Merkwürdiger Name: Weingut des Linkshänders! Aber wenn man als Tourist kommt und außer por favor – obrigado – dois copos de vinho kein Portugiesisch kann, klingt’s ja sogar irgendwie hübsch: Quinta do Canhoto. Das Weingut liegt am nördlichen Stadtrand der Touristenhochburg Albufeira, nur weniger Kilometer von den malerischen Sandstränden und Buchten der Küste entfernt. Kein Wunder also, dass Tourismus eine große Rolle spielt. „Wir hatten im vergangenen Jahr 12.000 Besucher!“, sagt Sofia Gabriela Lobo. Sie ist für den Weintourismus auf der Quinta zuständig und führt uns durch die Garten- und Rebenlandschaft rund um die Quinta. Bei einer Jahresproduktion von rund 50.000 Flaschen kann man sich denken, wo die bleiben: Weinproben mit den Touris, was für den (Urlaubs-)Kühlschrank und vielleicht auch für zu Hause. Da muss man sich nicht groß Gedanken um den organisierten Export machen, denn „auf diese Weise geht unser Wein auch ohne Importeure in die anderen Länder!“
Quinta do Conhato: wie kam es eigentlich zum Linkshänder-Namen? Kurz und flapsig: weil der Bauernhof schon immer so hieß! Natürlich hatte sie ihren Spitznamen von jemandem, der dort arbeitete und Linkshänder war – in den nicht wirklich immer guten alten Zeiten galt sowas ja noch als komisch und war allemal einen Spitznamen wert – wenn’s gut lief. Aber auch António da Libânia, der 1958 das Projekt ins Leben gerufen hatte, war Linkshänder – also blieb es bei dem Namen. Heute ist der Name zum Markenzeichen geworden, und man muss auch gar nicht Linkshänder*in sein, um dort zu arbeiten. Aber es hilft natürlich…, und die Önologin Josefina ist Linkshänderin. So gesehen sind eben alle Weine dieses Weinguts ganz locker mit links gemacht…
Das Anwesen umfasst 22 Hektar, elf davon sind mit Wein bestockt. Auf dem Rest stehen Bäume – sehr alte Bäume! Darunter ein Johannisbrotbaum, der 400 Jahre alt ist (oder sein soll, war ja keiner dabei von Anfang an). Und es gibt Mandelbäume, die immer mal Anlass sind für die in der Gegend gern erzählte Geschichte, warum es in der Algarve so viele Mandelbäume gibt.
Die Legende besagt, dass in der Vergangenheit ein arabischer Prinz, der an der Algarve lebte, eine Prinzessin aus Nordeuropa geheiratet hat. In dem Land der Prinzessin gab es Schnee und sie liebte die weiße Landschaft. Als sie hier an der Algarve ankam, gab es dort natürlich keinen Schnee. Die Prinzessin ist also glücklich mit ihrem Prinzen – aber sie vermisst den Schnee sooo sehr. Also beschließt der Prinz, in der ganzen Algarve Mandelbäume zu pflanzen. Wenn die dann im Februar, März blühen, erinnerte das die Prinzessin an den Schnee. Und das sogar bei angenehmen Temperaturen, ohne zu frieren!
Viele Worte beginnen im Portugiesischen übrigens mit Al und erinnern damit an die jahrhundertelange Herrschaft der Araber in der Algarve. Albufeira (die Stadt nahe bei) zum Beispiel, aber auch das Wort für Mandel: heute sagt man zwar in Portugal amendo, aber in der Vergangenheit war das almond – wie heute noch im Englischen oder in Spanien. Johannisbrot, das auf den alten Bäumen wächst, heißt auf Portugiesisch übrigens alfarruba… und mit Mandeln, Johannisbrot (und Feigen) hat man auch gleich die drei Produkte, die man normalerweise in den traditionellen Desserts der Algarve finden kann.
