Abendbrot

Kochsternstunden 2018: Zum Abendbrot im Wohnzimmer des Raskolnikoff

KSS18 Raskolnikoff

Im Alphabet einfacher kulinarischer Begriffe, die man der deutschen Sprache nicht mächtigen Besuchern gerne beibringen möchte, steht das Abendbrot ganz vorne. Es ist so einfach wie komplex, es ist grundehrlich und, wenn es denn wie früher® gemacht ist, mit nur einem Wort umfassend beschrieben: lecker.

Wann haben wir verlernt, richtig einfach gut zu Abend zu essen? Als die guten handwerklichen Bäcker verschwanden und mit ihnen das gute geschmackvolle, leicht säuerliche Brot mit der geilen Kruste? Als die Wurst statt vom Metzger nebenan aus der Fabrik kam und in Plastikschalen nur noch schön aussah? Als dem Käse mit dem Geruch auch der Geschmack ausgetrieben wurde? Als wir dachten, für alles Mögliche Zeit zu haben – nur nicht mehr fürs Essen, dessen Organisation (aka: Einkauf) und Zubereitung?

Ganz verloren ist die Idee dieser Art der Ernährung ja nicht einmal bei uns: im Urlaub suchen wir sofort den lokalen Markt und zücken begeistert die Kamera, um uns die üppigen Auslagen wenigstens per Smartphone mit nach Hause zu nehmen. Wir fotografieren Tiere, die offensichtlich aus mehr als nur der Brust bestehen. Wir knipsen Obst und Gemüse, das adrett drapiert ist und, sollten wir es denn mal probieren, noch besser schmeckt als es aussieht.

Und dann zu Hause? Der alte Trott?

Das muss nicht sein. Wir nahmen eine Lektion Nachhilfe im Haus mit der roten Glühbirne über der Eingangstür. Die Birne hängt über einem Etablissement, bei dem Mutti und Vati allerdings keine Angst um die lieben Kleinen haben müssen – es sei denn sie glauben, dass man nach einem Besuch im Raskolnikoff für schlechten Geschmack verdorben ist. Man isst ja schon vorne in der Kneipe gut, aber wenn Ralf Hiener und Petra Burckhardt ins Hinterhaus in ihr Wohnzimmer bitten, dann gibt’s erfahrungsgemäß noch eine Steigerung.

„Herzlich Willkommen zum gemeinsamen Abendbrot in unserem Wohnzimmer“, steht während der Kochsternstunden einmal die Woche auf der Schiefertafel – und was einen dann dort erwartet, sprengt erst einmal die Vorstellungskraft. Ein üppiges Angebot an Brot, Wurst, Schinken, Käse, Fisch, Salaten steht auf dem Küchenblock. Teils in der Küche vorbereitete Dinge, zum Teil aber eben einfach so: Produkte, die aus sich heraus schmecken. Dazu gibt es Weine und Biere aus Sachsen sowie frisch gebrühten Tee (Abendbrotpreis 29 € / Getränke nach Verbrauch).

Ralf Hiener erklärte bei seiner Begrüßung, dass 85 Prozent der Produkte aus Sachsen kämen. Kleine regionale Produzenten seien die Lieferanten – wobei: vor allem sei es ein Lieferant, der ihm (und anderen Gastronomen) die Arbeit des Einkaufs auf dem Dorf abnähme. Onkel Franz, ein Lieferservice für Gastronomen, vernetzt Erzeuger regionaler Produkte und Spezialitäten und Abnehmer. Wenn man Dresdner Gastronomen fragt: ein unverzichtbarer Service und eine großartige Sache. Martin Wett, der zusammen mit Markus Wenzel „Onkel Franz“ gegründet hat und betreibt, war an diesem Abend auch Gast beim Abendbrot und konnte die Hienersche Empfehlung durchaus teilen: „Probieren Sie die Sachen durchaus mal ohne Brot!“

Die Erzeuger kennen, mit den Erzeugern reden können: beim Wein ist das ja dank des Engagements unser Weinweiterbildungsanstalt öfter mal möglich. Den passenden Wein zum Abendbrot empfohlen zu bekommen, genauer: die passenden Weine zu den jeweilig gewählten Bestandteilen – das ging ganz problemlos. Stefan Bönsch, Winzer aus Langebrück mit 1,5 ha Steillagen in vier Lagen zwischen Dresden und Meißen, war ebenfalls da und hatte Neues und Bekanntes aus seinem Keller mitgebracht. Den Blanc de Noir (neuer Jahrgang: 2017) zu Sülze und Ceviche, den Zweimalrot zur Wurscht. Der Blanc, der uns in den Vorjahren ja schon gefiel, scheint dieses Jahr noch besser zu sein: fruchtig, strahlig, trinkig. Es gilt die Essensbeschreibung: lecker. Es gab natürlich mehr Bönschies. Scheurebe. Riesling. Traminer. Wer da nichts fand, musste eben Tee trinken. Oder Bier.

PS: Es gab natürlich viel viel mehr als beim heimischen Abendbrot machbar. Wir waren aber auch mehr Gäste.
PS2: Die Suppe, die da zum Schluss in die Schüssel kam, war von mehr Ochsenschwänzen reduziert als ich je Ochsen leibhaftig zusammen gesehen habe. Zwei Tage eingeköchelt! Die Ochsenschwanzsülze: ein Abfallprodukt aus dieser Produktion. Zum Merken!
PS3: Im Alphabet einfacher kulinarischer Begriffe, die man der deutschen Sprache nicht mächtigen Besuchern gerne beibringen möchte, steht der Absacker nicht weit vom Abendbrot entfernt. Den brauchten wir dann…

Wohnzimmer im Raskolnikoff
Böhmische Straße 34
01099 Dresden

Tel. +49 351 / 8045706
www.raskolnikoff.de

Öffnungszeiten: Auf Nachfrage und bei Sonderveranstaltungen
Kochsternstunden 2018: jeweils Donnerstag, 18 Uhr. Nur mit Reservierung.

[Besucht am 22. Februar 2018 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]


Hinweis:

Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.

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