Es sind die Bienen auf dem Dach. Die machen nämlich den Honig. Und weil sich unterm Dach das Arcotel mit seinem Restaurant Elbuferei befindet, gibt es dort den Honig – beim Kochsternstunden-Menü zieht er sich (bildlich gesprochen, natürlich nur…) wie ein roter Faden durchs Menü. Das bereitet in diesem Jahr das Küchenteam unter einem neuen Chef zu: David Schöbel hat die Leitung des achtköpfigen Küchenteams von seinem ehemaligen Küchenchef Marcel Kube übernommen. „Mein Ziel ist es, alle Geschmacksknospen von sauer bis scharf, von süß bis salzig anzusprechen“, sagt David Schöbel. Mit extra Texturen wie Crunch oder Gewürzen wie dem japanischen Togarashi möchte er selbst bei vermeintlich simplen Komponenten für den Überraschungs- und Knalleffekt sorgen. Natürlich waren wir neugierig, wie der langjährige ehemalige Sous- und jetzige Chef den gegenwärtigen Stil der Küche prägt.
Angemacht (und somit quasi über eine kleine Geschmacksexplosion im Gaumen direkt ans Reservierungsformular gebracht) hat uns bei der Kochsternstunden-Eröffnungsgala der dort gereichte Probegang Karotte mit Kaffir, Yuzu, kandiertem Ingwer und Honig-Kaviar. Da hatte uns der Mix aus Frische, Schärfe und Süße extrem gefallen. Jetzt im kompletten Menü standen die Karotten am Anfang des 5-Gang-Menüs und erregten im Gaumen (und auch – wie man beim Wein sagen würde – im Abgang) die gleichen grundlegend guten Gefühle. Nun gut, dachten wir, dann gibt’s ja von jetzt an zwei Möglichkeiten: es bleibt so oder es lässt nach.
Der zweite Gang sollte Aufschluss geben. Los ging’s gleich mal vor dem Einsetzen der Teller mit einer Überraschung: es gab Rotwein. Wie alle Weine im Menü (bis auf einen) vom Weingut Kirchknopf, das am berühmten Leithaberg im Burgenland (Österreich) liegt. Wir kannten es nicht und waren positiv überrascht (wer sich erinnert: die Weinbegleitung in der Elbuferei war nicht immer so unser Ding). Michael Kirchhoff ist einer der jungen Winzergeneration, die die Reben im Weinberg nur sanft unterstützt. Dabei macht er vieles mit der Hand. Die tiefwurzelnden Reben liefern natürlicherweise geringe Erträge. Diese reifen auf dem Weingut Kirchknopf voll aus, bevor sie von Hand gelesen werden. Auch die Kellerarbeit folgt dem Prinzip des Sich-Zurückhaltens. Die Moste vergären spontan mit weinbergseigenen Hefen, die Weine erhalten viel Zeit zum Reifen. Die weißen Weine bleiben lange auf der Hefe liegen, die roten werden bis zu 2 Jahre im Holzfass ausgebaut.
Das passt ganz gut zur neuen (und von der Idee her eben auch alten) Küche in der Elbuferei: gemeinsam mit Sous-Chef Claudio Zinke und dem Elbuferei-Team legt David Schöbel sein besonderes Augenmerk auf Gerichte mit vermeintlich einfachen Komponenten – die aber alle ein Upgrade erfahren, gerne mit außergewöhnlichen Kompositionen, Gewürzen und Texturen. Der Geschmacksmix, der dabei entsteht, ist von mediterranen, asiatischen und orientalischen Aromen geprägt – und siehe da: alles fügt sich, wie schon beim Karottengang beobachtet.
Die hausgemachten Rote Beete-Ravioli (streng genommen war es nur ein einziger großer Raviolo…) hatten den frischen Ziegenkäse inside und zusätzliche Akzente von Trüffel, Pistazie und Honig-Essig. Uns erschien der Teig ein wenig zu dick geraten, was vor allem am Rand (wo ja nichts mehr zwischen Teigober- und Unterschicht ist) kritisch war. Aber: ein oder zwei Runden mehr in der Nudelmaschicne, und das Problem ist gelöst. oder mehr Füllung und ein dünnerer Rand – wobei wir dann ja gar nichts mehr auszusetzen gehabt hätten 😉
Zu den Jakobsmuscheln im nächsten Gang gab es den Chardonnay vom Leithaberg, der als „weiße Visitenkarte“ des Weinguts gilt. Er kommt von vielen kleinen Parzellen aus verschiedenen Lagen und vereint damit das Kalk- und Schieferterroir des Leithabergs. Ein kräftiger Wein, wie der erste Schluck verriet, mit saftiger Gelbfruchtigkeit und feiner Säure. Eine gute Vorbereitung für die Jakobsmuscheln, die keineswegs geschmacksneutral daher kamen, sondern einerseits mit Honig lackiert und andererseits geräuchert waren. Auf die erste Nase (darf man das so schreiben?) gewöhnungsbedürftig, dann aber durchaus eher süchtig machend. Aber: es gab ja drei Muscheln auf dem Teller, eingerahmt von einem Traum von Schaum und begleitet von Gurke und Sirache, was dem überraschend kräftigen Gang eine angenehme Schärfe hinzu fügte.