Zurück zum Wein. Auf Kalkstein und Löss-Lehm-Böden wachsen unterschiedlichste Sorten, wobei man (so war wohl der Zeitgeist Anfang diesen Jahrhunderts) auf einen Mix aus klassisch-portugiesischen einerseits und internationalen Sorten andererseits setzt. Die Weine sind in der Regel Cuvées aus beiden Welten – der nahen regionalen und der großen weiten. Auf dem ältesten Weinberg der Quinta geht’s nahezu autochthon zu: Antão Vaz wird nur an der Algarve und im Alentejo angebaut. Weil sie hohe Temperaturen und viele Sonnenstunden braucht, passt die Sorte gut in die Gegend. „Sie gibt einen fruchtigen Wein mit tropischen Noten“, verrät uns Sofia. Meist geht Antão Vaz eine Ehe mit einer anderen Sorte ein – die Linkshänder bauen sie aber reinsortig aus. Und damit ist’s nicht Experiment genug: im vergangenen Jahr hat man daraus den ersten Orange-Wein gemacht…
Ein weiterer Pluspunkt von Antão Vaz: Die Reben brauchen nicht viel Wasser. Man sollte meinen, der Umgang mit wenig Wasser sei an der Algarve über Jahrzehnte erprobt. Stimmt, aber auch hier spürt man den Klimawandel, in vielen Jahren kommt im Winter einfach zu wenig Wasser herunter (in diesem, erfuhren wir unterwegs, sei es genug gewesen. Das können wir zumindest von einem Januar-Sonntag bestätigen, wo uns der sturzflutartige Regen akustisch beinahe einen Podcast komplett verrauscht hätte). Also galt es, eine kluge Wasserbevorratung parat zu haben. Die eine ist ein optisches Schmankerl – ein See, Typ: romantisch und dennoch nützlich. Also voll touristenfreundlich, wobei da natürlich auch die Kois ihren Anteil haben. Offizielle Aufgabe der Fische ist natürlich, für die Sauberkeit des Wassers zu sorgen.
Der See dient allerdings nur zur Bewässerung des Gartens und der Bäume. Für die Weinberge gibt es (weniger romantisch aussehende) graue Gebäude über Auffangbecken. Die sind bis zu 140 Meter tief, da passt ’ne Menge Wasser rein. Dennoch soll auch das sparsam eingesetzt werden – mit planvoller Bewässerung von Teilgründstücken, mit Schläuchen unter der Erde und mit nächtlicher Bewässerung, damit möglichst wenig verdunstet. Dann läuft das Wasser allerdings lange, damit es tief in die Erde einsickern kann – und die Rebwurzeln sich quasi danach strecken. Denn in der Tiefe gibt’s nicht nur Wasser, sondern auch Mineralien – gut für den Wein. Wem das nach sehr überlegtem nachhaltigen Denken klingt, liegt nicht ganz daneben – auch beim Düngen ist man möglichst nahe an der Natur, ohne (derzeit) nach einer Zertifizierung zu streben. Das Papier, lernen wir, sei doch gar nicht so wichtig, „unsere Zertifizierung ist die Gesundheit der Trauben.“
Manchmal lohnt’s sich auch, mit jahrhundertealten Traditionen zu brechen. Während früher die Rebzeilen in den Weinbergen in Ost-West- oder Süd-West-Richtung angelegt waren, stehen die Neuanpflanzungen nun in Nord-Süd-Ausrichtung. Auf diese Weise ist es für die Trauben kühler, die frischen Brisen vom Atlantik können besser durch die Rebzeilen – und im Ergebnis gibt es Weine mit weniger Alkohol und mehr Säure – mithin: frischere Weine!
Kleine Weinprobe
Esquerdino ist der Name der Weinlinie – und siehe da: auch das ist portugiesisch (was sonst?) und bedeutet ebenfalls linkshändisch (man ist auch geneigt zu fragen: was sonst?). Sie ziehen das also durch, inklusive der Handabdrücke auf den Etiketten.
