Seit einiger Zeit kocht Mario Pattis im Lippe’schen Gutshaus-Restaurant in Zadel bei Meißen. Genau, das ist der, der als ganz Jungscher in die Kochgeschichte Sachsens einging, weil er 1994 als erster Koch in den neuen Bundesländern mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde. Damals kochte er noch in Familie auf dem Weißen Hirsch im Restaurant „Erholung“ (dem der Focus bescheinigte, „eher ein größeres Wohnzimmer mit Küche“ zu sein). Nichtsdestoweniger war Große Küche sein Ding, mit Vorbildern auch in der höfischen Küche Sachsens und natürlich bei der klassischen französischen Küche. Seine Desserts, die er nach der „Erholung“ im Gourmetrestaurant des Romantikhotel Pattis im Zschoner Grund servierte, waren legendär, erreichten aber auch Spitzen der Verspieltheit.
Nun also ist er beim Prinzen im Weingut – und er macht sich da, um das Ergebnis vorwegzunehmen, bestens. Alles, was wir früher gern trotz aller Kochkunst bekrittelten, ist nicht mehr. Pattis kocht gradliniger und schafft es, auch Einfaches hochgenüsslich zu servieren. Wobei, bitteschön, „zu servieren“ ernst gemeint ist, denn der Chef kommt mit an den Tisch und erklärt den Gästen sein Essen. Wir waren entzückt, zumal zum Ende des Abends, wenn der Stress in der Küche nachlässt, durchaus noch Zeit für ein Schwätzchen übrig bleibt. Und das lieben wir bekanntlich über alle Maßen (jetzt zum Beispiel, denn wir sind ja immer noch nicht auf den Punkt gekommen! Aber jetzt gleich, versprochen!).
Im Gutshaus-Restaurant agiert der Service zwar nach allen Regeln der Kunst, aber glücklicherweise überhaupt nicht steif. Wir sahen (im Vergleich zu unseren vorherigen Besuchen) neue Gesichter, und zwar hübsch strahlende. Und wir sahen zur großen Freude Mario Pattis, der den ersten von zwei Grüßen der Küche servierte: Einen getrüffelten Kartoffelschaum (der roch vielleicht angenehm!) und darin ein Kartoffel-Eis mit Curry-Geschmack. Wow! Eine verrückte Idee, aber eine sehr leckere (hier jetzt die üblichen Verdächtigen unter den beschreibenden Vokabeln ergänzen: locker aufgeschlagen, angenehme Würze, betörender Trüffelduft und dergleichen: passen alle!).
Wir hatten, sollte ich vielleicht erwähnen, das Kochsternstunden-Menü bestellt inklusive Weinbegleitung (pro Person 60 Euro, ohne Wein 35 Euro). Da stand als erster Gang „Amuses Bouches“ – das ist Mehrzahl! Also freuten wir uns auf die zweite Mundfreude – und die kam in Form einer Felsenauster auf Passionsfrucht mit einem Klacks Kokossahne on top (Mario Pattis hat das etwas formvollendeter angekündigt, als er’s brachte…). So könnte es ewig weitergehen, dachten wir, eine Kleinigkeit neckt die nächste, alles schmeckt fein und die Weine des Prinzen (bis hierhin ein 2009 Riesling Kabinett Kloster Heilig Kreuz vom Ufer gegenüber und einen 2009 Weißburgunder – beides eher leichte Vertreter ihrer Art) fügen sich prima ein in die Gaumenfreuden.
Mit einem „Nun aber die richtige Vorspeise!“ kündigte Mario Pattis Tatar vom Lausitzer Saibling mit pochiertem Bioei und marinierten Kräutern in Curry-Zitronengrasschaum an. Spätestens hier wurde uns dann klar, dass Pattis, seitdem er beim Prinzen zur Lippe geschmacksbildend wirkt, aufs Höfische mit seinen gehäuften Anbeiaufs verzichtet. Das pochierte Ei zerlief, einmal angeschnitten, in die Sauce und verfeinerte sie. Wir waren begeistert und fanden auch nicht, dass es zuviel Schaumschlägerei war, die uns da an den Tisch gebracht wurde.
Zum Hauptgang gab’s einen 2008er Dornfelder! Der hat hier nichts vom alten Image als Deckwein zur Farbgebung, sondern war ein exzellenter Begleiter zu Zweierlei vom Lamm mit mediterranem Gemüse und einem Kartoffel-Parmesantörtchen, bei dem uns das zarte Lammcarrée besonders begeisterte und fast noch besser gefiel als der Lammrücken. Beides rosa und butterzart, wie es sein sollte. Bei solchen Kleinigkeiten merkt man dann eben schnell, dass ein Meister am Herd steht.
Vor der angekündigten „Dessertinspiration“ gab’s schon mal ein Vor-Dessert! Eine – natürlich alkoholfreie – Pina Colada, die uns hauptsächlich wegen des begleitenden Glases gefiel, in dem sich hauseigener Sekt mit Quittenlikör aus der (auch hauseigenen, was anderes kommt hier nicht auf den Tisch!) Meissener Spezialitätenbrennerei vermählt hatten. Und dann, zum krönenden Abschluss, die Dessertinspirationen. Nougat-Törtchen kam unserem geheimen Wunsch nach irgendwas mit Schokolade schon sehr nahe, zart schmelzendes Mango-Eis passte gut dazu und überraschte mit kleinen Sprengstoffexplosionen im Mund (nicht neu, aber immer wieder nett!). Dazu reichte der Service ein Glas Porto, jenes nicht Portwein sich nennen dürfende Getränk, dass (‚tschuldigung:) verdammt wie Portwein schmeckt. Ein edelsüßer Roter aus Frühburgunder und Dornfelder, der mit seinem üppigen Bouqet nach mehr schmeckt!
PS: Wer sich das Bild aufmerksam ansieht, wird hier etwas vermissen. Oben rechts sieht man den Proschwitzer Klassiker im Weckglas serviert: Bäckchen mit Sellerieschaum und Trüffel. Das brachte uns Mario Pattis (ich denk: außerhalb der normalen Menüfolge) an den Tisch. Wahrscheinlich wollte er, dass wir deswegen mal wiederkommen. Ist ihm gelungen!
Lippe‘sches Gutshaus Restaurant
Dorfanger 19
01665 Zadel
Tel.: 03521 | 76 76 73
www.schloss-proschwitz.de
Geöffnet Mittwoch bis Sonntag ab 12.00 Uhr
[Besucht am 5. April 2012 | Zur Karte der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung | vorherige Besuche im März 2011 und im November 2010]
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