Die Phönizier brachten den Wein in die Algarve. Der Rio Arade führte sie, vom Meer kommend, bis zur Stadt Silves. Das ist lange her, über 2.500 Jahre etwa. Heute ist der Fluss nur noch bei Flut befahrbar – aber das reicht, um Touristen von den Küstenstädten Portimão oder Ferragudo flussauf zu schippern und kurz vor dem Städtchen Silves am neuen Anleger des Weinguts Arvad Wine abzuliefern.
Neu ist nicht nur der Anleger mit Bootshaus, sondern das ganze Weingut: 2016 erst hat Pedro Garcia de Matos es gegründet. Das Gelände ist rund 60 ha groß, auf 20 ha steht Wein: die roten Sorten Alicante Bouschet, Touriga Nacional und Cabernet Sauvignon, die weißen Alvarinho, Arinto und Sauvignon Blanc sowie die für die Algarve einst typische Trauben-Chimäre Negra Mole mit roten wie weißen Trauben am gleichen Stock, aus der bei Arvad nicht nur Rot-, Rosé- und Weißweine hergestellt werden, sondern auch ein Schaumwein und eine Spätlese.
Autochthone Rebsorte: Negra Mole
„Mit der Negra Mole haben wir eine vielseitige und typische Sorte von der Algarve im Angebot“, sagt Mariana Canelas. Sie ist Commercial Director und Markenbotschafterin bei Arvad Wines und eine von drei Sommeliers auf dem Weingut. Und sie hat, ganz wörtlich zu verstehen, ihre Handschrift bei den Weinen hinterlassen: statt eines fertigen Etiketts beschriftete sie die Flaschen, in denen Wein von einer der ältesten portugiesischen Rebsorten war. Das geschah sozusagen noch im Gründungsfieber, denn es gab ja nicht viel Wein. „Von der Negra Mole haben wir nur etwa 2000 Flaschen produziert“, verrät uns Ricardo Santos. Er ist bei Arvad für den Weintourismus verantwortlich – und gehörte zum Dreierteam, das liebevoll so viel Herzblut in diese Rebsorte gesteckt hat. Nummer drei war übrigens der Winzer Bernado Cabral, der die Weine von Arvad beratend prägt. „Das hat immer sehr viel Spaß gemacht!,“ erinnert sich Ricardo, „Wir haben das jeden Samstag gemacht, und manchmal haben die Kunden geholfen, die Flaschen in das Wachs zu tauchen. Das war unsere Art, kostenlose Arbeit zu bekommen…“ Mittlerweile sind die Produktionszahlen auch und gerade von Negra Mole allerdings so doll gestiegen (vom Rotwein gab es 17.000 Flaschen, vom Rosé fast 6.000), dass die Technik Einzug gehalten hat – wenn auch im alten Stil: Marianas Schriftzug wurde mit Photoshop bearbeitet, die Flaschen wurden gestempelt. Aber da es immer noch einige wirklich mit der Hand geschriebene gibt, fällt das kaum auf – und wir verraten ja nix!
Die alte Sorte Negra Mole ist, das merken immer mehr Weingüter an der Algarve, ein Tausendsassa. Sie hat beispielsweise in ein und derselben Traube weiße, rote und rosa Beeren. Und trotz der unterschiedlichen Farben haben die Beeren alle den selben Reifegrad. Eine Unsicherheit allerdings bleibt: welche Beeren sich für welche Farbe entscheiden – das lässt sich nicht voraussagen. Ein und dieselbe Rebe kann in einem Jahr hellere und im nächsten Jahr rötlichere Beeren tragen. Es ist, obwohl die Weine eher leicht sind, also eine spannende Sorte – und man kann, wenn man das Potential erst mal erkannt hat, ’ne Menge draus machen. Im Weingut Arvad beispielsweise gibt es Negra Mole als roten und weißen Wein sowie als Rosé, als Sekt (leider ausgetrunken) und als Spätlese, erstmals aus dieser Sorte gemacht – aber die muss (noch ein leider…) noch im Keller reifen…
Wenn Beschränkungen auch Vorteile haben
Wenn das alles manchmal wie Versuchsanbau klingt, dann ist da was dran: man muss schließlich noch Erfahrungen sammeln und ausloten, was machbar ist. Wie gesagt: 2016 erst wurde das Weingut gegründet, das im Knick des Flusses Arade liegt und in einem ökologischen, landwirtschaftlichen Reservat liegt. Da gibt es, was die Nutzung anbelangt, eine Menge Beschränkungen – aber solche Herausforderungen fördern natürlich die Kreativität: man darf zwar prinzipiell nichts bauen – aber wenn irgendwo was stand, dann darf man eben doch. Glücklicherweise finden sich auf 60 ha immer irgendwelche Hütten, Reste alter Häuschen oder ein Schweinestall: da geht dann was. Also gibt es ein wunderbares Weingut mit Keller, Vinothek und großzügiger Lounge-Terrasse, also gibt es ein Refugium am Fluss und demnächst (Baustart in diesem Jahr, wenn alles klappt) ein Hotel, „das sicher 5 Sterne bekommen wird – aber nur, weil es nicht sechs oder sieben gibt…“, wie Mafalda Garcia de Matos, General-Direktorin bei Arvad und Tochter des Firmengründers, einer Kollegin bei ihrem Besuch verriet.
