„Gemüse können sie!“, sagte die Frau anerkennend als Fazit am Ende des Abends – aber wir waren nicht in einem vegetarischen oder veganen Restaurant und hatten auch Fisch und Fleisch im 5-Gang-Menü. Das war freilich dezent eingesetzt: die Geschmäcker mit den harmonisch abgestimmten Wunschrichtungen salzig – süß – bitter – sauer und umami kamen hauptsächlich vom entsprechend ausgesuchten und kochtechnisch vorbereiteten Gemüse. Das alles auch noch farbenfroh angerichtet und vom gut gelaunten und wissenden Service gebracht – da muss man das Eingangsstatement ergänzen: den Rest können sie aber auch in der Elbuferei!
Wir waren zum Kochsternstunden-Menü da, das schon beim vorbereitenden Lesen zwei Gedanken frei setzte: zum einen bemerkten wir die Fortsetzung des vor einigen Jahren eingeschlagenen Küchenstils: das Team um Küchenchef David Schöbel macht klare Ansagen und greift im Prinzip auf eher einfache und bekannte Zutaten zurück. Was man nicht lesen kann, aber aus dem Vorjahresbesuch in der Elbuferei ahnt: auch simple Komponenten können für Überraschungseffekte sorgen. Gedanke zwei kam beim Lesen der Weinbegleitung und war begleitet von einem Stoßseufzer der Erleichterung, denn als die Elbuferei eröffnet wurde, war der Anspruch an die Küche hoch und das Niveau der Standard-Weinkarte vergleichsweise niedrig. Zum Menü gab’s aber nur Sachen, die nicht auf der immer noch nicht arg angemessenen Weinkarte des Hauses stehen.
Das zu ändern ist wohl auch die Aufgabe von Max Kunschmann, der seit vergangenem Herbst als F&B Manager im Haus die kulinarischen Geschicke des Hauses überwacht. Er ist in der Dresdner Szene ja kein Unbekannter – und man weiß, dass er sich mit (guten) Weinen auskennt. In einer alten Pressemeldung des Hotels las ich den Mut machenden Satz: „Der IHK Sommelier mit WSET Wine Level 3 wird sein besonderes Augenmerk auf den Ausbau der Weinkarte und das Winepairing im Restaurant & Bar ElbUferei legen.“ Spoiler: das Zusammenspiel der Getränke mit dem Essen hat bestens geklappt.
Der Max ist aber nicht nur im Büro, sondern auch am Gast – was ein Erlebnis ist. Er ist (nicht nur bei uns, die wir uns kennen, sondern auch an den Nebentischen) ein dem Gast zugewandter Mensch, der gut erklärt, aber auch zuhört und mitreden kann (so dass gewünscht ist und die Zeit bleibt). Das färbt natürlich aufs Team ab, bei den anderen Bedienungen konnten wir es ähnlich beobachten.
Genug der Vorrede, das Essen kommt! Brot ist in der Elbuferei – wie auch bei anderen Restaurants mittlerweile – aus der Beliebigkeit des achtlos nebenbei Vorschnurpelns heraus genommen und zum eigenen Gang erhoben. Hier mit frisch aufgebackenem (und daher außen röschen und innen lauwarmem) Brot von Elias Boulanger, dem man das Handwerkliche anschmeckt. Dazu gab es als Aufstrich Nussbutter und Lauchöl. Liest sich leicht, könnte ich aber zu Hause nicht so schnell so hinbekommen – ein Grund, weswegen sich Restaurantbesuche ja lohnen! Das sehr grüne Lauchöl schwamm in einer Vertiefung der Butter, was schon ein wenig Akrobatik für einen unfallfreien Transport zum Brot erforderte. Zumal der Teller mit dem Aussehen eines Lavasteins auch nicht als Notaufnahme für ausgelaufenes Öl infrage kam. Aber so hat man auf jeden Fall Gesprächsstoff am Tisch!
