Wenn man in den zumeist engen und verwinkelten Gassen von Olhão unterwegs ist, kann man schnell die Orientierung verlieren. Im flüchtigen Vorbeifliegen beim Landeanflug ergab sich da ja noch ein ganz anderer Eindruck, weil sich die Stadt von oben wie in einem klar konturierten Viereck präsentierte. Aber wer schaut schon so genau hin, wo doch der Gesamteindruck zählt! Obendrein ist das Wasser vor der Stadt hier für den Ankömmling fast noch spannender: verschiedene Farben blau signalisieren unterschiedliche Wassertiefen, eigentlich ja: Wasserniedrigkeiten. Denn die Ria Formosa ist wie das Wattenmeer ein Spielball der Gezeiten, mit temporären Inseln und erkennbaren Fahrrinnen. Optisch spannend – und bei jedem Anflug anders.
Olhão ist eine von der Fischerei geprägte Stadt, auch wenn es nicht mehr, wie früher mal, 37 Fischkonservenfabriken gibt. In den zahlreichen Restaurants trifft man keineswegs nur auf Touristen, sondern durchaus viele Portugiesen. Wir hatten beim ersten Besuch eine gute Unterkunft im Gewusel der Altstadt mit sehr netter Vermieterin gefunden – und sind ihr und ihren Unterkünften auch bei folgenden Besuchen treu geblieben. Beide besuchten Häuser waren relativ frisch renoviert – etwas, was man in Olhão immer wieder erleben wird: die alten Häuser sind eher schlicht gehalten, einige machen keinen guten Eindruck – aber sie werden aufgepeppt, ohne dabei ihren ursprünglichen Charakter zu verlieren. Dieser Mix aus portugiesischem Leben, aus Altem und Neuem sowie ein ganz tolles Restaurant-Angebot macht für uns einen Großteil des Charmes der Stadt aus. Was an 100 Prozent fehlt, ist dann aber auch ein Grund zum Wiederkommen: von Olhão aus kann man einen Großteil des östlichen Teils der Algarve (inklusive Hinterland) bequem mit Tagesausflügen erreichen!
Die Markthallen | Klicken öffnet mehr
Die Markthallen sind ein zentraler Punkt in Olhão – obwohl sie streng genommen gar nicht zentral liegen, dafür aber praktisch direkt neben der Ria Formosa an der Av. 5 de Outubro, die von zahlreichen Restaurants und Einzelhandelsgeschäften (toller Bäcker direkt gegenüber!) gesäumt ist. Der Straßenname erinnert übrigens an den Sturz der Monarchie und die Ausrufung der Ersten Portugiesischen Republik am 5. Oktober 1910. Die beiden über 100 Jahre alten Markthallen (1916 wurden sie eröffnet) gelten als Musterbeispiel für Eisen- und Glasarchitektur. Im einen Gebäude gibt’s Fisch, im anderen Fleisch und Gemüse. Nach Sanierungsarbeiten am Ende des 20. Jahrhunderts sind sie seit 1998 wieder für die Öffentlichkeit geöffnet und stets gut besucht.
Samstags erweitert sich der Markt zusätzlich auf die Freifläche zwischen den Hallen und dem Wasser. Dann bieten Bauern und Gärtner der Umgebung ihre Waren an – für Touristen ist das der lohnenswerteste Tag, den einerseits ist es eh schon schön voll durch die Einheimischen und andererseits kann man da eben auch quasi für den touristischen Bedarf einkaufen (es gibt zahlreiches Naschwerk!). Und weil das alles wunderbar anstrengend ist, seien die (auch an anderen Tagen geöffneten und besonders nach Feierabend beliebten) Cafés und Imbisse erwähnt. Uns hatte es die Bar Paris angetan – mit netter Bedienung, gutem Wein und unkomplizierten kleinen Gerichten…
Bom Sucesso | Klicken öffnet mehr
Erfolgreich! Wer will das nicht irgendwie sein? Wenn ein Boot so heißt, denkt man sich ja erst mal nichts dabei – viel Erfolg kann man ja nur jedem Fischer wünschen, wenn er rausfährt. Aber das Boot mit dem Schriftzug Bom Sucesso, das vor den Markthallen im Wasser an einem Steg liegt, muss mehr als ein normales Fischerboot sein – hatten wir doch das Motiv schon als eine der vielen Kacheln unterwegs entdeckt. Und genau so ist es: das Boot hat eine Geschichte, die (ich bin geneigt zu schreiben: natürlich) mit einem Krieg und einem Sieg zusammenhängt. Und mit dem Überbringen der guten Nachricht – mit einem relativ kleinen Schiff, das von Olhão bis nac h Brasilien segelte…
Strandpromenade & Yachthafen | Klicken öffnet mehr
Eine feine kleine Strandpromenade führt entlang des Yachthafens (der mittlerweile rund 700 Schiffen Platz bietet) zu einer Plaza mit Restaurants und kleinen Geschäften. Im Juli 2022 wurde – nach einer Rundumerneuerung und einem Invest von 8,5 Millionen Euro – der neue Yachthafen eröffnet, bei unserem Besuch im Januar 2023 war allerdings auf den Freiflächen deutlich mehr los als in den Gebäuden. Auch uns zog es nicht in die dortigen Restaurants, aber das Denkmal Mirantes mit den beiden dort drapierten Herren ist ein immerwährender Hingucker. Nur temporär – dafür aber vor allem in der Dämmerung sehr fotogen – ist die riesige begehbare Weihnachtsbaumkugel.
