Ein Abend mit Überraschungen

Vater und Sohn Bethge kochten bei Gräfe's Wein&fein, Matthias Schuh zeigte Sächsischen Wein

Gedeckte Tafel

Was tun, um das Leben von Gastronomen und Gästen wieder in halbwegs normale Bahnen zu lenken? Seit MItte November gab’s ja in Sachsen einen Quasi-Lockdown, denn wenn eine Speisegaststätte um 20 Uhr schließen muss, war’s das eben selbst mit dem kleinen Abendgeschäft. Nun gehen die Coronazahlen zwar immer noch hoch, aber offensichtlich mit weniger schweren Verläufen – und plötzlich geht Gastro wieder. Aber, siehe oben: wie anfangen? „Wir wagen einen eher familiären Start!“ sagte Matthias Gräfe von Gräfe’s Wein & fein eingangs des Abends – was zur Hälfte sogar wörtlich zu nehmen war: „Wenn der Vater mit dem Sohne“ lautete das Motto des Abends. Vater Reinhard und Sohn Felix Bethge teilten sich die vier angekündigten Gänge auf, und schon beim Lesen des Menüs ahnte man sofort, wer wofür verantwortlich zeichnete:

  • Niedersächsische Hochzeitssuppe (nach Schwiegermutters Rezept)
  • Poisson du jour a l’Espagnole
  • Schweinebäckchen (sicherlich auch mit Sättigungsbeilage!)
  • Café Gourmand (was anderes wäre doch langweilig!)

Das war der Plan. Doch family (auch mitgereiste an der langen Tafel) und friends (der ganze Rest – keiner da, der nicht immer da ist) bekam noch die Kür dazu. Und damit ist nicht gemeint, dass sich sich Küche und Service auch noch an die Tafel setzten, weil dann doch coronabedingt eine Besteller-Gruppe ganz kurzfristig abgesagt hatte. Auch die Anwesenheit des Winzers Matthias Schuh, der aus den Weinen seines Weinguts die passenden zum Essen mitgebracht hatte, gehörte zum angesagten Programm.

Tafelmusik mit VioloncelloZur Kür gehörten die Überraschungen des Abends. Uta und Norbert Schröder hatten ihre Violoncellos im kleinen Handgepäck mitgebracht und spielten vor dem Essen und danach immer mal wieder auf: kleine Kammermusik mit Augenzwinkern, denn das Repertoire war selbstredend auf ein genussbereites weinseliges Publikum abgestimmt (das im Gegenzug das übliche Tischgemurmel einstellte, andächtig lauschte und begeistert Beifall zollte).

1und3Zwischen der Musik: das Essen. Die beiden Hobbyköche gehören zur Garnitur derer, die nicht erstmals für Gäste kochen, sie brachten den Abend mit Bravour hinter sich. Sie beherrschen ihr Handwerk, sie arbeiten fast schon professionell (auch wenn die Anspannung im Vorfeld natürlich groß war, aber das wissen die Gäste ja nicht!), und vor allem: es hat alles bestens geschmeckt. Die niedersächsisch geprägten Gänge (Vater Bethge wohnt bei Osnabrück und ist dort im CC Club kochender Männer aktiv) weckten Assoziationen an die Kindheit – aber nur an die guten Geschmäcker! Da hätte auch ein Pilsken, wie man im (aus Osnabrücker Sicht) nahe gelegenen Westfalen sagt (und trinkt) gut gepasst, aber Matthias Schuh hatte sich für für den Weißburgunder aus dem Klausenberg entschieden, der Sachsens kleinste eingetragene Einzellage ist und sich im Alleinbesitz des Weinguts befindet. Der rund 3,5 Hektar große Weinberg liegt direkt an der Elbe, die Reben wachsen auf Granit-Syenit-Verwitterungsböden. Zu den butterzarten Schweinebäckchen passte dann übrigens ein Regent vom gleichen Weinberg.

2und4Sohnemann Felix hatte sich für den Fischgang französisch inspirieren lassen.  Der poisson du jour war ein Seelachs, und wenn etwas a l’Espagnole zubereitet wird, riecht man das schon geraume Zeit vor dem Servieren: Knoblauch ist eine wesentliche Zutat. Dazu Kartoffeln – und fertig ist ein so einfaches wie überzeugendes Gericht mit mediterranem Hauch. Dazu gab’s Elbling. Der hat nichts mit der Elbe zu tun, die besten Buddeln bekommt man im Luxemburgischen und an der Saar oder der Mosel. Aber die Schuhs kamen ja nach der Wende von der Mosel ins beschauliche Sörnewitz, da gehört es zum Familienwissen, was aus dem leichten Weißwein zu machen. Vinho verde irgendwer? Das üppige Dessert (Gourmand stand nicht umsonst im Titel) wurde erneut von einem Regent begleitet, wen auch von einem ganz anderer Machart. Port darf er ja nicht heißen, weil die Elbe halt nicht der Douro ist – aber die Machart (und damit der Geschmack) des 2012 Likörweins sind halt portig: sorgfältig selektierte Trauben und ein Gärungs-Stopp, bei den Schuhs mit Tresterbrand, der aus Beerenschalen vom Klausenberg gebrannt wurde.

Ravioli OrangeZwischen den vorgesehenen vier Gängen gab’s dann noch eine Überraschung, denn auch das Team von Gräfe’s Wein & fein hatte da was vorbereitet: Ravioli. Gefüllt mit Blutwurst aus Rammenau, aber das wurde vorher nicht gesagt – Kopfkino sorgt ja manchmal für Nichtgefallen. Wenn aber erst einmal alle die Kombi (mit geröstetem und sehr buttrigen Mohn als Krönung obendrauf) loben, weil „lecker“ und „boah“ und so – dann kann man es ja verraten.

Gut, dass Matthias Schuh vorsorglich sein Auto vor der Tür mit nahezu allen trinkreifen Weinen des Weinguts bestückt hatte – so hatte er auch den 2019er Grauburgunder Orange dabei. Ein 20 Tage auf der Maische vergorener Wein, spontan vergoren und für zehn Monate im 500-L-Holzfass gereift, der leuchtend ziegelrot im Glas steht und Nase wie Gaumen viel zu arbeiten gibt. Ein toller Wein, der nicht nur (aber auch) zu den Gräfe-Ravioli passt!

Infos Weingut Schuh – und auch im Podcast „Auf ein Glas“ in der Episode 42

Gräfe‘s Wein & fein
Hauptstraße 19
01445 Radebeul

Tel. +49 351 / 8365540
www.graefes-weinundfein.de

[Besucht am 29. Januar 2022 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

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