Die portugiesische Sprache kann ganz schön blumig sein. Ao Sabor da Maré heißt nicht nur ein Song, der den Sonnenuntergang hier bei Portimão beschreibt, sondern auch eine Bummelwanderung entlang der westlichen Sandbank der Ria de Alvor, welche die Lagune vor dem Meer schützt: dem Geschmack der Gezeiten folgen. Nun ja: wir folgten dem Weg, der als PR2 PTM ausgeschildert und Teil des Wandernetzwerks der via algarviana ist. Auf der anderen Seite der Lagune waren wir ja vor langer Zeit schon mal unterwegs – und während es seinerzeit sehr ruhig und nahezu tourifrei zuging, muss man auf diesem Weg mit mehr Verkehr rechnen. Aber im Januar hielt es sich in Grenzen…
Wir suchten (und fanden) einen Parkplatz am Fischerhafen von Alvor. Das ist strategisch günstig, denn nach der Wander-Acht entlang der Lagune, der Meeresküste bis zur Landspitze Ponta do Medo Grande und zurück wollten wir noch irgendwo einkehren (es gibt einige Restaurants direkt am Hafen und etliche in Alvor) und durchs Städtchen bummeln.
Los geht’s im Schneckentempo, denn freundlicherweise gibt es hier Info-Tafeln (zweisprachig portugiesisch-englisch), die zu lesen sich lohnen – man lernt ja nie aus. Als Kind der (ostfriesischen) Küste sind mir ja Begriffe wie Wattenmeer, Gezeiten, Marschen und derlei mehr vertraut – aber was ein Ästuar ist, war mir bislang so kein Begriff. Die „der Flut ausgesetzte Flussmündung“ (Wikipedia) bringt durch den Gezeitenwechsel spannende Wassermischungen zwischen Süß-, Brack- und Salzwasser mit sich. „In seiner scheinbaren Monotonie sind Marsche hochproduktive Lebensräume“, lese ich auf einem der Poster und liebe die Formulierung, dass „sich durch eine langsame Ablagerung von Sedimenten und Nährstoffen ein flauschiger, dunkler Boden“ bildet. Der Gezeitenzyklus bestimmt den Rhythmus im Ästuar. Fischer suchen bei Ebbe Muscheln und Herzmuscheln, Wasservögel suchen und finden eine Unmenge kleiner Lebewesen, die sich im Sand vermehren oder in den kleinen Bächen gefangen sind, die ins Meer fließen. Touristen suchen beides für tolle Fotos und werden nicht zwingend fündig – nicht nur Papier ist geduldig, Info-Tafeln sind es auch!
Der erste Teil des Wegs führt über breite Holzstege – das hatten wir ja schon häufiger und finden es gut, weil so die Trampelwut vieler Touristen gar nicht erst stattfindet und die empfindliche Landschaft nicht leidet. Mittendrin ist man trotzdem – und wer Sand oder Schlick an den Füßen vermisst: da gibt es Stellen, an denen man sich dem Naturgenuss hingeben kann. Ab und zu ein Blick zurück lohnt sich hier besonders, denn es ergeben sich immer wieder andere (und immer wieder schöne) Blicke auf Alvor mit dem davorliegenden Hafen, auch von einer Brücke übers Wasser – das auch bei Niedrigwasser einige Prile führen.
Zwischenstopp im Schlick: Als wir dort waren, hatten wir auflaufend Wasser (Niedrigwasser etwa halb elf, Hochwasser kurz vor fünf Uhr nachmittags). Dennoch sahen wir trocken gefallene Schiffe und konnten die Prile – die Wasseradern für Zu- und Abfluss – gut erkennen. Später, als wir das Mündungsgebiet vom Ribeira de Odiáxere und vom Rio Alvor erreicht hatten, war da schon deutlich mehr Wassser zu sehen – etwas, was vielen Wattwanderern nicht bewusst ist: wie schnell (und mit welcher Strömungswucht) das Wasser kommt und geht.
