Aus der zu Recht unbeliebten Reihe „Erstens kommt es anders und zweitens als du denkst“ hier mal wieder ein Beispiel für voreilige falsche Einschätzung. Treffpunkt für einen Abend mit zwei Winzerinnen und zwei Winzern sollte im Wallstadts sein, dem Restaurant im Sporthotel in Großwallstadt. Ich hatte es gelesen und gedacht: auch das noch: Sporthotel! – und mich kräftig geirrt. Denn es gab dort einerseits ein tadelloses Vier-Gang-Menü und zweitens eine fabelhafte und wissende Chefin im Service zu den Weinen vom Hofgut Hörstein, dem VDP-Weingut Höfler, der Weinmanufaktur Till und vom Weinbau Philip Bernard. Never judge a book by its cover, kann man (ich) da nur sagen – und hab‘ mich auch gleich mal am Ende des Abends bei Annette Liebe nicht nur bedankt, sondern auch für die schlimmen Gedanken Abbitte geleistet.
Abende mit mehreren Gast-Winzern zu einem Degustationsmenü sind bei Informationsreisen in der Regel eher Entspannung nach einem Tag voller Input. Man hört zwar zu, genießt Speis und Trank – aber das isses dann auch, in der Regel zumindest. Dieser Abend war da anders: selten gab es so leidenschaftliche Diskussionen zwischen den anwesenden Journalisten und der Winzerschaft (an diesem Abend übrigens zufällig rein zahlenmäßig ausgeglichen vier zu vier). Selten wurden so einmütig die Weine gelobt und – jedenfalls zumeist – als zu preiswert empfunden. Kannste Dir nicht ausmalen, mit welchem Spagat da manchmal argumentiert wird zwischen „wir brauchen für unsere Arbeit mehr Geld!“ und „wir können das nicht durchsetzen bei den Kunden!“ Der schweizer Kollege Victor Ledermann hat in seinem immer lesenswerten Blog auch über die Reise geschrieben und der Reibung zwischen Tradition und Fortschritt ein eigenes sehr treffendes Kapitel gewidmet (Die Häckerwirtschaften – ein Segen für Geniesser und ein Fluch für die Weinpreise in diesem Beitrag).
Annette und Michael Liebe sind „Gastgeber mit Haltung“, wie man auf ihrer Webseite lesen kann und es auch bei den Ansprachen der Gastgeberin merkt. Da ist der Wille, für die Region zu brennen – nicht (nur) mit Worten, sondern auch mit Taten. Sie kommen aus der Gegend, und auch wenn der Mann bei Sheraton gelernt und in Baiersbronn gearbeitet hat: Churfranken bietet ihnen nicht nur in Sachen Wein eine mehr als solide Basis für Qualität. Stichwort Wein: als die Liebes das Sporthotel vor Jahren übernommen hatten, gab’s hauptsächlich ausländische Weine („weil das internationale Publikum das so will!“, lautete das Argument des Vorpächters). Mittlerweile haben die (Chur-)Franken ihren Platz auf der Karte, und das Publikum weiß es zu schätzen. Die solide Ausbildung (französisch-klassisch geprägt) und das Wissen um regionale Rezepte lassen so wunderbare Gänge wie den BeefTea entstehen oder das in Spätburgunder poelierte Zanderfilet mit Nudeln vom Geflügelhof Repp aus der Gegend. Natürlich war auch der Spätburgunder, der dem Fisch zur Gare verhalf, vom heimischen Winzer – er kam von Christian Herkert. Den hätte man sicher auch gut zum Fischgang trinken können, aber beim Christian Herkert waren wir ja erst tags drauf…
Hinweis:
Die Recherchen zu diesem Beitrag wurden unterstützt mit einer Pressereise auf Einladung des Churfranken e.V.
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