an, mit fantastischem Blick auf die Festung Königstein.

IMG_0996Aber wir haben ja gerade erst angefangen und laufen also weiter bis zum nächsten Abzweig – das ist der, wo die Kühe einen so treuherzig angucken! Nummer 70980, wie dieses unsinnige Nummerschild im Ohr uns verriet, posierte aufs allergeduldigste vor Königsteiner Kulisse, vielen Dank dafür. Wir sind nun auf dem Malerweg und gleichzeitig dem alten Schulweg – Straßen- oder Pfadnamen erzählen ja manchmal ganz dolle Geschichten. Zu Fuß in die Schule, nix da Schulbus. Übern Berg, jeden Tag. Nein, es war nicht alles besser früher!

IMG_1028 IMG_1029 Wir streifen Pfaffendorf und gelangen an ein schönes Schild-Ensemble: Der Malerweg geht links rum, übers Nadelöhr. Der Hinweis „Aufstieg“ lässt uns vermuten, dass das wegen der Enge so eine Art Einbahnwanderweg ist. Uns werden aber fortlaufend Leute entgegenkommen – na klar: oben steht nix davon, dass es hier eigentlich besser nur bergauf ginge. Rechts rum geht’s auch zum Pfaffenstein, ausgezeichnet als „Bequemer Aufstieg“. Unbequem, entnehmen wir dem Werbeschild der (dann oben von uns besuchten) Berggaststätte, ist zehn Minuten kürzer. Und fünf Minuten japsiger, merken wir dann.

IMG_1026Hoch geht’s also durch’s Nadelöhr. Erst sind die Treppen gemütlich, dann enger und steiler, zum Schluss sind’s eiserne Stiegen. Für Hunde, verrät ein Schild, nicht geeignet. Für Dicke auch nicht – aber wir kamen durch. Die Felsen kommen ganz schön eng beisammen, es wird spaltig. Dann eine Lücke mit Blick zu einem Berg, den es so nicht gibt: Gohrstein oder Papstisch müsste heißen, was (vorne) als Gohrisch und dahinter als Papststein zu einem verschmilzt. Kurz danach drubbelt es sich dann, weil das Nadelöhr seinem Namen alle Ehre macht.

IMG_1043Ein Kamel passt da definitiv nicht durch, sogar Menschen mit zu fetten Rucksäcken von Camel tun sich schwer, von fetten Menschen ganz zu schweigen. Aber ist man da durch, dann öffnet sich quasi eine neue Welt: Das Plateau des Tafelbergs. Wir nehmen den Begriff Tafel freilich sehr ernst und streben, nach einem bezaubernden Blick von der Albrechtsburg (hier oben hat alles einen Namen!) in die Landschaft, erst einmal zielstrebig die Berggaststätte Pfaffenstein an. Hier hatte Hermann Keiler (der eingangs zitierte!) mal gekellnert, bis er 1895 den Betrieb übernahm und ausbaute…

Alle Teile dieser Wanderung:
Königstein-Pfaffenstein
Berggaststätte Pfaffenstein
Auf dem Pfaffenstein
Sage der Barbarine
Pfaffenstein-Quirl-Diebshöhle-Königstein

2 Kommentare

  1. Eine schöne Tour und schön geschrieben! Ich gestehe, dass ich grundsätzlich den bequemem Aufstieg wähle und durch das Nadelöhr hinabsteige …

    Eine Frage: wie hast du den Streckenverlauf aufgezeichnet?

    • Ich lasse schon lange eine App im iPhone mitlaufen. Manchmal Everytrail direkt, neuerdings Scout (kostenlos mit OpenStreetMap, offline-Karten können dazu gekauft werden).

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