Vom Schlick des Binnengewässers zum feinen Sand der Praia do Alvor direkt am geht’s rund 400 m quer über die Ponta do Medo Grande. Das glitzernde Wasser des Atlantischen Ozeans, das gleißende Licht der Mittagssonne mit den feinen Cirro-irgendetwas-Wölkchen und die flauschig-freundlichen Cumulus-Wolken überm Monchique-Gebirge im Hintergrund sind unsere Begleiter, aber man muss ja nicht nur als Stip-Guck-in-die-Luft herum kaufen: Blick zurück den Strand entlang bis zur Praia dos Três Irmãos oder Blick nach unten, um im festen Sand so etwas wie Miniatur-Prile zu erkennen – ein faszinierendes System, in dem sich das Wasser seinen Weg bahnt.
Der Staudamm zur Flussmündung markiert das Ende des Strandes. Wir sehen die beiden Leuchttürme – einen auf unserem (!) Damm, den anderen am Ende von Meia Praia. Sie sind von der Sorte praktisch, aber unspektakulär – weswegen der Blick von weitem reichen muss. Stattdessen liefen wir in die andere Richtung flussaufwärts, um dann weitgehend durchs Innere der Landzunge die Acht zu komplettieren. Nicht viel zu sehen bis auf den letzten Teil, wo die langsam voll laufende Binnenbucht (auf die wir anfangs von der Holzsteg-Brücke gesehen hatten) einen postkartenschönen Abschlussblick bot.
Gleich das erste Restaurant an der Strandpromenade machte einen ordentlichen Eindruck – touristisch würde hier eh alles sein, wie auch sonst? Aber uns gefiel die Möglichkeit, halb geschützt im Glaskasten draußen zu sitzen – man gönnt sich ja sonst nichts an einem dritten Januar. Der Service machte im ersten Moment einen mürrischen Eindruck, aber das mussten wir ab Moment zwei korrigieren und konnten das bis zum Schluss so festhalten: war gut drauf, war nett. Flink ging’s auch, ohne je gedrängt zu werden: also alles gut.
Die Karte liest sich so, wie man es an einem Hotspot wie diesem (Hafenpromenade!) erwartet: nichts besonders, aber ordentlich. Viele Tapas, Hamburger, Salate, Crepes – aber auch was mit Fleisch und (natürlich!) Fisch. Wir hatten uns was aus der Tapas-Auswahl zusammengestellt und wurden nicht enttäuscht, denn alles war ordentlich (also nicht wirklich sensationell, aber auch gar nichts irgendwie doof). Und die Preise empfanden wir für diese location mehr als fair. Knoblauchbrot (Pão com alho 2.80 €), Pommes (Batata frita 3,90 €), Hähnchenflügel (Asinhas de frango fritas 6,50 €), Gefüllte Tintenfische (Lulinhas fritas à Algarvia 12,90 €) und Gambas (15,90 €) passten zur Stimmung.
Und zum Essen passte natürlich ein Wein. Wie fast immer fällt die Auswahl an nicht unbedingt bekannten Weinen nicht leicht, aber wenn die Flaschenweine zwischen 14,50 € und 19,50 € kosten, kann man nichts wirklich falsch machen. Wir entschieden uns für einen 2023 Altitude Duorum aus dem Douro (17,90 €). Laut Karte aus den vier Rebsorten Rabigato, Arinto, Códega do Larinho und Gouveio gekeltert, laut Etikett allerdings nur aus Gouveio, Arinto und Rabigato. Aber so oder so ist das ein typischer Douro-Mix, der in seiner frisch-fruchtigen Art auch an der Algarve schmeckt!