Der Vorteil für die Touristen, die man natürlich im Auge hat: hier ist es wunderbar ruhig. Man kann den Vögeln lauschen und am Fluss das Wasser sehr gemächlich vorbei fließen sehen, mit der herrlichen Stadt Silves im Hintergrund und einem kühlen Wein ganz nahe. Denn natürlich kann man dieses Haus mit seinem privaten Anleger und der großzügigen Terrasse mieten, auf Wunsch inklusive Koch, der das passende Menü zu den Wienen zusammenstellt. Mehr Romantik geht kaum, und wenn der eigenwillige Fluss Arade nicht mehr genug Wasser führt, geht’s eben mit dem Taxi zurück nach Silves, Portimão oder Ferragudo. Wenn das Hotel erst einmal fertig ist, kommt zur Fluss-Idylle noch die Guck-Idylle hinzu, denn es wird auf einem Hügel stehen. Von dort aus kann man dann sogar Sonnenuntergänge beobachten – was wir, mangels Hotel, noch auf der Tour mit dem E-Mobil im Vorüberfahren erledigten.
Das spezielle Mikroklima
Die Weinberge sind, wie zu erwarten, dem Fluss zugewandt. Aber die Topographie erlaubt Spiele mit dem Mikroklima, es gibt sogar so etwas wie ein algarvisches cool climate (alles ist relativ): Die eine Seite ist nach Westen ausgerichtet (das ist die Sonnenuntergangs-Seite!), man erkennt in der Ferne den Atlantischen Ozean als kühlenden Faktor. Auf der anderen Seite blickt man nach Norden: die vielen Nordwinde bringen ebenfalls Kühle mit sich. Was auch am Monchique-Gebirge liegt, von wo nächtens die kühle Luft der Berge das Gebiet ziemlich kühl machen. „Wir haben hier also viele Faktoren, die für ein kühles Mikroklima sorgen, das für die Weinberge wirklich gut ist“, erfahren wir von Mariana.
Die erste Ernte konnte 2019 gelesen werden, die ersten Weine kamen also 2020 während der Pandemie auf den Markt – aber trotz der widrigen Umstände „lief es wirklich gut. Wir haben es geschafft, alles zu verkaufen“ (Mariana). Also begann die zweite Phase mit neuen Weinbergen, auf denen die autochthone Rebsorte Negra Mole steht. Und weil das die (neue) Leitrebsorte des Weinguts werden sollte, pachtete man zusätzlich einen alten Weinberg, auf dem die vielseitige Chimäre schon länger stand. Insgesamt macht das Weingut Wein von 20 ha.
Arvad – ein sicherer Ort
Wie es zum Weingutsnamen Arvad kam, ist eine der vielen Geschichten, die man heutzutage erzählen können muss, um im medialen Vielerlei gehört zu werden. Ein Geschichtsforscher spielt in dieser Story eine wichtige Rolle, denn er glaubt, dass der Name des Flusses Arade, also des Flusses zu Füßen des Weinguts, von dem Wort Arvad stammt. Arvad war der Name, mit dem die Phönizier diesen Teil des Flusses bezeichneten – und das bedeutet Zuflucht, sicherer Ort. Denn die Phönizier kamen vor 2.500 Jahren den Fluss entlang, um sich vor den Piraten zu verstecken, um sich vor den Stürmen zu schützen. Hier fanden sie den perfekten Ort, um Handelsgeschäfte zu machen – „und sie waren die ersten, die den Wein auf der heutigen Iberischen Halbinsel einführten“, erzählt Mariana. Die Phönizier brachten den Wein in Amphoren mit. Stücke davon hat man gefunden, sie sind in den örtlichen Museen zu besichtigen. Aber die Geschichte der Phönizier und der Amphoren hat das Arvad-Team inspiriert: das ganze Branding dreht sich um die Amphoren – und im Keller werden moderne Nachbauten mit 750 Litern Inhalt genutzt, um den Wein auszubauen.
