Rock’n’Roll im Musikerviertel

Kochsternstunden 2025: finesse (Dresden)

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Elvis lebt und charming Nicole bittet nach wie vor zum date: der äußere Rahmen im Restaurant finesse hat sich über die Jahre nicht geändert. Seit Oktober 2016 gibt es das finesse, beim Menüwettbewerb Kochsternstunden sind Elvis Herbek und Nicole Hieke seit 2017 dabei – und immer war Nicole unter den Servicebesten, drei Mal sogar auf Platz eins. Auch Elvis der Küchenchef schaffte es aufs Siegertreppchen, im vergangenen Jahr beispielsweise auf Platz 3. Es ist also gut, wenn Küche und Service harmonisch miteinander werkeln – und kleine Läden (ins finesse passen bei normaler Bestuhlung etwa zwei Dutzend Leute) haben es bei so einem Wettbewerb eh besser: da kommen Stammgäste und selten walk ins – man weiß also, worauf man sich einlässt und bewertet in der Regel entsprechend gut.

Aber man muss ja gar nicht Stammgast sein, um schnell zu realisieren: das Etikett klein, aber fein passt hier sehr sehr gut. Das merkt man schon vor dem Essen – persönliche Begrüßung am Eingang, Jacke entgegennehmen und zur Garderobe bringen, ein erster Scherz (es wird nicht der letzte sein, es wird viel gelacht im Loft an der Schützengasse). Das alles ist Aufgabe von Nicole, deren freundliche Fröhlichkeit ansteckend wirkt: es gibt Restaurants, in denen es sehr leise zugeht – und es gibt das finesse, wo es nicht laut, aber locker ist. Der ruhige Gegenpol steht allein in der offenen Küche und arbeitet ruhig und konzentriert vor sich hin: Elvis bereitet vor, kocht, richtet an und bringt den einen oder anderen Gang aber auch selbst zum Gast. Und er verlässt die Küche, wenn neue Gäste kommen und seine Partnerin sich gerade nicht selber sofort kümmern kann.

Das Menü begann spielerisch. Zur Brotzeit (einem kleinen Sauerteigbrot der handwerklich arbeitenden Dresdner Bäckerei Brot und mehr, frisch aufgepimpt – also warm!) gab es nicht nur einen Aufstrich und Pickles, sondern auch Bresaola auf der Wäscheleine. Was bei anderen Restaurants vielleicht irgendwo zwischen affig und affektiert eingestuft werden könnte: hier passte es – und war dann auch der Anfang eines Bogens, der in einer ähnlichen Kategorie endete, aber das wusste ich ja da noch nicht 😉

Eigentlicher Start ins Essvergnügen war dann die Consommé. Natürlich zeitgemäß serviert, also erst nur die (schöne!) Schale mit den festen Bestandteilen Buchenpilzen, Shiso und Malz und dann aus einer (passenden…) Teekanne die kräftige Brühe. Die blieb natürlich in der Kanne wunderbar heiß und dampfte dann wabernd vor sich hin, bis alle Fotos gemacht waren – sehr schön. (Anmerkung in eigener Sache: das eingangs benutzte Wort affig trifft ja durchaus auch auf unsereins zu, wenn vor dem Essen der jeweilige Gang ins rechte Licht gerückt wird, um dann wie ein Star fotografiert zu werden…) Also war die Brühe nach dem shooting immer noch heiß, kräftig-würzig war sie eh: prima also.

GrenzgängerZügig ging es weiter mit einem Rindertatar. Das gehört ja in die Schublade klassischer Gerichte, aber da der Senf als Eisnocke oben auf lag und die in der Karte schlicht als Erdapfel angekündigte Kartoffel sich auf dem Teller dann als ein feiner Stampf mit Hang zum cremigen Schaum zeigte, war’s dann eben doch nicht nur das einfache Gericht. Bis hier trank ich übrigens nur einen Wein: den Grenzgänger vom Weingut Friedrich Becker. Das liegt zwar in der Pfalz, hat seine Weinberge aber auch im benachbarten Elsass. Das erklärt den Namen Grenzgänger aber nur zu einem Drittel. Denn dieser Grauburgunder ist kein blasser Pinot Grigio, sondern eine ehrliche Haut: ein deutlicher Roséton schimmert da im Gegenlicht und macht deutlich: schaut her, ich bin ein Abkömmling vom Spätburgunder und trau mich auch, das zu zeigen! Das fehlende Drittel im Grenzgängertum füllt die Geschmacksgrenze – die wird weit in Richtung guter Geschmack verschoben bei den Beckers (Vater und Sohn tun sich nichts im Qualitätsdenken), ohne dass der Wein verkopft oder kompliziert ist.

