Der Dresdner Stadtteil Pieschen ist ja schon seit einiger Zeit auf dem besten Weg zum angesagten In-Viertel. Sagen die einen. Andere konstatieren: ist doch so wie immer! Das französische Restaurant Petit Frank beispielsweise gibt es schon seit – ähm: seit wann denn eigentlich? Eine kleine Internet-Recherche, gepaart mit eigenen Erinnerungen, bringt Zeichen einer schweren Geburt an den Tag: am 1. September 2015 „wurde das Petit Frank 15 Jahre alt“ (schrieb die zuverlässige Philine). „1. April 2006!!! Das Petit Frank eröffnet auf der Bürgerstraße„, verlautbarte am 1. April 2021 der Restaurantkanal auf facebook und ergänzte für die Rechenschwachen: „Heute vor 15. Jahren starteten wir mit einem kleinen Fest das Experiment… französisches Lebensgefühl in Dresden-Pieschen.“ Die Zeit zwischen den einen und den anderen 15 Jahren war – nun ja: kompliziert. Darüber habe ich nach dem Besuch am 1. April 2022 (Geburtstag!) selbst mal was geschrieben…
Aber was sind schon Zahlen, zumal wenn es nur alternative sind?! Fest steht: seit einigen Jahren hat sich das Petit Frank mit André Fröbel in der Küche und Frank Ollhoff im Service als ein Ort etabliert, den man gerne mal besucht. Nicht jeden Tag, da ist das Konzept „es gibt nur Menü!“ vor – aber da haben sich die Jungs einen Weg zur Vielfalt ausgedacht, indem man als Gast (m/w/d) jeweils aus mindestens zwei Gerichten wählen und somit ziemlich dolle kombinieren kann. Aber die mittlerweile erreichte Preisklasse (das Kochsternstunden-Menü, das es noch bis zum 16. März gibt, kostet 160 €) ist ja jenseits dessen, was man bei einer täglich heimzusuchenden Stammkneipe erwartet. Wobei: Petit Frank ist ja auch keine Kneipe, sondern „das kleine französische Restaurant in Dresden“.
Man bekommt allerdings, das muss man zugeben, eine Menge fürs Geld. Das Menü, natürlich – vier Gänge plus. Die dazu passenden Weine (oder, wer das nicht mag, Alkoholfreies – oder Bier), wobei Gastgeber Frank „der gar nicht so kleine“ Ollhoff nicht geizt und auch nachschenkt. Entertainment pur, optisch (auf die Schuhe achten! Am Blick auf die Weste kommt man ja eh nicht vorbei) wie akustisch: Frank Ollhoff redet viel und sehr sehr schnell. Eine Überraschung ganz am Anfang des Abends gab es auch noch, aber die verraten wir natürlich nicht, denn dann wär’s ja keine Überraschung mehr.
Bleibt die Frage, ob’s denn auch unter der Oberfläche passt, also: hat es geschmeckt (oder wie Lieblingskellnerin Mandy mal sagte: hat’s geschmeckt getan gehabt?)? Kürzestmögliche Antwort: Nu! Es wurden sogar Erinnerungen an Frankreich-Urlaube wach, was nicht nur an den französischen Formulierungen im Menü lag, sondern vor allem am Geist der Gerichte. Boudin Noir beispielsweise entspricht eben nicht (wie das Wörterbuch korrekt empfiehlt) dem Geschmackserlebnis Blutwurst, sondern hat einen eigenen Geschmack. Und eine gebackene Auster hebt ein Selleriesüppchen fabelhaft an – zumal wenn die Küche vorsorglich Suppe und Schalentier separat anrichtet, damit das Krosse nicht päpsch wird.
Die Suppe bietet Gelegenheit, (mal wieder) abzuschweifen, ohne vom Weg abzukommen. Das ganze Menü wird nämlich auf Meissner Porzellan serviert, und zwar auf (und in) solchem aus zwei Linien: die eine ist die zeitgeistig-moderne Serie Nova, die andere das traditionsreiche Schwanenservice, das schon seit 1738 im Programm der Manufaktur ist. Die Suppe erreichte uns im Schwanenservice, das (so war das früher!) Deckel hat. Die haben zwar eine Schnecke und keine Auster als Knopf zum Abheben, aber deswegen gab es keinen Punktabzug in der B-Note! Zumal das Süppchen inside uns wohlig erwärmte, weil es schön schaumig daher kam und einerseits nicht plump nach Sellerie schmeckte, sondern durchs Zitronengras einen feinen Frischekick bekam. Die Auster, im ebenfalls mit Deckel ausgestatteten Zuckerdöschen angereicht, wäre übrigens ein Tipp für zaghafte Austern-Anfänger, denen die unbehandelte Auster suspekt ist!
