Geschmeidige bäuerliche Sonntagsküche

Kochsternstunden 2017: Weinzentrale mit Olav Seidel

Weinzentrale mit Olav Seidel

Das Menü, sagte Olav Seidel vom Gasthof Bärwalde beim gemeinsamen Abend mit Jens Pietzonka in der Weinzentrale, sei als eine Hommage an den ländlichen Raum gedacht. Mit einfachen Produkten, die aber von allerfeinster Qualität sind. Und mit einer Zubereitung, die für die Umsetzung einer solide Landhausküche durch daheim kochende Männer und Frauen hohe Maßstäbe setzt. Aber deswegen (und wegen des Umfelds, angefangen bei den passenden Weinen und endend beim nicht anfallenden Abwasch) gehen wir ja auch aus! An diesem Abend, von dem hier zu berichten ist, in die Weinzentrale. Dort gab es quasi eine Fortsetzung des joint ventures vom vergangenen Jahr, wenn auch in komprimierter Form. „Olav Seidel is in the house!“ hatte Jens Pietzonka das Motto des Abends voller Vorfreude genannt und ein 4-Gang-Menü nebst einigen vinophilen Highlights versprochen (Menü inkl. Weine und Wasser 89 €).

Die kulinarische Landpartie nahm ihren Anfang an der Loire mit einem 2012 Blanc de Blancs Sélection Crémant de Loire von Bouvet Ladubay. Ein frischer und belebender Crémant, das erste Glas stehend gleich beim Ankommen genossen, ein zweites dann mit etwas mehr Ruhe am Tisch, auf dem das unvergleichlich knusprig-fluffig-geschmackkräftige Landbrot mit Butter wartete. Dieses Brot ist mehr als nur ein Ohnmachtshappen, der die Zeit bis zum eigentlichen Beginn des Menüs überbrücken hilft. Es ist ein Manifest, nur noch bei richtigen Bäckern zu kaufen und nicht bei Aufbackheinis allerorten! Bei der Vorspeise wurde dann schnell klar, wie Olav Seidel das mit der Hommage an den ländlichen Bereich gemeint hat. Seine geschmeidige bäuerliche Sonntagsküche lässt sich nämlich nur inspirieren von überlieferten Ernährungsgewohnheiten – was er draus macht, ist dann seinerseits inspirierend und könnte helfen, die guten Ideen vom Aussterben zu bewahren. Sächsisches Sashimi von der Forelle ist natürlich deutlich vom heutigen Geschmack geprägt – aber einen Dorfteich mit Forellen gab’s halt in jedem Dorf und Forelle somit auch. Rohen Fisch hätten sich die Altvorderen wahrscheinlich nicht so gut vorstellen können – aber wir wissen ja, dass es geht. Und mit beurre blanc und frischen Kräutern statt Wasabi bekommt so ein Sashimi einen ganz eigenen Kick. Dazu gab’s einen heimischen Wein, einen neuen zudem: 2016 Viermalweiss von Stefan Bönsch, einem der fünf Winzer der gemischten Bude. Es ist eine Cuvée aus vier Weißweinen, bei dem Bönsch Müller Thurgau („Blume!“), Riesling („Belebung!“), Traminer („Sanftheit!“) und Scheurebe („Eleganz!“) assembliert hat. Ein leichter, frischer Einstiegswein, von dem es (für Bönsch, der unter einem Hektar Rebfläche selbst bewirtschaftet) auch eine größere Menge Flaschen gibt…