Honig in allen Gängen – aber immer wieder anders: das ist ja auch eine Herausforderung. Zum Hauptgang fanden wir ihn im Honig-Senf-Jus. Die war schon ein kleiner Star auf dem Teller, aber der größere Star war zweifelsohne das Kalbsbäckchen, denn in Sachen Zartheit gehört es unbedingt aufs Siegertreppchen aller gegessenen Bäckchen. Köche (m/w/d) lieben ja Bäckchen, weil man sie gut vorbereiten kann und weil sie interessant schmecken. und die meisten wissen auch, dass man den Bäckchen viel Zeit geben muss – aber es braucht eben einen guten Koch, der dann auch weiß, dass viel Zeit vielleicht immer noch zu wenig ist. Also: sehr viel Zeit und die richtige Temperatur sind nötig, damit’s was wird. Hier war das sicher der Fall, und weil nach so viel Garzeit zwar das Kollagen im Bäckchen buttergelatinenzart wurde, aber selbstversätndlich keinerlei noch so zartes Rosa mehr im Fleisch auszumachen ist, muss da anders Abhilfe geschafft werden. Saftiges Grün mit weien Tupfern lieferte die Kombi aus Petersilie und wildem Blumenkohl.
Beim Wein dazu gab’s einen Winzerwechsel und – für uns überraschend – einen Grauburgunder, und zwar ebenfalls aus dem Burgenland von Umathum. Das Etikett hatten wir schon häufig gesehen, aber wie man Umathum ausspricht – das war nicht ganz klar. Drei Personen (wir zu zweit und Olli im Service) und drei Silben, das eröffnet alle Chancen. Uhhhhmatumm oder Umaaaahhhtum oder gar Umathuuuuhhm? Es blieb offen, bis wir einen O-Ton im Netz fanden:
Da haben wir’s sehr authentisch. Wir genossen den Grauburgunder, der im großen Holzfass gereift war, fanden aber: der wäre zum Raviolo besser gewesen und der Rote von dort vielleicht hier angemessener?! (Wer uns kennt: am liebsten in beiden Gängen beide Weine nebeneinander probieren!)
Popcorn zum Schluss! Beim Dessert von Fränze Lemke, die nicht nur Honig-Ricotta auf den Teller bringt, sondern eben auch Popcorn und Schalotte – im Dessert! Das klingt ungewöhnlich und ist vielleicht auch gewöhnungsbedüftig. Aber: es hilft (sollte man beim Genießen eh häufiger machen!), die Augen zu verschließen und so unvoreingenommen wie möglich zu probieren, vielleicht auch nicht als Trennkost, sondern im gesamtheitlichen Happs. Die Schalotte war natürlich entsprechend zubereitet und süß. Also: warum nicht? Wer glaubte, einen zwiebeligen Nachgeschmack im Munde zu verspüren, der konnte sich den mit einem beherzten Schluck vom dazu gereichten Champagne Gosset Grand Rosé vertreiben. (PS: Champagner am Ende eines Menüs ist auch immer eine gute Idee!)
PS: Eine wichtige Anmerkung für alle, die nicht gerne so früh essen: das Kochsternstunden-Menü kann man nur bis 20 Uhr bestellen. Das erfährt man zwar erst, wenn man schon da ist (es steht auf der Menükarte), aber es wird streng eingehalten. Zwei Herren am Nebentisch bekamen um zehn nach acht nur noch drei Gänge zugestanden. Hier gilt offenbar: der frühe Vogel fängt das Menü, und wer zu spät kommt, den bestraft die Küche… Schade, und in einem Hotel mit sicher reichlich viel Gästen aus Gegenden, wo man eher später als vor acht essen geht, ungewöhnlich.
Menü
- Karotte Kaffir, Yuzu, kandierter Ingwer & Honig-Kaviar
- Rote Beete Ravioli, Ziegenkäse, Trüffel, Pistazie & Honig-Essig
- Geräucherte Jakobsmuschel, Granatapfel, Kokos, Gurke, Siracha & Honig-Lack
- Kalbsbäckchen, Pumpernickel, Petersilie, wilder Blumenkohl & Honig-Senf Jus
- Honig Ricotta, Schalotte & Popcorn
Weinbegleitung
- Churchbutton White, Weingut Kirchknopf, Österreich
- Churchbutton Red, Weingut Kirchknopf, Österreich
- Kirchknopf Chardonnay Leithaberg, Weingut Kirchknopf, Österreich
- Umathum Grauburgunder, Weingut Umathum, Österreich
- Champagne Gosset Grand Rosé, Weingut Champagne Gosset, Frankreich
Menü-Preise
- 3-Gang-Menü (ohne Ravioli, ohne Jakobsmuschel) 59,00 € | zzgl. Weinbegleitung 24,00 €
- 4-Gang-Menü (ohne Ravioli) 69,00 € | zzgl. Weinbegleitung 32,00 €
- 5-Gang-Menü 79,00 € | zzgl. Weinbegleitung 40,00 €
Elbuferei
Leipziger Strasse 29
01097 Dresden
Tel. +49 35 144 81110
www.elbuferei.de
Öffnungszeiten:
täglich 12–17 Uhr („kleine Mittagskarte, ausgefallene Drinks & Cocktails“)
17–22 Uhr („#geschmacksexplosionen – a la carte“)
Kochsternstunden-Menü Bestellung bis 20 Uhr (laut Speisekarte)
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Hinweis:
Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.
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