Was ist der Pfifferling wert?

Ein Abend mit Überraschungen im Topf Secret

Topf Secret

Manchmal muss man ja sehr lange nachdenken, bevor die Erlebnisse eines Abends aufgeschrieben werden. Manchmal, weil es so schön war, dass jegliches Schreiben das nur zerstören könnte. Manchmal aber auch, weil man nicht weiß, ob das nun alles nur ein Irrtum ist oder man im falschen Film sitzt. Naja, und manchmal ist es auch ein bunter Mix aus beiden Polen des Befindlichkeitsglobus. Da müsste man die Geschichte am besten gleich zweimal erzählen…

Wir waren nach relativ kurzer Zeit und wie damals schon vermutet wieder im Topf Secret. Dieses Mal in geschlossener Gesellschaft (gleich: im Kreis von Kochsternstunden-Freunden) auf ein vorbestelltes und gesetztes Menü. Pfifferlinge sollten das Thema sein und waren es auch. Wie immer bei diesen Abenden: Einer bestellt, den Preis kennt keiner – aber alle gehen davon aus, dass es im Rahmen bleibt und fair ist. Kurz vor der Veranstaltung, sie war schon ausgebucht (weil es nur zwölf Plätze gibt, geht das schnell!), sah ich noch mal auf die Facebook-Seite mit dem Termin und fand Menü und Preis.

MENUE:
Pfifferling-Mascarpone-Süppchen mit Tomatenpesto an Lardo-Colonnata-Crostino
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Gegrilltes Lammcarrée an Rosmarinjus, glasierten Pfifferlingen und Serviettenknödel
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Gewürzkaffeemousse mit Portweingelee an eingelegten Orangenfilets und Marzipan-Mohn-Eis

42,30 € pro Person

WEINBEGLEITUNG:
Balbinot Millessimo, Spumante, 0,2 l
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Dreissigacker, Riesling 2013, Reinhessen, 0,2 l
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Allesverloren, Cabernet Sauvignon 2013, Swatland, 0,2 l
17,60 € pro Person

Kurze Kommunikation mit dem auch angemeldeten Freund – und der schrieb auf meine Preis-Anmerkung „finde ich happig“ zurück: „Für 3 Gänge schon sportlich…“ Beim Wein wunderten wir uns in die andere Richtung, das schien günstig zu sein, zumal mit dem Dreissigacker und dem Allesverloren zwei ausgesprochene Lieblinge dabei waren.

Genug des Vorgeplänkels, es ist der besagte Abend. Etliche von den Pfifferlingsgästen waren zum Aufwärmen vorab schon mal in der entstehenden Weinzentrale, um beim Paletten-Trinken auszutesten, wie das demnächst gehen könnte – so mit Apero und Digestiv bei Jens & Jana, und zwischendurch woauchimmer zu Gast. Wir kamen kurz vor acht, Zeit für einen Vor-Ort-Apero vor der Tür mit kurzem Hallo! und small talk– pünktlich um acht saßen alle am Tisch. Und dann passierte erst mal lange Zeit – nichts. Wohlgemerkt: Bei einer Gruppe, die angemeldet und komplett schon vor der Zeit da war. Auf dem Tisch kein Brot, kein Aufstrich, keine Getränke. Um 20 nach acht hielt dann der Chef des Hauses eine Begrüßungsrede – neben mir flüsterte jemand: der solle doch bitteschön lieber in die Küche gehen und losmachen…, aber schon vier Minuten kam dann der Gruß aus der Küche. Ohne Pfifferling und Brot, aber ein keineswegs unangenehmer Mix aus Bohnen, Tomate, Käse, schöner Vinaigrette.

Was haben wir in der Zeit bis zum Essen gemacht? Uns nett unterhalten und umgesehen. Beispielsweise die Tafel gelesen, die die Menükarte ersetzt, und zwei Gänge unseres Menüs gefunden. Suppe für 5,80 €, Hauptgang für 21,80 €. In summa 27,60. Bleiben bis zum Dessert 14,70 € – und eigentlich noch mehr, denn bei drei Gängen gibt’s im Topf Secret ja zehn Prozent Rabatt auf die Einzelpreise. Wir waren gespannt!