Bäckchen gehören ja seit einiger Zeit zu den Gastro-Klassikern. Aber meist sind es solche vom Rind, die durch lange Schmorzeiten butterweich geworden sind. Gebeizte Burgunderbäckchen vom Schwein, Linsengemüse, Laura-Kartoffel waren erfrischend anders! Erstens vom Schwein, zweitens nicht dauergegart, sondern durchs Beizen zart gemacht (eine Erinnerung an das gute alte Pökelfass – allerdings mit Burgunder…) und dann kurz gebraten, mithin innen rosa und saftig und voller (für mich: neuem!) Geschmack. Auch eine Entdeckung: Laura. Eine Spätreife, diese Laura, gelbes Fleisch und (was wir nicht sahen, ist aber so) rote Schale. Nach unserem Liebling La Bonnotte (rar und nicht ganz billig…) ein zweiter Favorit, weil man auch bei der Laura merkt, dass Kartoffeln gar nicht beliebig schmecken müssen! Zum Bäckchen gab’s 2015 Chardonnay Grande Reserve von Stefan Bietighöfer aus der Pfalz, der mit seinem intensiven Bukett (das Holzfass in der Nase!) und wunderbarem Schmelz dem Schwein gut zu Gaumen stand, auch wenn er noch ein wenig jung erschien. „Zuuuuufällig“, meinte Jens Pietzonka, sei Stefan Bietighöfer demnächst Gast in der Weinzentrale. Da werden wir dann mehr von ihm kennen lernen…

Mit dem Hauptgang wollte Olav Seidel an die klassische Sonntagsküche erinnern: ein Schmorgericht. Allerdings ging es nicht typisch sächsisch zu, sondern eher französisch mit seiner Spielart eines Navarin vom Weidelamm. Butterzart, reichlich Soße (bei der Menge muss man die so schreiben und nicht so vornehm Sauce) und ein Hauch von Südfrankreich im Kopf – wie auch im Glas: 2014 Quintessence Côtes de Ventoux vom Château Pesquie von der Rhône. Ausgeschenkt nicht aus der Flasche, sondern aus Eddy, einer neuen Karaffe, die Silvio Nitzsche von der WeinKulturBar designed hat. Der von ihm Weinentwicklungshelfer genannte Dekanter sieht von außen so aus, als ob lauter Dellen im Glas seien – und das stimmt auch, aber eigentlich sind es ja nach innen gerichtete Einbuchtungen, die den Wein beim Schwenken gehörig durcheinander wirbeln und „binnen weniger Sekunden eine Entwicklung durchmachen lassen, die einem mehrstündigen Oxidationsverhalten entspricht“ (Silvio Nitzsche über sein Beatmungsgerät). Ob’s an Eddy lag oder am Lamm oder an unserer guten Stimmung: Die Quintessenz trat uns mit tiefroter Farbe, kräftiger dunkler Sauerkirsche in der Nase und einem Maul von kräftige ausbalanciertem Wein mit Holz und Gewürzen entgegen. Syrah steckt drin, hauptsächlich, „aus alten Reben“ (Jens Pietzonka) – außerdem ein wenig Grenache von uralten Reben (im Netz gefunden).

Was geht nach Lamm? Ziege! Allerdings anders als (mir bislang) bekannt, nämlich als Dessert. Die Idee liefert ein Standardgericht aus dem Schwarzwald (Olav Seidel war lange Zeit Sous-Chef im Schwarzen Adler in Oberbergen): Bibliskäse von der Ziege, Löwenzahnblütensorbet. Im Prinzip die Ziegen-Variante unseres Lieblings-Desserts aus dem Gasthof Bärwalde, das dort als „Leichter Weißkäse mit Tahitivanille“ oder als „Crème d’Anjou“ serviert wird. Die Ziege hielt sich geschmacklich zurück und bot dem grandiosen Sorbet eine Chance, mit dem Quark im Mund zu schmelzen. Unser Wein dazu: ein 2014 Deutschherrenberg Riesling Kabinett vom Deutschherrenhof, Mosel. Ein typischer Mosel-Kabinett, wenig Alkohol und deswegen durchaus geeignet, ein zweites Glas zu trinken…

Weinzentrale
Hoyerswerdaer Straße 26
01099 Dresden

Tel. 0351.89966747
www.weinzentrale.com

Öffnungszeiten
Mo – Fr ab 16.00 Uhr

[Besucht am 4. April 2017 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]
Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.

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