Der Schaubudensommer bringt Gaukler in der Stadt!

Die Bilder für diesen Beitrag waren auf der Plattform Ipernity gehostet und wurden dort gelöscht. Es dauert etwas, bis die Fotos wieder hier erschienen – sorry.

Unterm Rettungsschirm

Ob man das da draußen nun Sommer nennen kann oder vielleicht doch lieber Schwülwarmsonne mit Dauerdusche, Feuerwerk und Grummeldonner ist eigentlich egal. Aber wie bitte würde der Veranstaltungstitel Schaubudenschwülwarmsonnedauerduschefeuerwerkundgrummeldonner denn klingen? Genau: Saudumm. Und wer will das schon in seinen Browser tippen, denn ohne Webseite ginge es natürlich nicht. Also: Schaubudensommer. Bei jedem Wetter und nun schon zum 15. Mal in der Dresdner Neustadt im Hof hinter der Scheune, einem Kulturzentrum mit separatem Restaurant.

We are Sailing...Der Schaubudensommer ist ein Kleinkunstfestival, das (in diesem Jahr vom 5. bis 15 Juli) eine bunt-skurille Mischung von über hundert Künstlerinnen und Künstlern zusammenführt. Der Hofschmuck in diesem Jahr, improvisiert und passend: Regenschirme im und rund ums Café sowie eine löchrig-papiern-schöne Installation Hain. Allein das lohnt einen Besuch, zumal die Musik im Café fleißig dazu spielt.

Aber es gibt ja Buden, Zelte, Sensationen. Gespielt wird (in der Regel) stündlich, also mehrfach am Abend. Ein Ticket kostet fünf Euro, dreie gibt’s für zwölf – und obwohl die Tickets weder tages- noch personengebunden sind, ist es eine gute Idee, dreimal am Abend irgendwo hineinzuschnuppern.

SchaubudensommerWohin? Eigentlich ist es keine schlechte Idee, sich treiben zu lassen, sich anmachen zu lassen von den Vorankündigungsspektakeln. Denn die Künstler wissen, was sich gehört. Auf ihre Weise machen sie auf sich aufmerksam: Da ist der Typ im Ganzkörperkondom, dessen primäres Geschlechtsdingens frei hängend das Gemächt gibt. „Ist der echt?“ wollte die junge Dame wissen und bekam keine Antwort. Nach der Echtheit der Hörner hat sie sich nicht erkundigt, obwohl die als Ausnahmeerscheinung doch sicher auch sehr interessant gewesen wären. Auch mit was an und dennoch nicht ohne Reiz führte Jule Oeft Wasserflaschen wie einen begossenen Pudel Gassi. Na klar: Sie tanzt Wasser, sagte kein einziges Wort und schaute immer nur bedeutungsschwanger auf das mitgeführte Schild: Aqua. Lautstark hingegen machte das theatre la pushkin auf „Peter und der Wolf“ aufmerksam – aber alle drei hatten uns nicht in ihren Zelten.

Peter WeyelWir ließen uns Freude schenken. Von Peter Weyel, der seinen Kopf an der Hacke seines Fußes angelehnt vor dem Zelt entspannte und dabei den coolen trockenhumorigen Typen mimte. Also hinein, den Alleinunterhalter auf dem Weg in die Rente beobachten. Was macht er? Jonglieren, geil. Einen Herrn aus dem Publikum holen („Ich nenne Dich mal Bärbel“), ein Jacket anziehen und hinter ihm stehend selbst in die Ärmel huschen. Bärbel was not amused, als Peter ihm eine Banane fütterte, im Gänsestopflebereinfuhrverfahren. Denn Bärbel hatte seit zwanzig Jahren keine Banane gegessen, aus Gründen. Aber der Peter wollte doch nur spielen, und letztlich ging ja auch alles gut. Spiel mit dem Publikum ist ja immer ein Tanz auf Messers Schneide.

