Turbulentes Spiel um Macht und Identität

Die Serkowitzer Volksoper Spielt in der Saloppe "Die Prinzenrolle"

Die Rolle ihres Lebens

Wer beim Lesen oder Hören des Begriffs Serkowitzer Volksoper an schwere Kost und gehobenstes Bildungsbürgertum in feierlicher Robe denkt, liegt einerseits vollig daneben und hat doch irgendwo Recht. Richtig ist, dass das kleine Ensemble von vier Sänger*innen und vier Musikant*innen hauptsächlich Geld mit ihrem nicht unwesentlichen Können an namhaften Bühnen verdienen. Falsch ist, dass es hier so zugeht wie in der Semperoper oder an einer der Bühnen in Berlin: das Team beliebt alles auf abenteuerlichste Weise auf den Kopf zu stellen, die Musik zu remixen wie für einen DJ-Wettbewerb und das werte Publikum zum Lachen zu bringen, dass manch ambitionierter Comedian vor Neid erblassen würde. Die musikalische Anmaßung nach Verdi und Lortzing mit dem hübsch irreführenden Titel Die Prinzenrolle hatte Ende Juni Premiere, pausierte dann ein Sommerweilchen und wird ab dem 11. August 2025 für zehn weitere Vorstellungen auf die Zirkuswagenbühne der Saloppe zurückkehren.

Die Geschichte beginnt mit einem unerwarteten Twist: die Prinzen der benachbarten Königsreiche Obermittelgourmetien (kurz: OMG) und WestTransFlaschtekistan (WTF) finden kurz vor ihrer Krönung, dass die beste Work-Life-Balance eine Life-Life-Balance ist und entscheiden sich für eine einjährige Auszeit. Die Macht übertragen sie an ihre verdutzten Diener. Was folgt, ist ein turbulentes Spiel um Macht, Identität und gesellschaftliche Rollen. Die Diener, nun plötzlich in die Rolle von Regenten gedrängt, kämpfen mit den Anforderungen ihrer neuen Position – und mit ihren Frauen. Unterschätzt mir nicht die Frauen, im Leben nicht und schon gar nicht im komödiantischen Theater: die intrigante Marchesa und die resolute Dienstmagd Marie ziehen die Fäden im Hintergrund. Dazu gesellen sich verschlagene Zeremonienmeister und sogar Marsianer, die das Chaos perfekt machen.

Die Prinzenrolle

Die Texte hat in alter Volksoper-Tradition Wolf-Dieter Gööck beigesteuert – denn niemals geht man so ganz, und sein Abschied im vergangenen Jahr war eben nur einer von der Regie. Die übernahm jetzt Clemens Kersten, einerseits Sohn des musikalischen Leiters Milko Kersten und andererseits mittlerweile in Chemnitz am Theater zu sehen. Frischer Wind mit etwas Außensicht auf die Dinge – das hat schon immer gut getan.

Ansonsten hat das Ensemble an den bewährten Traditionen festgehalten: die Geschichte spielt zwar in einer Zeit, die lange her ist – aber die Texte sind so erschreckend heutig, dass man heulen könnte. Wären sie nicht so geschrieben, dass man lachen muss. Die Musik ist so mehrdeutig wie immer, es bleibt beileibe nicht bei der musikalischen Anmaßung nach Verdi und Lortzing. Da mischen viele andere mit, man erkennt die Melodie und ärgert sich im Nachhinein, nicht alles genau sofort notiert zu haben. Also, Pro-Tipp für alle die, die noch auf den Dresdner Hügel pilgern werden: heimlich Notizen machen und am Ende beim Schlummertrunk/Absacker oder wobei auch immer auswerten, wer die meisten Kuckuckseier entdeckt hat. Und soviel sei verraten: es sind nicht nur die bekannten Klassiker, auch die jüngere Moderne ist vertreten 😉

Das ganz große Orchester Musi nad Labem spielt natürlich all das nicht im Graben, sondern im hinteren Teil der Bühne – und es sind auch nur vier Musikanten dabei: Karina Müller (Violine, Percussion, Gesang), Daniel Rothe (Klarinetten, Saxophon, Percussion, Gesang), Leonard Endruweit (Kontrabass, Tuba, Percussion, Gesang) und der Remixer Milko Kersten (Leitung, Piano, Gesang). Die kleinste Philharmonie Dresdens begleitet insgesamt zwölf Rollen, aber nur vier Darsteller*innen: Maria Perlt-Gärtner, Julia Böhme, Kota Katsuyama und Cornelius Uhle. Wem der eine Name japanisch vorkommt: das stimmt. Kota Katsuyama bringt eine gehörige Portion trockensten Humor in Mimik und Gestik mit auf die Bühne – und hat auch einen Moment kleiner Rache dabei. Denn während er sich zumindest eingangs der Proben mit den subtilen deutschen Texten schwer tat, gibt es den genussvollen Moment, wo alle getreu dem Motto viel sagen, nichts aussagen japanisch singen. Wobei: vielleicht war das ja sogar sinnvoller Text…

Die Ausstattung von Pauline Malack ist bewusst schlicht gehalten, aber äußerst wirkungsvoll. Für die Low-Budget-Produktion braucht sie nur wenige Requisiten, setzt Farben geschickt ein (und Beziehungen: der Fundus in Chemitz hat geholfen). So hat das Auge auch gehörig was von der Inszenierung, zumal die Sänger*innen ja auch nicht mit den unmöglichsten Gesichtsausdrücken sparen. Volksoper eben – Shakespeare und sein Ensemble im Londoner Globe hätte seine Freude dran gehabt! Bis zum turbulenten Schluss mit der (be-)merkenswert griffigen Formel: Bling und Blong vom Mars. Das war’s.

Bling und Blong vom Mars. Das war's.

Infos

  • Die Prinzenrolle, besucht am 30. Juni in der Saloppe.
  • Weitere Termine (jeweils 19.30 Uhr, *= auch 15 Uhr): 11.8. / 17.8. / 18.8./ 25.8. / 31.8. * / 1.9. / 3.9. / 8.9. / 10.9
  • Beginn jeweils 19.30 Uhr (Einlass ab 19 Uhr), am 31. August 2025 zusätzlich 15 Uhr (Einlass ab 14:30 Uhr)
    Ort: Sommerwirtschaft Saloppe, Brockhausstraße 1, 01099 Dresden
  • Preise im empfohlenen Vorverkauf 19 € – 36 € / ermäßigt 13 € – 19 € (keine zusätzlichen Gebühren)
  • www.serkowitzer-volksoper.de

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