Meistens kommen bei meinen Nachbetrachtungen zu feinen Menü-Abenden die Desserts ja zu kurz – so nach dem Motto: passt schon, aber ist ja eh alles gegessen. Beim sonntäglichen Besuch im Opera bar&dining verlief das aber anders: kein Gang war an unserem Tisch so kontrovers diskutiert wie das Dessert – aber wenn man etwas nicht versteht, braucht’s ja manchmal nur ein wenig professionelle Nachhilfe, um zur Erkenntnis zu gelangen.
Auf die Sprünge half uns Sebastian Bellmann, der Küchenchef im Opera. Er kam am Ende des Menüs zu uns an den Tisch, und aus der freundlichen Routine-Geste (wenn Zeit dazu ist…) wurde eine kurze Lektion in Ideenfindung und Umsetzung. Fazit: wir hatten das Dessert falsch verstanden. Das hat Bello, wie ihn alle in der Szene nennen, so natürlich nicht gesagt – aber es ist so. Denn wir hatten das übliche Dessert erwartet, gerne mit Schokolade, gerne auch nur aus Gemüse: so kennen wir das. Dieses war aber quasi als gleitender Übergang vom Menü (wir hatten zuvor drei Gänge gegessen, dazu gleich mehr) in einen denkbaren zweiten Teil des Abends. Schließlich sind wir ja in der Schinkelwache in einer location, die bar&dining heißt. Also ließ uns der Chefkoch an seinen Überlegungen teilhaben – und die begannen beim Getränk: Rum-Pott-Fizz. Ein Rumtopf, wie man ihn kennt – aber mit Aquafaba und Zitrone aufgeshakt, mit Prosecco aufgefüllt und mit ein wenig Chartreuse parfümiert. Die Küche hat dazu die Begleitung komponiert, mit einem Knäckebrot, einem Ingwer-Röllchen und einer Himbeerpraline (alles hausgemacht, versteht sich). Das seien, sagte Sebastian Bellmann sinngemäß, passende Knabbereien zum Drink. Und da fiel bei uns der Groschen: das musste ja alles gar nicht zwingend miteinander passen, aber jedes zum Drink. Und da fiel uns auf, dass wir schon selbst festgestellt hatten, dass jedes Detail für sich schmeckte. Also: Ziel erreicht – wenn man die Verknüpfung vergisst, dass die Dinge auf dem Teller das eine und der Inhalt im Glas das andere seien. Konstruktiv wie wir manchmal sein können, hier also die Empfehlung: einfach drei Teller in die Mitte stellen – auf dem einen nur Knäckebrot, auf dem zweiten nur das Ingwerleder, auf dem dritten die Pralinen. Denn sharing is caring, weiß man ja schon seit langem – und wenn der Abend eh ins Gemütliche rübergleitet, würde das zum Verständnis dieses Ganges vielleicht beitragen!
Die drei Gänge zuvor begannen jeweils mit einem großen G – wie in gebacken, geräuchert und geschmort. Man könnte sie auch mit einem ganz großen G wie in gut zusammenfassen, aber das wäre sicher zu kurz. Also gerne gerne etwas länger. Der Abend begann erstaunlicherweise kohlenhydratfrei, also ganz ohne Brot oder anderweitigen Küchengruß – sehr ungewohnt! –, aber mit einem Prosecco als Aperitiv. Dem Stil des Hauses entsprechend war’s natürlich kein beliebiger, sondern mit dem Strada di Guia 109 Brut einer, an den man sich hätte gewöhnen können: feine Perlage und wunderbar frisch.
Zur Vorspeise lag eine stattliche Black Tiger Garnele auf dem Teller, umhüllt mit Engelshaar (Dubai lässt grüßen, auch ohne Schokolade) und umspielt von roh mariniertem Kürbis, einer Limetten-Kefir-Espuma und einer leichten Koriander-Mayonaise. Wer bei einigen der Zutaten zuckt (wie, Kürbis? Und Koriander, muss das?), sollte vorsichtshalber doch probieren, denn manche Dinge schmecken ja besser als sie klingen. Mir wäre ja weniger Engleshaar ganz lieb gewesen, aber erstens vertut sich auch das und zweitens bin ich mir sicher, dass sich das nach dem Hype um die Dubai-Schokolade von allein ergibt. Zur Vorspeise gab es einen Viognier aus Mallorca (von den Bodegas Angel) eingeschenkt. Satte 14,5 % Alkohol, kräftig-mineralisch – aber zum Essen erstaulich passend. Suzanne, die uns diesen Abend nicht nur mit Speisen und Getränken versorgte, sondern auch immer reichlich Informationen parat hatte, fasste es so zusammen: „Es sind alles keine reinen Genussweine, sondern solche, die zum Essen passen!“ Und als Essensbegleiter dann doch genossen wurden. So einfach kann das sein!
Die Suppe mit geräuchertem Heilbutt und Lauch war anders als man Fischsuppen kennt. Sie hieß ja auch Velouté und benahm sich entsprechend samtig. Angegossen an den angeflammten Heilbutt, Tatar vom Butt und ein Lauchtatar ergab das eine der feinsten Fischsuppen ever – und der dazu eingeschenkte Chardonnay von Martin Schwarz erwies sich als Volltreffer, denn nach 6 Monaten im Eichenfass ergab das die perfekte Harmonie zur leichten Rauchnote der Suppe.
Dry-aged Shortrib geschmort: sieht aus wie ein Brikett und schmeckt unsagbar zart. Scharfes Angucken reichte, um das Fleisch in mundfertige Portionen zerfallen zu lassen – nun ja, fast. Das Fleisch lag in einem Saucenspiegel, wie man ihn zu Hause nur mühsam hinbekommt, und daneben bildete ein Kartoffelpü die Grundlage für gebratenen Rosenkohl und geschmorte Weintrauben. Eine große Praline lag da auch noch, in der sich eine Variation des Shortribs verbarg. Das Kartoffelpürree, das im Menü erst einmal gar keine Erwähnung findet, erwies sich allerdings als der geheime Star des Tellers – Dank der Salzzitrone (und, wahrscheinlich, der verwendeten Menge an Butter, um die Kartoffel geschmeidig zu machen). Dazu tranken wir aus Apulien einen Primitivo. Trocken, wieder nicht alkoholarm, aber wir sind ja Öffi-Nutzer und konnten daher den eher süffigen und geschmacklich nicht zu schweren Roten genießen.
Menü
- Gebackene BIO-Black-Tiger Garnele im Kataifi-Teig mit roh-mariniertem Kürbis
- Geräucherte Heilbuttvelouté mit Poree
- Geschmortes Shortrib von der Deutschen Färse (dry-aged) mit Salzzitrone, Rosenkohl & geschmorter Traube
- Rum-Pott-Fizz mit Himbeerpraline, Ingwerleder & Andalimanpfeffer-Knäckebrot
Weinbegleitung
- Aperitiv
Strada di Guia 109 Brut - Viognier 2021
Bodegas Angel Mallorca - ONE
Martin Schwarz - Vito Primitivo
Preis
- 3-Gänge 59,00 € | inkl. Weinbegleitung 79,00 €
- 4-Gänge 69,00 € | inkl. Weinbegleitung 89,00 €
Opera bar&dining
Theaterplatz
01069 Dresden
Tel. +49 351 42417878
opera-dining.bar
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Hinweis:
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