Sagen und Legenden | Klicken öffnet mehr
Der Caminho das Lendas – der Pfad der Sagen – ist eine schöne Art, die Stadt zu erkunden. Eigentlich ist es ja gar kein Pfad, den man gehen muss: an fünf Plätzen der Stadt stehen Figuren, die aus der Legendenwelt von Olhão stammen. Die fünf Sagen sind auf entsprechenden Schildern erklärt – aber in welcher Reihenfolge man diese Orte ansteuert, ist egal. Also: einfach treiben lassen und die Gassen auf sich wirken lassen. Schwer zu finden sind die Plätze alle nicht – und im eigenen Beitrag zum Caminho das Lendas gibt es nicht nur eine Karte mit den Standorten, sondern natürlich auch mehr Fotos und die Kurzversionen der Legenden.
Störche in der Stadt | Klicken öffnet mehr
Wer, weil er die Tiere so schön findet oder sich sonstwas von ihnen verpsricht, gerne anhält, wenn er (oder sie) einen Storch sieht, kommt an der Algarve nicht weit. “ In Portugal z. B. hat die Zahl der überwinternden Weißstörche zwischen 1995 – 2015 von ca. 1.200 Individuen auf 14.400 zugenommen“, schreibt der Nabu-Storchexperte Kai-Michael Thomsen. Wahrscheinlich sind’s mittlerweile noch mehr, der Beitrag ist ja auch schon wieder fast vier Jahre alt. Extra anhalten lohnt also meist nicht, aber ab und an mal nach oben schauen (oder dem Klappern folgen, das ja bekanntlich zum Handwerk gehört), lohnt sich. Bevorzugter Storchguckplatz in Olhão ist die Igreja Matriz de Nossa Senhora do Rosário – dass direkt in der Nachbarsachaft das Sotk Hostel liegt, ist ja kein Zufall…
Restaurants | Klicken öffnet mehr
Das Angebot an Restaurants ist groß und teils auch großartig für ein ganz normales Essenserlebnis – gerne ohne ChiChi, aber dafür mit Geschmack. Eine kleine Zusammenstellung in Einzelkritiken verbirgt sich hinter dem Link. Meine (unsere) Favoriten: das Restaurante Mósse! und das Prazeres Da Ria Formosa.
Der Naturpark | Klicken öffnet mehr
Vor den Toren der Stadt (blöde Redeqendung: da sind gar keine Stadttore – aber das Gelände hat ein Tor. Nun ja…) befindet sich der Naturpark des Centro de Educação Ambiental de Marim – Quelfes. Kostet etwas Eintritt, aber das ist gut angelkegtes Geld, denn es gibt viel zu sehen – von einer Gezeitenmühle mit angeschlossenem Museum über alte (sehr alte) Salzbecken, die den Römern zugeschrieben werden. Man kann aus eigens dafür angelegten Ständen Vögel beobachten und ohne eigens angelegten Stand Flamingos sehen, angeblich gibt es auch Chamäleons. Aber die hatten sich bei unseren Besuchen getarnt…
Einen Besuch wert ist übrigens auch das Restaurant Casa de Pasto Armenio direkt außerhalb des Centro de Educação…
Street Art | Klicken öffnet mehr
Straßenkunst hat uns bei den Besuchen von Faro ja besonders begeistert – und sind die Blicke erst einmal geschult, hält man natürlich die Augen auch andernorts offen. In Olhão fanden wir Street Art an verschiedenen Stellen – wobei die an den alten Konservenfabriken schon ein wenig rausfallen aus dem gewohnten Street-Art-Charakter. Aber warum nicht? Die fotorealistisch-naive Darstellung von Arbeits- und Freizeitsituationen mag zwar romantisierend wirken, vollzieht aber irgendwie doch einen kleinen Sprung in die Zeiten, die wir so gerne die guten alten nennen, obwohl sie das ja beileibe auch nicht immer waren.
Street Art wie man sie erwartet findet sich natürlich auch – unerwartet an Brücken und Hauswänden, aber auch sehr kompakt versammelt an einem Gebäude, das wegen seines Turms an eine Kirche erinert. Es ist leerstehend und liegt direkt an der Durchfahrtstraße N125 – weswegen wir da (nur schnell raus aus der Stadt!) mehrfach dran vorbei fuhren, bevor wir uns für einen gezielten Stopp entschieden. Erstens ist das einfach, denn es gibt einen Parkplatz – und zweitens lohnt es sich, auch wenn da klagend an der Treppe steht: AKA Modesto was in Portugal and nobody cared about it.
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