Natürlich schauen die Winzer in diesen Tagen aufs Thermometer. Denn es ist kalt – jahreszeitlich nicht ungewöhnlich, der Volksmund weiß ja: es sind die Eisheiligen in diesen Tagen. Pünktlich sind die schon lange nicht mehr, aber wer außer der Kachelmann Jörg führt schon so genau Buch? Im vergangenen Jahr kamen die Herrschaften fünf Nächte hintereinander und trieben es über die Maßen dolle – so wurde den Winzern in Sachsen die Ernte ziemlich verhagelt, um es einmal im meteorologisch sehr schiefen Bild zu formulieren. „Vor allem bei den Burgundern hatten wir Einbußen von 85 Prozent!“, weiß Georg Prinz zur Lippe zu berichten. Mit den verblieben 15 Prozent ließ sich natürlich nicht wirtschaften, weswegen in Zusammenarbeit mit dem befreundeten Weingut Bercher in Baden (das wie Schloss Proschwitz ein VDP-Betrieb ist) die Serie „Die Eisheiligen“ entstand: drei VDP-Gutsweine (also die einfachste der vier Qualitätsstufen), gewachsen, geerntet und verarbeitet in Baden – aber von Proschwitz-Mitarbeitern in einem eigens angemieteten Keller. Terroir ist eben doch mehr als Boden, es sind auch die Ideen in den Köpfen der Macher.
Das Ergebnis sind (Guts-)Weine, die Baden auf dem Etikett stehen haben, aber irgendwie doch proschwitzig schmecken. Weiß- und Grauburgunder sowie Rosé vom Spätburgunder gibt’s schon, der rot ausgebaute Spätburgunder liegt naturgemäß noch ein wenig im Keller. Die Weine sind damit in diesem Jahr ein wichtiger Mosaikstein im Angebot von Schloss Proschwitz – das soeben vom anerkannten Online-Fachmagazin wein.plus in der abgelaufenen Verkostungssaison 2024/2025 mit dem Titel “Kollektionen des Jahres” ausgezeichnet wurde. „Das verleihen wir an Weingüter, die uns in der abgelaufenen Saison besonders positiv aufgefallen sind und die uns mit besonders eigenständigen Weinen und Sortimenten überzeugt haben“, heißt es in einer Mitteilung des Magazins. Die ausführlichere Begründung: „Gut und empfehlenswert waren die Weine von Schloss Proschwitz schon immer, doch zuletzt scheinen uns die Weine noch einmal ein ganzes Stück feiner, ausgefeilter und charaktervoller geworden zu sein. Das große Sortiment, das wir aktuell probiert haben, zeigt keinerlei Schwächen. Ein ums andere Mal waren wir beim Aufdecken erstaunt, welche Qualitäten uns aus Meißen erreichten. Unsere erste “Kollektion des Jahres” aus Sachsen seit langer Zeit – und wohlverdient!“
Mit dem Frost ist’s in diesem Jahr bislang gerade nochmal gut gegangen: „Wir haben keinen Frostschaden dieses Jahr – bisher. Es kommen noch zwei kalte Nächte, aber im Vergleich zum letzten Jahr sind wir dieses Jahr wieder in einem relativ normalen Rhythmus vom Austrieb und Austriebsentwicklung“, fachsimpelt der Weingutsleiter Björn Probst und schaut hoffnungsvoll auf die Junganlage, die gerade auf der Weinbaufläche bei Rottewitz entsteht. Mensch und Maschine sind hier unterwegs, um die pilztolerante Sorte Merlot-Khorus zu setzen. Die von einem italienischen Forscherteam gezüchtete Rebe ist widerstandsfähig gegen Frost und beide Mehltauarten. Schmecken soll der Wein natürlich auch, den die Winzer dann in einigen Jahren aus den Trauben keltern. Die Züchter beschreiben das önologisches Potental zumindest hoffnungsvoll: „Die Weine haben eine intensive rubinrote Farbe, leicht violett, mit guter Struktur und Körper, und sind gut geeignet für eine mittlere bis lange Verfeinerungszeit.“
Weil sie den Herausforderungen des Klimawandels besser begegnen können, gelten Sorten wie Merlot Khorus als „Zukunftsreben“. Neben 6.000 Merlot Khorus wurden auch 4.000 Sauvignac Reben gepflanzt – das wäre dann das weiße Pendant, deren Weine geschmacklich im Raum zwischen Riesling und Scheurebe schweben und spritzig sommerliche Weine ergeben (können). Aber neue Sorten alleine reichen natürlich nicht – zumal die Winzer ja auch in normalen Zeiten auch nicht auf die bewährten Burgunder oder Rieslinge verzichten wollen. Also drehen sie an den unterschiedlichsten Stellschrauben. Der Vorteil der Neuzüchtungen, vor allem im biologisch betriebenen Weinbau: man braucht weniger Spritzungen gegen die Krankheiten – Faustregel: zwei bis drei statt zehn bis zwölf. Weniger zu spritzen bedeutet in der Regel auch: weniger Überfahrten mit dem Trecker, mithin weniger Bodenverdichtung. Ein lockerer Boden aber schwebt Björn Probst vor: „Ziel ist es, im Turnus von drei bis vier Jahren einmal den Betrieb durchgelockert zu haben“, sagt er (und meint natürlich den Boden, denn mit dem Trecker durch die Verwaltung zu fahren, bringt ja nichts).