2023 Esquerdino Reserve, Antão Vaz & Crato Branco. Cuvée aus zwei autochthonen portugiesischen Sorten. Antão Vaz ist zu 40 % dabei und bringt Struktur und Aromaintensität, während Crato Branco (die restlichen 60 %, auch als Síria bekannt) Frische und eine feine Würze einbringt. In der Nase entfaltet sich ein intensives Bouquet von reifen Zitrusfrüchten wie Limette und Grapefruit, begleitet von weißen Blüten und einem Hauch tropischer Früchte wie Ananas – typisch für Antão Vaz. Subtile mineralische Noten, die an nassen Kalkstein erinnern, und eine leichte Kräuterwürze von Crato Branco runden das Profil ab. Am Gaumen zeigt er eine harmonische Balance zwischen cremigem Volumen und lebendiger Säure, mit einer seidigen Textur und einem Hauch von Salzigkeit, der das maritime Terroir widerspiegelt. Ein perfekter Begleiter zu gegrilltem Fisch wie Dorade, Meeresfrüchtesalaten oder cremigen Ziegenkäsen.
2022 Esquerdino Rosé, Colheita Selecionada. Dieser Rosé wird aus der Rebsorte Touriga Nacional hergestellt, die in Portugal für ihre aromatische Intensität geschätzt wird. Die Trauben werden für den Rosé früh geerntet, typischerweise im August, um eine hohe Frische und wenig Phenolreife zu bewahren. Die Vinifikation erfolgt durch sanfte Pressung mit kurzer Schalenkontaktzeit, um die zarte lachsrosa bis terracottafarbene Tönung zu erzielen. Die Gärung findet bei kühlen Temperaturen (ca. 17 °C) in Edelstahltanks statt, um die Fruchtigkeit zu betonen und die Reinheit der Aromen zu bewahren. Der Rosé verführt mit einem frischen, fruchtigen Bouquet von roten Beeren wie Himbeere und Erdbeere, gepaart mit subtilen floralen Noten, die an Rosenblätter erinnern. Am Gaumen zeigt er eine angenehme Balance zwischen Volumen und Lebendigkeit, mit einer knackigen Säure und einer feinen Mineralität, die ihn von gewöhnlichen Rosés abhebt. Der Abgang ist elegant, lang und ungewöhnlich komplex für einen Rosé – perfekt zu gegrilltem Fisch, Meeresfrüchten oder einem Sommergericht mit Geflügel.
2022 Esquerdino Tinto, Colheita Selecionada. Dieser Rotwein ist eine Cuvée aus Touriga Nacional, Syrah, Alicante Bouschet und Cabernet Sauvignon – eine kraftvolle Kombination, die typisch für die modernen Weine der Algarve ist. Die Trauben werden – wie der Name mehr als andeutet – selektiv geerntet (Colheita Selecionada). Klassischer Ausbau bei einer kontrollierten Temperatur von 20º C mit einer 15-tägigen Maischegärung. In der Nase entfaltet sich ein intensives Aroma von reifen Herbstfrüchten wie schwarzer Johannisbeere, Feige und einem Hauch von getrockneten Kräutern, ergänzt durch eine würzige Nuance von Syrah und die dunkle Tiefe des Alicante Bouschet. Am Gaumen ist er vollmundig, weich, mit seidigen Tanninen und einer ausgewogenen Säure. Im Abgang ein Hauch von salziger Mineralität. Ein großartiger Begleiter zu geschmortem Wildgeflügel, fettem Fisch aus dem Ofen oder gut gewürztem Venusmuschelreis.
Quinta do Canhoto
Estr. dos Brejos
Torre de Mosqueira
8200-316 Albufeira
Tel. +351965004672
quintadocanhoto.com
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Besucht im Rahmen der Wine & Travel Week Porto mit Post Tour Algarve
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