Kleine Weinprobe
Vinho Branco, Jahrgang 2023
Eine Cuvée aus 60 % Arinto, 30 % Alvarinho und 10 % Sauvignon blanc. Normalerweise werden Alvarinho und Sauvignon blanc vor allem im Norden des Landes angebaut, wo es kälter und feuchter ist, so dass dort viel Säure entsteht. Das ist die Region des Vinho Verde, des grünen Weins! In der Algarve ist es wärmer, trockener. Man merkt das an der Aromatik: Zitrusfrüchte in den Aromen und dann Frische und weiße Blumen aus dem Alvarinho. Am Anfang am Gaumens eine tropische Note des Sauvignon Blanc, die an Passionsfrucht oder grüne Ananas erinnert. Es ist der Jahrgang 23, es ist ein sehr trockener fruchtiger Weißwein mit 12,5 Alkohol.
Vinho Rosé, Jahrgang 2023
Der Rosé ist eine Mischung aus den beiden roten Trauben im Weingut: Touriga Nacional und Cabernet Sauvignon. Für den Rosé werden die Trauben ein bisschen früher als für die Rotweine gelesen, das bringt mehr Säure und weniger Zucker. Im Keller werden die Trauben dann direkt gepresst, so dass der Kontakt mit der Haut minimal ist. Dann wird er in Edelstahltanks gefüllt und liegt fünf Monate lang auf der Feinhefe, um die Struktur, die Komplexität und das Volumen zu erhalten. In der Nase ist er sehr fruchtig (wie die Früchte des Touriga Nacional), aber am Gaumen sind es eher luftige Noten, man findet dort eher den Cabernet Sauvignon wieder. Auch dieser Rosé ist ziemlich trocken (unter 0,6 g Restzucker!), aber auch ziemlich zitrisch. Ein schöner Wein zum algarvischen Essen!
Preislich liegen der branco und der rosé (und auch der Rotwein dieser Einstiegslinie) bei knapp 10 Euro. Die Weine der Negra Mole-Linie kosten 17,50 €, der Touriga Nacional geht für 25 € über den Ladentisch.
Negra Mole Tinto, Jahrgang 2023 und Touriga Nacional, Jahrgang 2021
Wir vergleichen zwar nicht Äpfel mit Birnen, aber einen einfachen Trinkwein mit einem Premiumwein. Der Negra Mole ist ein leichter Rotwein, typisch für die Algarve! Ein Allrounder, passt sowohl zu Fischgerichten als auch zu Fleisch. Man trinkt ihn leicht gekühlt – nicht so kalt wie einen Weißwein, aber zwischen 12 und 14 Grad sind perfekt (und warm wird er von alleine…). Im anderen Glas ist ein sortenreiner Touriga Nacional, einer der Premiumweine des Hauses (das signalisiert schon die schwerere Flasche, die die anderen überragt!). Natürlich ist das der kräftigere Weine mit mehr Volumen im Mund, mehr Struktur – und auch mit mehr Alterungspotenzial. Natürlich schenkt man den Trauben viel Aufmerksamkeit: Handlese in 15-kg-Kisten, Traubenselektion und Gärung für 10 Tage bei 24 °C, längere Mazeration für 2 Wochen, gefolgt von einer Reifung in gebrauchten französischen Eichenfässern für 12 Monate. „Wir nutzen die gebrauchten Barriques, weil es uns um die Struktur, die Komplexität und das Volumen im Mund geht, die Aromen und den Geschmack der Eiche wollen wir aber nicht: unser Weinstil respektiert die Frucht!“, erklärt uns Ricardo.
Den Unterschied der beiden Weine sieht man (hell vs. dunkel) und schmeckt man – natürlich. Auch im Alkoholgehalt gibt’s einen Unterschied: der Negra Mole hat 12,5 % Alkohol, der Touriga 14 %. Da ist schon klar, welches der Mittags- und welches der Abendwein ist…
Arvad Wine
Sitio da Abicada
8400-167 Estômbar
Tel. +351 968 494 049
arvad.pt
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[Besucht am 19. Februar 2025 | Alle Beiträge Wein&Winzer Algarve]
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Besucht im Rahmen der Wine & Travel Week Porto mit Post Tour Algarve
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