Oberhalb der Elbe – und schnell mal runter für ein, zwei Pausen…

Weinwanderung von Seusslitz nach Meißen (2)

Weinfeld

Der Sächsische Weinwanderweg führt uns zuerst von Seußlitz zur Goldkuppe. Linker Hand stehen die Reben – selten genug in Sachsen – auf nur leicht hügeliger sanft gewellter Landschaft. Sieht man mal nach rechts, geht’s im Steilhang runter bis kurz vor die Elbe. Der Weg ist breit und sonnig – die Sachsen benutzen das schöne Wort Demse für das hier oft extrem warm-feuchte Klima. Wir waren am Tag des offenen Weinguts unterwegs und hatten mit dem Wetter Glück: Wolken schoben sich vor die Sonne, aber es regnete nicht. So ließ es sich gut laufen!

Beim Herrn LehmannUnterhalb dieses Wegstücks befindet sich das Weingut von Joachim Lehmann. Das lassen wir heute ausnahmsweise einmal aus – aber nur auf der Wanderung, nicht hier im Text! Die Weinstube mit dem wundersamen Schließtag Donnerstag gehört nämlich eigentlich zum Pflichtprogramm in Diesbar-Seußlitz. Zum einen, weil es hier vor allem im Sommer im Gästegarten sehr lauschig ist, zum anderen weil der Herr Lehmann einen passablen Wein macht. Keine großen Weine, aber ehrliche. Für die Küche gilt ähnliches: Das ist weit entfernt von irgendeinem Gourmettempel – aber immer wieder lecker, irgendwie. Wir nähern uns Lehmann’s Weinstuben bevorzugt mit dem Dampfschiff (es hält quasi vor der Tür) und kommen dann irgendwie mit Bus und Bahn heim…

WeinfeldWir winken also nur runter und gehen weiter. Wunderbare weite Blicke über die Elblandschaft öffnen sich. Schilder warnen davor, rechts nicht allzuweit vom Weg abzukommen, weil es steil runtergeht. Ach, denke ich an diesem Wahlsonntag, würden doch die Sachsen diesen Hinweis auch in der Politik beherzigen! Tun sie aber nicht und geben den Nazis blind und beherzt Stimmen (in einigen Regionen, nicht in dieser, bis zu knapp 20 Prozent) – das verstehe wer will, ich nicht.

Rotwein in speBeim Wandern sehen wir trotz des Tags des offenen Weinguts wenig Leute – die meisten sind wohl mit dem Auto gekommen und kutschieren beschwingt von Probe zu Probe. Auch das verstehe wer will… Zu entdecken ist für die auch nicht viel. Zum Beispiel das halb offene Tor, das ein wenig an die Abbruchkante heranführt und der Kamera erstmals rote Trauben vor die Linse bringt. Ein Weg führte runter – aber den gingen wir vorsichtshalber nicht. Man weiß ja nie, ob es unten auch ein Tor gibt…Wir tapern also weiter auf dem Wanderweg, der sich nicht nur dem Wein widmet, sondern auch ein archäologischer ist. Also haben schlaue Menschen verständliche Tafeln (für die Lektorinnen unter den Leserinnen: Tafeln mit verständlichen Texten) aufgestellt, so dass man ein wenig schlauer heim kommt. Bei der Goldkuppe lerne ich beispielsweise, dass sie mit 18 ha Innenfläche die größe Burganlage Sachsens aus vorgeschichtlicher Zeit sei. Ohne Schild hätte ich nicht mal gemerkt, dass da überhaupt was ist bzw. war!

Dafür entdecken wir ein Schild, dass uns stutzig macht: „Wanderweg“ besagt es, aber irgendwie sieht es so gar nicht offiziell aus. Da gehen wir lang! Meine Theorie: Am Ende des Weges gibt es einen Winzer, der diesen Weg durch seinen Weinberg ausgezeichnet hat, damit die Leute zu ihm kommen. Es geht gleich durch ein Tor mit einem feinen Schild: Man möge es doch bitte schließen, um Wildschäden zu vermeiden. Mit freundlichen Grüßen, die VEG (Z) Weinbau Radebeul. Das zentral geleitete Volkseigene Gut gibt’s so seit 20 Jahren nicht mehr – aber warum ein neues Schild besorgen? Was drauf steht, stimmt ja!

Elsaß an der ElbeDer Weg durch den ehedem volkseigenen Grund war angenehm und führte – welch Überraschung – zu einem Gasthaus! Am „Brummochsenloch“, wie die Gegend hier heißt, tut sich urplötzlich ein Stück Elsass auf: Das Restaurant L’ami Fritz fügt sich prima ins Sächsische ein, und die Flammkuchen gingen weg wie warme Semmeln, wenn das blöde Sprachbild gestattet ist. Die beiden Herren, die die Bedienung im Garten schmissen, waren supernett drauf – und wir tranken natürlich elsässischen Wein zum Flammkuchen (den sächsischen von Jan Ulrich, den es hier auch gibt, gönnten wir uns nur wenige Minuten später im Weingut von Jan Ulrich). Die Karte war vielversprechend – und wir werden sicher einmal gezielt hierhin gehen, um mehr Elsass im Meissener Land zu genießen!

In vino veritasDas nächste Stück der Wanderung war das härteste: Nach ungefähr fünf Minuten erreichten wir nämlich das Weingut Jan Ulrich, und da das ein vorab geplanter Anlaufpunkt war, konnten wir ihn nicht auslassen! Jan und Carola Ulrich haben noch kurz vor der Wende in Wackerbarth Winzer gelernt, sich danach im Fränkischen fortgebildet und sich 1992 in Diesbar selbstständig gemacht. Sie vermarkten ihre naturnah ausgebauten Weine mit Geschick und nicht ohne Erfolg. Vor dem Winzerhof standen Liegestühle mit Blick auf die Elbe: Das war genau jene heiter-gelassene Atmosphäre, die wir lieben! Der von uns getrunkene Kerner war – Verzeihung! – ein schöner sommerlicher Saufwein. Im Hof des Weinguts war übrigens Remmidemmy – nichts für uns, aber viele lieben ja dieses Kontrastprogramm. Nach so viel Müßiggang wollten wir nun etwas für die Füße tun: Zadel lautete das nächste Ziel, und das waren mehr als fünf Minuten zu laufen…

[Zur Karte der hier besprochenen Besenwirtschaften in Dresden, Radebeul, Coswig und Meißen]

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