Aber bis dahin sollte ja noch wenig Zeit vergehen. Die Suppe kam um 20.43 Uhr (nein, wir haben die Zeit nicht gestoppt – die Zeiten stehen in den Metadaten der Bilder!), optisch riss sie mich nicht vom Hocker. Locker aufgeschäumt geht anders. Aber von aufgeschäumt stand ja auch nirgendwo was! Problematischer war da schon das Crostino: Hart, wie es sich gehört – wie macht man so etwas dezent klein, wenn es auf der Suppe daher geschwommen kommt? Schwierig, schwierig. Geschmeckt hat’s dann aber, und die Kombination der Zutaten (Pfifferling, Mascarpone, Lardo, Brot) war ein nettes Spiel am Gaumen, bei dem der Riesling von Jochen Dreissigacker ganz famos mitzumachen wusste.

Bleiben wir beim Wein: Allesverloren klingt ja arg negativ – aber wer den im Glas hat, hat in der Regel alles gut gemacht! Und zu diesem runden würzigen Roten passte das rosa gebratene Lammcarrée dann ganz trefflich. Sauce gab’s reichlich (und auf Wunsch nach), so dass die Serviettenknödel nicht trocken blieben. Bei den Pfifferlingen war mir der Lauchanteil zu hoch, das war deutlich mehr als eine zwiebelige Begleitung und manchmal schon geschmacksdominant.

Das Dessert barg entgegen den Erwartungen keine hammermäßige Überraschung, es war eher eine Einstimmung auf Weihnachten (ist ja bald, so in etwa 127 Tagen). Preislich läge es sicher, wenn es so an der Tafel stünde, bei den anderen, also um die sieben Euro. Was war die Differenz? Allesverschwunden, ein neuer Wein am sächsischen Himmel? Nein, es war ein Fauxpas. Schrieb jedenfalls Gregor Merker nach der Veranstaltung öffentlich bei Facebook: „Werte Gesellschaft, ein offensichtlicher Fauxpas lässt mich Euch wunderbaren Gästen dieses Abends folgendes Angebot unterbreiten: bei Eurem nächsten Besuch gibt es ein Glas Dreissigacker zu Beginn, und eine Tasse Kaffee, wahlweise Espresso aufs Haus. So etwas soll mir nicht mehr passieren.“ Hm, ein fauxpas – oder, wie der Duden erklärt, ein „Verstoß gegen die guten Umgangsformen“? Darüber musste ich lange nachdenken. Meinte Merker mit dem „Fauxpas bei der à la carte Kalkulation“ (so in einer persönlichen Mail an mich geschrieben) gar die stehen gebliebenen Preise an der Tafel? Keine Ahnung. Hätte er es „einen Fehler“ genannt, wäre da nicht die Quasi-Verpflichtung zum neuen Besuch („vorher gebe ich nen Wein und hinterher nen Espresso aus!“) – dann hätte man ja stille schweigen können. Aber so?

So liest man in der Wikipedia über den Pfifferling und denkt (natürlich gemäß dem üblichen Distanzierungssatz gemäß Urteil des Hamburger Landgerichts) sich sein Teil.

„Das ist (mir) keinen Pfifferling wert!“ drückt man umgangssprachlich eine geringe Wertschätzung gegenüber einer Sache oder einer Person aus. Ob es einen Zusammenhang zwischen der Redewendung und dem Pilz gibt, ist umstritten. Die Vermutung, dass die Redewendung auf das (über-)reichliche Angebot dieses Pilzes in früheren Zeiten zurückzuführen ist, liegt zwar auf der Hand; wahrscheinlicher ist aber die Herkunft aus dem südwestdeutschen Dialekt, wo ein Fünf-Pfennig-Stück Pfifferle heißt.

 

TOPF SECRET
Grüne Straße 19
01067 Dresden

Update November 2017: Geschlossen

Tel. +49 351 6535 1292
www.topf-secret.de


Öffnungszeiten:
Mittwoch – Sonntag 17 bis 23 Uhr (oder nach Vereinbarung)

[Besucht am 6. August 2015 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

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