Klassiker neu interpretiert

Gäste kochen für Gäste: Felix Bethge, Uwe Dathan und Claudia Haase bei Gräfe's Wein & fein

Hot August Night in Radebeul

Fast wie früher®, nur schöner! So war’s im lauschigen Garten bei Gräfe’s Wein & fein unter Weinreben bei der ersten öffentlichen Veranstaltung in zwischenpandemischen Zeiten. Das Format hieß mal wieder, weil’s so viel Spaß macht, Gäste kochen für Gäste. Die drei Gäste an der Herdplatte waren Felix Bethge, Uwe Dathan und Claudia Haase, die alles mal anders zubereiten wollten.

Team GkfGWenn Gäste und nicht die hauseigenen Profis kochen, ist das ja so eine Sache. Weiß man, ob sie gut drauf sind? Weiß man, ob sie es schaffen, vom heimischen Kochen für Zwei angstfrei auf Kochen für 20+ zu skalieren? Weiß man, ob’s den Spaß wert ist (fünf Gänge mit Apero, Weinbegleitung, Wasser und Kaffee danach: 95 €)? Nein, weiß man nicht. Okay, es gibt bei solchen Abenden immer die professionelle Unterstützung durch Birka Schabehorn vom Wein & fein in der Küche. Und ja, mit Matthias Gräfe und seinem Team als Gastgeber ahnt man auch, dass bei der Rundumversorgung mit Wein weder an Qualität noch an Quantität gespart wird.

Fünf Gänge waren versprochen, was ja schon mal eine Ansage ist. Dazu kam, weil man das ja so macht, ein Gruß aus der Küche plus Brot und Butter. Wer da nicht aufpasste, futterte sich satt, bevor es losging!

  • Melone & Schinken mal anders
  • Ratatouille mal anders
  • Dreierlei vom Lachs mal anders
  • Bœuf Bourguignon mal anders
  • Blanc Manger mal anders

Was bitteschön kann man an Melone und Schinken anders machen? Felix Bethge verriet Geheimnisse der heimischen Küche, und mit Unterdruck, Vakuum, Infusion fielen Begriffe, die es bei Melonenschiffchen mit Schinken drauf nicht braucht. Die verschiedenen Melonen(sorten) waren als kleine Kügelchen herausgeschnitzt und dadurch natürlich natürlich dankbare Aromaaufnehmer. Den dazu passenden Schinken (aus Meißen) gab es dazu und nicht darüber – was bei mir zur reflexartigen Bewegung „Schinkenröllchen in den Mund“ und fehlender Fotodokumentation führte. Auch der Kollege gegenüber, der sonst ein zuverlässiger Lieferant für fehlende oder unscharfe Bilder ist, hatte offensichtlich mehr Hunger als Fotolust. Nun da. Aber auch ohne Foto können wir versichern: es war eine runde Sache!

EssenVon Kugeln zum Türmchen: Ratatouille kennt man als provenzalischen Gemüseeintopf, in dem sich eins mit dem anderen vermischt und so den typischen Geschmack gibt. Würde ich auch immer wieder so machen, denn mal anders hieß hier: Aubergine, Zucchini, Paprika und Tomate schichteten sich übereinander, durchaus sehr mit Biss. Ein Käsecracker als (in diesem Fall: sehr großzügig bemessene) Unterlage ist freilich eine superbe Idee, die man sich merken sollte! Als flotter Dreier kam dann der Lachs auf den Tisch. einmal klassisch gebeizt, dann gedämpft und zum anderen knusprig ausgebacken – als Beweis, dass man Cornflakes nicht nur zum Frühstück essen kann.

Die Überraschung des Abends war zweifelsohne der Gang, der als Bœuf Bourguignon angekündigt war. Klassisch sind das in Rotwein (Burgunder!) geschmorte Rindfleischstücke mit glacierten Zwiebeln, gebratenen Speckwürfeln, Möhren sowie in Butter gebratenen Champignons. Die neu zusammengesetzte Decollage des Klassikers hatte dies alles auch – aber es gab nicht geschmortes Rind, sondern fabelhaft rosa gegartes Rinderfilet. Ähm ja: kann man sehr wohl so machen, auch wenn’s ein wenig dekadent klingt (denn für die Sauce wurde sicher ganz klassisch auch Rind geschmort, aber die Köche müssen im Vorfeld so eines Abends ja auch was essen).