Der Herr Weyel scheint auch keine Bananen zu mögen, jedenfalls nahm er die eine oder andere Rasierklinge zu sich. Wandte sich dann der deutschen Sprache zu, trug Texte vor und ließ einfach mal einen Buchstaben weg, was luschtig klang und bestens zu verstehen war. Dann ließ er noch einen weg, und das Verständnis schwand. Das Gehirn, Dein unbekanntes und faszinierendes Wesen. Pünktlich zum Ende der Deklamation quoll es rot aus dem Mund, was schon ein wenig ekelhaft aussah, und auch die mit einem eigens eingeführten Faden wieder ans Tageslicht beförderten Rasierklingen leuchteten in feinem Rot. Das Gehirn, Dein unbekanntes und faszinierendes Wesen!

SchaubudensommerNach der ersten Aufführungsrunde beim Wein (übrigens: sehr freundliche Bedienungen trotz Volksfestansturm und keine überzogenen Preise) trifft man Freunde – Dresden ist ein Dorf, in dem sich einschlägig Verdächtige immer wieder begegnen. Austausch von Empfehlungen: „Wir waren da, müsst ihr unbedingt hin!“ gegen „Wir waren dort, müsst Ihr unbedingt hin!“. So machen wir das, gucken uns nochmal die im beginnenden Abendlicht schon wieder anders wirkende Installation an und stellen uns in die Warteschlange.

Cargo-TheaterDas Ziel ist der große Saal in der Scheune. Dort spielt das Cargo-Theater, und weil die Leute alle von „ganz großes Kino“ spruchen, kamen viele in Erwartung eines Films. Aber Samuel Kübler und Stefan Wiemers schauspielerten selbst, mit Kisten in allen Größen und pantomimischem Großeinsatz. Den Film musste jede(r) für sich selbst produzieren: Kopfkino. Wohl denen, die weiter vorne saßen: Sie konnten sich an zigarettengroßen Kistchen erfreuen, die Fluchtautos und Polizeiverfolgerautos waren. Mit Blaulicht und Bremslicht und anderem Schnickschnack. Wir haben herzlich gelacht, wie es sich bei einem guten Krimi gehört.

Fanfare RomantikaDraußen wird’s langsam richtig dunkel. Der Herr Direktor, im Smoking mit rotem Einstecktuch und schwarzer Fliege, geht in sich ruhend und zufrieden über den Platz. Helmut Raeder kann stolz sein auf sein Publikum: Es ist wohlgelaunt und kommt auch, wenn Regen droht oder drohender Regen Wirklichkeit wurde. An diesem Sonnabend war’s nach einem Begrüßungsschauer für die Frühkommer sogar trocken, was zu einer beinahe mediterranen Heiterkeit auf dem Gelände führte, zu der die Musiker im Café erheblich beitrugen. Und wenn’s wettermäßig gar zu arg würde, gäbe es ja reichlich Regenschirme, die das Frollein KETE kunst- und lustvoll arrangiert hat.

Herr Böswetter und Frau von RätinWir haben noch eine Karte und wollen Lokalcolorit: Franz Lasch ist Arnold Böswetter und trifft monologisierend-diskutierend auf Ursula von Rätin, geführt und besprochen von Cornelia Fritzsche. Dass das Dresdner Rattenleben nicht lächerlich ist, kann man sich ja denken. Dass man aber herzhaft darüber lachen kann, muss man einfach mal erlebt haben. Schöne Dialoge, feines Spiel auf kleinem Raum. Natürlich hat es uns besonders gefallen, wie Herr Böswetter, die Pappnase, sein Bier trank. Quasi durch die Brust in den Schlund.

Alles Empfehlungen – und doch zu spät, denn die Programme wechseln. Nur die Musiker, gehören zum Inventar. So wie der Herr Direktor und einige Andere, die den Platz um die Scheune sommerlich verzaubern…

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