Nach dem Brot-Apero kam zum Start des eigentlichen Menüs zuerst der Wein, so wie es sich gehört. Ein Riesling, wie schön! Einer aus der Heimat des Riesling, dem Rheingau – sogar von Schloss Johannisberg. Da war ich ja schon mal und musste mich schon damals wundern, wie engstirnig-rückwärtsgewandt man auch an der breitesten Stelle des Rheins sein kann. Auf dem Rücketikett unserer Flasche (Quatsch: der Flasche, aus dem unser Glas den Wein bekam!) steht nämlich: „Mitten durch die Rheingauer Weinberge verläuft der 50, Breitengrad, der weltweit die nördlichste Grenze für den Anbau von Wein markiert.“ Auf dem Bild sieht man („auf fünf Uhr etwa“) eine Säule, die darauf hinweist. Auch die Webseite zum Wein beharrt darauf, das nördlich von 50° kein Weinbau möglich ist. Hallo, liebe Marketing-Leute, kommt doch mal nach Sachsen und Saale-Unstrut! 51 ist das neue 50, und selbst das sagt hier angesichts des Klimawandels keiner laut. Aber egal: sie haben im Rheingau ja nur den 50. Breitengrad, damit kann man leben. Und der 50° RIESLING TROCKEN 2023 ist ein typischer Vertreter seiner Art. Ordentlicher Zug und passend zur Vorspeise.
Auf der Karte stand: Gebeizte Lachsforelle | Wildkräuter | Salz-Orange | Blumenkohl. Auf dem Teller war: ein Gemälde, mit Abstufungen von Rot und Varianten von Orange. Im Mund gab’s: Wow-Momente. Oder, wie der Küchenchef gerne sagt: „Im Mund muss Silvester sein!“ Sein Bestreben, alle Geschmacksknospen von sauer bis scharf und von süß bis salzig anzusprechen, ist nachschmeckbar der rote Faden bei der Komposition des Gerichts. Aber auch das Spiel der Texturen (cremig vs. crunchy) sorgt für Abwechslung. In diesem Gang war der eigentliche Star der Blumenkohl, der mal (Rotkohl sei Dank) als rote Rose und mal als Crunch in orange auftauchte. Die Salz-Orange sorgte für angenehmes Bitter, und die Lachsforelle war dann am Ende doch nicht so unwichtig fürs gustatorische Gesamtbild – und auch anders gebeizt als man es vom normalen Einkauf her kennt. Unser Lieblingsgang an diesem Abend!
So wie hier den Blumenkohl, so entdeckten wir (ohne je gesucht zu haben) auch in den anderen Gängen heimliche Hauptakteure. Beim Gruß aus der Küche stimmte die Möhre in verschiedenen Texturen (als Creme, als Sponge und bissfest eingelegt) in den Stil des Hauses ein, beim gebackenen Portobello („ein ziemlich groß geratener Champignon“, hier) kamen auch Buchenpilze (immer klein, manche weiß, andere braun) auf den Teller – und natürlich, damit es farblich nicht trist bleibt, was Grünes: knackiger Wirsing in diesem Fall). Zum Stubenküken gesellten sich wieder Möhren, aber natürlich anders als zum Küchengruß. Abwechslung, Baby, Abwechslung!
Das Zusammenspiel von Speisen und Getränken habe ich ja schon eingangs erwähnt, bin aber ein Beispiel schuldig geblieben. Denn mehr noch als „passt!“ macht es ja Spaß, den Wein beim essen anders zu erleben als davor oder danach. So passiert beim savvy Sauvignon Blanc von der Nahe-Lieblingswinzerin Anette Closheim. Die Idee zum Savvy sei auf der Fahrt nach Dresden (zum Weiberabend!) entstanden, hat sie zehn jahre danach in unserem Podcast „Auf ein Glas“ erzählt. Nun haben wir also den 23er Jahrgang im Glas, und er ist erwartungsgemäß sehr sehr grün. Grüne Paprika im Mund, das ist so gewollt. Dann aber bringt der Max die Pilze mit dem Wirsing – und nach Portobello im Mund fehlt dem Savvy die zuvor als etwas störend empfundene grüne Spitze. Er schmeichelt sich ein, der Schelm! Pro-Tipp für Leute, die den Sauvignon Blanc lieber gelbfruchtiug mögen: zum Essen (zu diesem!) auftrinken. Denn danach kommt die Paprika zurück.