Wein Nummer zwei an diesem Abend ist eine Spezialität von Jochen Dreissigacker aus Rheinhessen. Der macht mit einigen seiner Rieslinge aus den tollen Lagen rund um Bechtheim eine Cuvée, die an „die Magie der Grand Cuvée aus der Champagne (Zitat) erinnern soll. Dabei werden aber nicht nur Weine verschiedener Lagen miteinander vermählt, sondern auch über die Jahrgänge hinweg. In der Edition Nr. 4 ist der älteste Wein ein 2017er Jahrgang und der jüngste ein 2022er. Wie viel (oder wenig) von jedem drin steckt, ist kein Geheimnis, ist aber von Jahr zu Jahr unterschiedlich. So kommt also ein komplexer Wein ins Glas, mit moderater Restsüße und Säure. Kleine Schlucke reichen, denn der Riesling hallt nach! Und schmeckte vor, zum und nach dem Zwischengang: Knödel, aber aus und mit Blattspinat, Spitzkohl und reichlich Parmesan. Charming Nicole erinnerte es an Skiurlaub, mir blieb mangels Ski-Erfahrung immerhin das wohlige Gefühl, wenn man der Kälte des Alltags entkommen ist.

Bei Skrei, Süßkartoffel, Bio Ei und Szechuan kann man sich ja einen vollen Teller mit allerlei Bedenken vorstellen. Ich zum Beispiel zucke bei der Süßkartoffel, weil man die so herrlich schlecht anbieten kann. Vom viel zu tot gegarten Skrei ganz zu schweigen. Doch man muss ja auch mal Vorurteile zur Seite schubsen. Der Küchenchef brachte den Gang selbst an den Tisch: in einem tiefen Teller mit breitem Rand und vergleichsweise kleinem Inhalt arrangierten sich ein großes Stück vom Fisch, ein pochiertes Ei und (Aufatmen beim Autor!) Süßkartoffel als feine krosse Streifen oben drauf. Das brachte Farbe und Knusper, beides wichtige Kontrapunkte bei dem Teller. Szechuan als (unbedenklicher) Scharfmacher wurde als Sud angegossen, das Ei entließ nach dem Anstechen mit der Gabel das flüssige Gelb in den Sud, der Skrei war auf den Punkt gegart: so muss das sein! Zum Fisch gab’s übrigens den Hauswein aus dem finesse, einen Rotgipfler vom Weingut Rockabilly Weinkult. Rock ‘n Roll im Weinviertel? Na klar passt das irgendwie zum Elvis im Musikerviertel, aber nicht nur vom Wortspiel. Denn Qualität schmeckten wir auch beim Wein!

Wenn eingangs vom großen Bogen die Rede war, der mit Bresaola auf der Wäscheleine begann und dessen Ende adäquat sein sollte: Bitte schön: Schokolade mit Engelshaar und Pistazie – wer denkt da nicht an den Dubai-Hype? Aber natürlich kommt es auf die Interpretation an. Schokolade zum Dessert muss ja nicht schlimm sein, im Gegenteil (und nichts gegen Pistazie!). Serviert wurde die Kugel quasi schwebend über einem liegenden (genau!) Teppich – die Glasschale hatte einen doppelten Boden, wie Vor-Ort-Recherchen ergaben. Nicole empfahl, die nette und leicht goldig glitzernde Schokokugel aufzustoßen – aber wer wird sich denn so viel zerstörerische Mühe machen ,wenn einfaches Umdrehen auch geht? Ich nicht (die Gäste am Nebentisch schon, sie hörten brav auf ihre Servicekraft)! Also offenbarte sich das Dessert in seiner Zusammensetzung und konnte unfall- wie vorurteilsfrei verzehrt werden. Gerne mit einem Schluck süßen roten Likörweins aus Patras, denn manche mögens’s süß…

Menü

  • Brotzeit
  • Consommé
    Buchenpilz | Shiso | Malz
  • Rindertatar
    Kapern | Dijon Senf | Erdapfel
  • Knödel
    Blattspinat | Spitzkohl | Parmesan
  • Skrei
    Süßkartoffel | Bio Ei | Szechuan
  • Schokolade
    Kadayif | Pistazie | Ron Barceló

Weinbegleitung

Es gibt keine fixe Getränkebegleitung, sondern die Weinkarte. Aber natürlich hatte Nicole da mal was vorbereitet, und im Gespräch ergab sich dann diese Auswahl…

  • 2023 Grenzgänger, Grauer Burgunder, Friedrich Becker, Pfalz
  • Dreissigacker Vintages Nr. 4, Riesling, trocken, Rheinhessen – aus der Magnum
  • 2021 Elias, Rotgipfler, Rockabilly Weinkult, Weinviertel, Niederösterreich
  • Mavrodaphne aus Patra, Likörwein rot, Griechenland

Preis

  • 4-Gang 89,00 € | inkl. Weinbegleitung 139,00 €
  • 5-Gang 99,00 € | inkl. Weinbegleitung 149,00 €

Restaurant finesse
Schützengasse 13
01067 Dresden

Tel. +49 351 / 48454930
www.restaurant-finesse.de

[Besucht am 12. Februar 2024 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

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Hinweis:

Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.

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