Die Maschine hinter dem Trecker arbeitet bis auf 55-60 Zentimeter Tiefe und lockert „wirklich auch alte Verkrustungen auf“. Auch das gilt natürlich für den Boden, aber irgendwie spielen ja nicht nur Maschinen eine Rolle. Prinz zur Lippe, der in seinem früheren Leben mal Unternehmensberater war, weiß das natürlich und sagte: „Du kannst so was nur umsetzen, wenn derjenige, der diesen Betrieb hier draußen leitet, es will. Wenn er das nicht will, geht es nicht. Es ist hier wirklich eine sehr, muss ich sagen, personenabhängige Situation!“ Mit Björn Probst hat er aber jemand, der es durchzieht und auch seine Mitarbeiter motiviert, den ökologischen Weinbau aktiv mitzugestalten. Dazu gehört auch, die Reben mit ausgesuchten Mitteln wie Ackerschachtelhalm, Scharfgarbe, Baldrianblüten, Algen- oder Knoblauchextrakt zu stärken. Starke Reben brauchen weniger künstliche Pflanzenschutzmittel – und das große Ziel ist es, „in optimalen Jahren ganz auf den Einsatz von Kupfer zu verzichten“, sagt Björn Probst. Während manche Ideen also eher an die vor mehr als tausend Jahren wirkende Hildegard von Bingen erinnern, gesellen sich seit fünf Jahren neue Erkenntnisse der Wissenschaft hinzu.
Martin Schieck ist Forschungsgruppenleiter am Smart Farming Lab der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Uni Leipzig. Das Ziel der Forscher ist, vereinfacht gesagt, Daten im Weinberg zu sammeln, auszuwerten und den Praktikern zur Verfügung zu stellen. Dafür hat die Uni reichlich Sensoren in den Weinbergen von Schloss Proschwitz verteilt. Die messen beispielsweise die Bodenfeuchte in drei unterschiedlichen Tiefen bis in die Blattzone. Die Sensoren liefern erst einmal jede Menge Daten, und die müssen dann – mit künstlicher oder menschlicher Intelligenz (oder einer Kombi aus beidem) – ausgewertet werden. Klingt einfach, ist es aber nicht: die Daten so aufzubereiten, dass sie tatsächlich den Winzern bei ihren Entscheidungen helfen. Was auch heißt: nicht irgendwann, sondern möglichst schnell, unverzüglich, sofort. „Das sind die die Fragestellungen, die wir uns da anschauen,“ sagt Schieck. Viele Erkenntnisse (und dadurch Hilfen) kommen schon aus der Zusammenarbeit, aber dann gibt es natürlich auch noch Rückschläge. Die einen kommen aus dem großen Bereich der Bürokratie (was nicht verwundert, es aber nicht besser macht…), die anderen – und da wird’s schon fast philosophisch – aus dem Fortschritt: weil die Technik immer besser wird, hinken mühsam gewonnene Erkenntnisse schnell der Wirklichkeit hinterher. Aber davon leben ja die Wissenschaftler: sie müssen halt weiter forschen…
Schloss Proschwitz
Heiliger Grund 2
01662 Meißen OT Proschwitz
Tel. +49 3521 / 40 60 0
www.schloss-proschwitz.de
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