Vor dem Hauptgang schickt die Küche als Aufräumer ein Apfelsorbet, auf dem es sich wie ein Sahnehäubchen türmt. Aber das wäre ja kontraproduktiv, also sieht es nur so aus und ist Meerrettich als Espuma – mehr locker-luftig geht nicht. Dem Apfel, der auf Liebstöckel-Crunch liegt und mit einem Schnitz seiner selbst, aber schocktiefgefrostet, gekrönt ist, bekommt der Mix gut. Und dass es dazu nichts Alkoholisches gibt, sondern den prickelnden und alkoholfreien Weißduftig aus der Manufaktur von Jörg Geiger, passt ganz gut zum Aufräumkonzept. Natürlich ist da Apfel drin, aber auch Birne. Und Kräuter und Holunderblüte schmeckt man auch – herrlich erfrischend!
Stubenküken sieht man ja nicht so oft auf den Menükarten, aber das Fleisch der jungen Hühner ist schmackhaft. Der Fleischanteil ist trotz der Regel eine Portion gleich ein Stubenküken nicht zu groß, und wenn die Küche nett ist, bewahrt sie den Gast auch vor mühsamer Frickelei: die Keule war im Essbereich entbeint und als Roulade gewickelt und glich äußerlich fast der Brust. Neben den schon erwähnten Variationen der Karotten spielte ein Kürbis-Küchlein eine wichtige Rolle. Das sah aus wie eine Boulette, gekrönt von einem gebackenem Eigelb – und schmeckte so gar nicht vordergründig nach Kürbis, was ja durchaus positiv gewertet werden kann. Eine kräftige Jus wurde am Tisch angegossen und war rein umami-mäßig ein wichtiger Bestandteil der Komposition. Zum jungen Huhn gab es einen Spätburgunder Kupperwolf aus der Pfalz vom Weingut Borell-Diehl. Der trockene Edesheimer Rosengarten ist ein schöner Vertreter von deutschem Spätburgunder, mit würzigen Röstaromen und jugendlichen Tanninen.
Zum Abschluss des Menüs in der Elbuferei gab es noch mal Süßes: Feige mit Joghurt, Minze und Rauchmandel, dazu eine Riesling Auslese Westhofener Morstein vom Weingut Hirschhof aus Rheinhessen. Das klingt wuchtiger als es im Glas rüberkam, mit nur 10% alc gehört diese Auslese zu der eher trinkigen und nicht platt machenden Spezies – also passend zum Ausklang…
Menü
- Sauerteigbrot von Elias Boulanger
Nussbutter | Lauchöl - Gebeizte Lachsforelle
Wildkräuter | Salz-Orange | Blumenkohl - Gebackener Portobello
Buchenpilze | Wirsing | Senf - Apfel Sorbet
Liebstöckel | Meerrettich - Stubenküken
Kürbis | Karotte | Confiertes Eigelb | Pfeffer - Feige
Joghurt | Minze | Rauchmandel
Weinbegleitung
- White Port Tonic (Aperitif)
- 2021 Riesling QW50
vom Johannisberger Weinvertrieb KG Johannisberg, Rheingau - 2023 Sauvignon Blanc
Anette Closheim, Nahe - Weißduftig (alkoholfrei)
Jörg Geiger - 2021 Spätburgunder Kupperwolf, Edesheimer Rosengarten, trocken
Weingut Borell-Diehl, Pfalz - 2022 Riesling Auslese Westhofener Morstein
Weingut Hirschhof, Rheinhessen
Preis
Menü 79,00 € | inkl. Weinbegleitung 125,00 €
[Besucht am 11. Februar 2025 | Vorjahresbericht KSS | Zur Karte der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]Elbuferei
Leipziger Strasse 29
01097 Dresden
Tel. +49 35 144 81110
www.elbuferei.de
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Hinweis:
Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden
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