Die Portionen waren bislang gut bemessen – aber Platz für ein Dessert ist bekanntlich immer. Auch wenn keinem nach Mandelsulz war: blanc manger auf dreierlei Art (davon eine Version schon arg experimentell mit Curry) ist zwar nichts anderes, doch französisch klingt bekanntlich manches besser! Insofern war das ein prima Abschluss dieser Hot August Night.

GetränkeMoment mal: gab’s denn nichts zu trinken? Oder war es etwa soviel, dass man sich nicht erinnert? Auf jeden fall gab’s zu trinken, und natürlich nicht zu knapp war die Lernkurve. Los ging’s als Apero mit einer Spezialität aus Südfrankreich – einem Süßwein mit der Gebrauchsanweisung als Namen: on the rocks. Kam, wie auf dem Etikett empfohlen, in einem großen Glas mit Eiswürfeln und schmeckte erstaunlich erfrischend gut (vor allem zum Gruß aus der Küche, bei dem Couscous und Quinoa durch Gewürze und ein My Harissa eine feine Schärfe entwickelte).

Arneis Langhe 2020 Blangé Bio von Ceretto kam aus der Magnum – ein Weißwein aus einer nicht allzu bekannten Rebsorte aus dem rotweinlastigen Piemont. Eigentlich hätte es den ja gar nicht geben sollen, weil ein 2019er Colombard-Sauvignon Vigné Laurac von Alain Gayrel aus dem Südwesten Frankreichs (Côtes du Tarn) vorgesehen war – die Abstimmung im Team von Wein & fein brachte zwar einen Sieger hervor, aber keinen Verlierer, denn wir probierten einfach beide! (Ich hätte auch den Italiener bevorzugt, wenn’s nur einer hätte sein sollen!)

Mit dem 2019 Riesling der Weinweiber wurde es dann fast sächsisch – aber nur im Drumherum. Claudia Haase und Birka Schabehorn sind der harte Kern dieser mal etwas größeren Truppe weinaffiner Frauen. Angefangen hatten sie mit einem Wein aus Sachsen, aber danach kam dann Wein aus anderen Regionen in die Flaschen. Der Riesling kommt vom Weingut Am Nil, das bekanntlich nicht in Ägypten liegt, sondern in Kallstadt in der Pfalz.

Ein Zweigelt Rosé Federspiel 2020 von der Domäne Wachau aus Österreich passte sich farblich bestens dem Lachs an und sorgte fruchtig-würzig für fabelhaften Trinkfluss. Zum Hauptgang präsentierte Matthias Gräfe – Überraschung! – keinen Rotwein, sondern einen fünf Jahre alten Silvaner. Aber was für einen! Hot Stone von Andreas Hopfengart, der hauptberuflich im Weingut Roth Kellermeister ist. Diesen Silvaner hat er aber im elterlichen 1,5-ha-kleinen Weingut gemacht. „Naturbelassen und mineralisch, viel Substanz und cremig, samtiger Konzentration. Ein Kraftpaket am Gaumen. Mein erster Wein, mein ganzer Stolz“ – so charakterisiert der Winzer seinen Wein, und man mag ihm nicht widersprechen.

Nach einem Reparaturwein (2018 Riesling aus der Literflasche vom Weingut Wageck Pfaffmann, Pfalz) endete der Abend dann rein weintechnisch gesehen sächsisch mit einer 2017 Weißburgunder Spätlese vom VDP-Weingut Schloss Proschwitz.

Gräfe‘s Wein & fein
Hauptstraße 19
01445 Radebeul

Tel. +49 351 / 8365540
www.graefes-weinundfein.de

[Besucht am 14. August 2021 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

 

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