Restinga Ria
Marginal de Alvor
8500-021 Alvor
(Es gibt auch ein Restinga am Strand – aber das hatte geschlossen)
[Besucht am 3. Januar 2025 | Unsere Restaurantbesuche an der Algarve]Wieso auf diesem Bild ausgerechnet ein anonymer Fischer aus dem Jahr 1913 zitiert wird, weiß ich nicht. Aber der Spruch „Weg mit dem Weinberg, in dem schon ein wenig Essig ist“ gefällt mir! Das Bild auf dem Foto vermittelt einen sehr dörflichen Charakter. Das mag vor 100 Jahren so gewesen sein, ist aber heute nur noch in abseits gelegenen Gassen annähernd so. Die kann man zwar immer noch finden, aber die Hauptachsen von Alvor sind auf größere Touristenmengen ausgelegt.
Den gemütlich-romantischen Teil von Alvor findet man eher beiläufig. Von den Reusen der Fischer im geschäftigen Teil des Hafens bis zur schmusekatzenumschmeichelten Kartoffelschälerin auf der Stufe vor dem Haus im Schatten der Bougainvillea ist quasi nichts gesetzt und alles möglich. Die abendliche Stimmung mit den kleinen Booten vor der Uferpromenade hat da – bei jährlich über 300 Sonnentagen in der Gegend – eine höhere Gelinggarantie…
Alvor war vor dem Tourismus in erster Linie ein Seemannsdorf, so dass sich die meisten Einwohner seit Generationen dem Fischfang verschrieben haben. Da wundert man sich nicht, dass eine Skulptur am Rande des Kreisverkehrs am Hafenende den Fischern gewidmet ist. Der Bildhauer ist Joao Cutileiro, er hat den Fischer und (s)einen gefangenen Fisch modelliert. Mitten im Kreisverkehr hat Carlos de Oliveira Correia den im Juni 2020 neuen Kreisverkehr am Ende der Uferstraße mit einem Skulpturenensemble bereichert – die Motive sind natürlich auch maritim und zeigen den Muschelsammler und die Frau, die an Land arbeitet, um die Ausrüstung mit Ködern zu bestücken. Der Metall-Künstler ist an vielen Orten der Algarve aktiv, bekannt gemacht haben ihn außerhalb der Kunstwelt seine Plastikmüll-Eisenfische – weltweit die einzigen Fische, die den Müll ausdrücklich haben wollen, damit er nicht in der Landschaft landet!
Als wir 2017 in Alvor waren, war die Hauptkirche Igreja do Divino Salvador de Alvor noch mit gelben Streifen abgesetzt. 2025 war da nichts mehr gelb, sondern die Kirche war blau. So kann man alte von neuen Bildern der vermutlich zwischen 1496 und 1520 erbauten Kirche gut erkennen. Sowohl Haupt- als auch das Nebenportal sind mit vegetabilen und anthropomorphen Motiven verziert, darunter menschliche Figuren, Tiere, Blätter, Blumen und Szenen mit militärischen oder religiösen Symbolen – die Kirche im manuelinischen Stil gilt als eins der schönsten und komplexesten Beispiele dafür an der Algarve. Wie so oft, liegt auch diese Kirche auf dem höchsten Punkt der Stadt – von hier an geht’s also immer irgendwie bergab.
Von außen deutlich unauffälliger wirkt die Igreja da Misericórdia de Alvor in der Nähe der Praça da República im Herzen der Altstadt. Die Kirche ist der Rainha Santa Isabel (Königin Elisabeth von Portugal) geweiht, die 1625 heiliggesprochen wurde. Ihr Fest wird am 4. Juli mit einer Messe gefeiert, und alle drei Jahre findet eine größere Feier zu ihren Ehren statt, die viele Besucher anzieht. Ein herausragendes Buntglasfenster in der zur Straße zugewandten Giebelfront zeigt das Wunder der Rainha Santa Isabel, bei dem sie Brot in Rosen verwandelte. Azulejos (Fliesen) mit Darstellungen von Nossa Senhora da Misericórdia und anderen religiösen Motiven schmücken den Innenraum. Zur Weinachtszeit kommt eine sehenswerte Krippe hinzu – sie gilt als die größte der Gemeinde.
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