Es ging natürlich nicht mit dem Süppchen los, sondern es gab was zuvor, also muss ich mal nachtragend sein. Als Gruß aus der Küche lag eine Rote-Bete-Variation auf dem Porzellan-Löffel, die beim Plaudern mit dem Chef einfach mal so gedankenlos vernascht wurde und offensichtlich geschmeckt hat, denn wenn nicht, hätte ich mir das ja gemerkt! Der erste (von vier) Gängen bescherte uns ein gegrilltes Salatherz mit einer (leider schon in der Küche) flambierten Riesengarnele oben drauf. Das wäre allein schon durchaus leckerhaft (Carl Friedrich von Rumohr) gewesen, aber mit der gerösteten beinahe-Blutwurst, einer Majo vom Comté und etwas Chutney zusätzlichen Reiz bekam.
Nach der Suppe und vor dem Hauptgang zelebriert das Petit Frank die schöne Sitte des Trout Normand – wobei es sich hier, soviel Pieschen darf auch im französischen Restaurant sein, um Variationen der Grundidee handelte: das Sorbet war johannisbeerenrot, der zum Aufgießen benutzte Calvados als Likör natürlich kein Aufräumer, um ein normannisches Loch zu schaffen – aber irgendwie schmeckte die Kombi dann dennoch. Und Gesprächsstoff hatten wir auch, über selbst gezogenes Obst und die Möglichkeit, jeden einfachen Cidre durch einen Schuss Calvados eine gewisse Tiefe zu geben…
Inspiration und Variation gab’s auch beim Hauptgang: kein Filet, sondern Flanksteak, keine komplette Umhüllung wie beim Original, sondern Wellington-Style – aber ein perfekt auf den Punkt gegartes Steak unterm Blätterteig. Trüffel dazu und reichlich Kompott von Rotweinzwiebeln. Chefkoch André Fröbelt liebt Tumbauten auf den Tellern, das Essen beginnt also mit einer behutsamen Dekonstruktion.
So wie auch bei Dessert, das früher® mal das Titelbild des Kochsternstunden-Heftes geziert hätte. Das Heft wird ja nicht mehr gedruckt, aber online und auf den Bewertungskärtchen sieht man das key visual, das der Vorjahressieger des Wettbewerbs macht. „Wir wollten, dass das Dessert auf dem Bild genau so aussieht, wie es dann zum Gast kommt!“, erzählte uns Frank Ollhoff vor dem Gang. Hätte auch fast geklappt – aber als wir die Pavlova mit marinierten Sauerkirschen, Creme Chiboust (der französische Anteil am Gang…) und hausgemachtes Schokoladensorbet mit lobenden Worten verputzt hatten, kam André noch mal aus seiner Küche, auf dem Teller zwei Hippen. „Die habe ich doch glatt vergessen!“ Außer fürs Foto hatten wir sie nicht groß vermisst, also fanden wir den Nachschlag eher amüsant. Und das passte doch irgendwie zum ganzen Abend…
Menü
- Amuse
- Karamelisierte Ballotine von der rosa gebratenen Entenbrust auf zweierlei Esskastanien | knusprige Choux vert | Sauce Hollandaise au balsamique
ODER
Flambierte Riesengarnele auf einem gegrillten Salatherz | geröstete Boudin Noir | Majo vom Comté Käse | Mangochutney - Velouté vom Frischkäse | Lauch | Maishähnchen
ODER
Cremesüppchen vom Sellerie | Zitronengras | gebackene Auster (Bretagne) - Trou normand
- Sous-vide gebratenes Flanksteak Wellington-Style | Trüffel | Kompott von Rotweinzwiebeln
ODER
Bei 38 Grad gegarter Lachs „ Caipirina“ | Orangenfenchel | Joghurt-Polenta | gebeizte Salatgurken - Pavlova mit marinierten Sauerkirschen | Creme Chiboust | hausgemachtes Schokoladensorbet
ODER
französischer Rohmilchkäse
ODER
Créme brûlée
Weinbegleitung
- Aperitiv – winterlicher Kir
- Carignan blanc 2021, Domaine Mas l´avail, Côtes de Catalanes
ODER
Gewurtztraminer 2022, Domaine Mann 3 Terres, AOC Alsace - Grüner Veltliner 2022, Weinbau Frederic Fourré, Sachsen
- Cuvée Louisiane 2016, Château Vignol, AOC Bordeaux
ODER
Chablis 2021, Louis Jadot , Burgund - Banyuls Rosé 2021, Domaine Pietri Geraud, Roussillion
ODER
Muscat de Rivesaltes 2020, Domaine Mas l´avail, Côtes de Catalanes
Preis
Gesamtes Menü 160 €
(inkl. Aperitif | Wasser | Getränkebegleitung [Wein | Bier | alkoholfrei] | Espresso)
Petit Frank
Bürgerstraße 14
01127 Dresden
Tel. +49 3 51 / 8 21 19 00
http://www.petit-frank.de
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Hinweis:
Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden
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