Was die Tomate mit dem Müller macht…

Kochsternstunden 2024: Nicht Fisch Nicht Fleisch

Menü Nicht Fisch Nicht Fleisch

Restaurantbesuche sind ja nicht nur Sattmachereignisse, sondern bestenfalls ein kleines Stück Urlaub mit Anlass zu Gesprächen – gerne dürfen es die so sehr gewünschten guten sein. Nebenher kann man sich dann kulinarisch verwöhnen lassen – und wiederum ein gerne: mit Speis und Trank. Alles Schlagworte, jawohl – aber durchaus solche mit viel Stoff zum Erzählen. Im Restaurant mit dem herrlichen Motto-Namen Nicht Fisch Nicht Fleisch (kurz: nfnf) traut sich das Team um Robert Müller (es ist sein Laden und er macht den Service zusammen mit Katharina Robitzki, die auch als Barchefin wundervolle Mixgetränke mit und ohne Alkohol zaubern kann) sowie dem anderen Robert als Küchenchef: Robert Vetterlein das Statement: wir machen fine dining, aber rein vegetarisch.

WeineWas in Städten wie Berlin, Köln oder München problemlos funktioniert, ist in Dresden ein Wagnis. Für die Betreiber, die den Laden am Laufen halten müssen („aber das haben wir ja gewusst“, sagt Robert Müller, wenn man ihn auf leere Tische anspricht) sowieso. Aber ein wenig auch für die Gäste, die im Begriff Wagnis das Wort wagen entdecken und sich einfach mal trauen und einlassen müssen auf ein sehr schlicht formuliertes Menü: Tomate – Bete – Aubergine – Sorbet – Trüffel – Schokolade. Ja, dahinter verbirgt sich ein abendfüllendes Programm, denn nichts ist so einfach wie es klingt. Und bei unserem Besuch war es sogar noch komplizierter, denn es war ein Winzer zu Gast (wie schön!): Daniel Zein vom Weingut Siegmund & Klingbeil hatte Proben vom „vielleicht rebellischsten Weinhaus an Saale-Unstrut“ (Zitat der Winzer-Webseite) mitgebracht. Es gab also viel zu lernen und zu bereden – wenn man wollte.

Daniel Zein kannte ich schon, Matthias Gräfe und ich hatten einen Podcast über die Weine gemacht und er war beim Gräfe zu einem dieser lauen Abende mit Wein auf der Hauptstraße zu Gast. Aber bekanntlich ist Wein ja ein nachwachsender Rohstoff: es gab im nfnf eine Auswahl mir unbekannter Füllungen. Herrlich (und so leider nicht reproduzierbar, falls jemand noch zum Kochsternstunden-Menü-Abend gehen will – die reguläre Getränkebegleitung steht unten).

TomateDen Vorteil eines Winzers an Bord spielten wir natürlich aus: man muss nur dumm interessiert genug nachfragen, und schon gibt es zum ersten Gang zweimal den gleichen Wein, nur völlig anders. So ist das bei Wein, wenn er handwerklich gemacht ist: jeder Jahrgang verhält sich anders, wenn der Winzer ihm auf dem Berg und im Keller freien Lauf lässt. Es gab also Müller-Thurgau, einmal aus dem Jahr 2021 (ohne die Tomate, zu der wir ihn später probierten, eher kantig) und einmal aus dem Jahrgang 2022 (eher weich und rund). Hinter dem simplen Menüpunkt Tomate verbargen sich: zweierlei Tomaten, Kapern, Schalotten, Senfsaatkaviar, Tomatenchip, Tomatenpuder und eine (sehr weiße) Tomatenconsommé – natürlich nett angerichtet, in Art eines Tatars. Noch mal die Weine beim Essen probieren: der vorher anstrengende 21er fügte sich nun besser rein. Ach ja: das pairing! Zur säurehaltigen Tomate eh meist schwierig, aber manchmal dann eben auch überraschend, was so eine Tomate mit dem Müller macht…

BeteCuvée Freundschaft kommt ins Glas. Unter den eigenwilligen der vielleicht eigenwilligste Wein aus dem Keller in Bad Bibra.  Es ist „die Cuvée in den Grenzen der Deutschen Demokratischen Republik von 1990“, also eine echte D.C.I.D.G.D.DDR mit fünf Rebsorten aus sieben Lagen in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg – und ein idealer Essensbegleiter. Seine Mineralität und Säure machten Freude zur Bete. Die kam als Namensgeber natürlich mehrfach vor, gehobelt und mariniert in reduziertem Rote-Bete-Saft, mit Kreuzkümmel abgeschmeckt und in Reispapier gewickelt. Drei weiße Tupfer waren Mayonnaise von der Muskatblüte, für Frucht und Säure-Spiel sorgt ein Zweierlei von der Blutorange (Filet und Granité) – und nicht nur wegen des grünen Farbgegenspielers war auch noch Platz für ein wenig Petersiliensaft.

AubergineDer nächste Wein kam über einen Umweg ins Glas: raus aus der Flasche und rein in die Karaffe: der Silvaner Nackedei (in Anspielung auf das Gärgefäß so geschrieben: NackedEi) braucht Luft! Direkt vom Dorndorfer Rappental in den Gleinaer Bergen. Überall darf der Wein machen, was er will. Mit allem Pipapo reiften die kompletten Trauben (Stängel inklusive) zwei Jahre in den Gärgefäßen (u.a. Sandstein-Gär-Ei). Der Wein wurde nicht filtriert, dafür ist er erstaunlich klar. „Eine Naturwein-Interpretation“ sei dieser 2020er Silvaner, von dem es nur 629 Flaschen gibt. Dieser Hauch von Orange-Wein traf auf die mannigfach verarbeitete Aubergine: es war ein Pürée mit leicht anfermentierten Streifen der Aubergine, darauf Scheiben der Schlangenaubergine, die mit Zitrusöl und Meersalz mariniert waren. Rote Paprika brachten die bei Aubergine dringend nötige Farbe ins Spiel, aber da sie geflämmt und fermentiert war, auch einen sehr pikanten Zusatz für den Gaumen. Die schwarzen Oliven – Überraschung! – waren süß, weil kandiert und getrocknet.

SorbetVor dem Hauptgang, so sieht es die Menüfolge in der klassischen Küche vor, gibt es ein Sorbet. Um Platz zu machen, um zu erfrischen. Im fisch- und fleischlosen nfnf rumpumpelt es zwar nicht schwer im Magen nach drei Gängen, sondern man nähert sich auf sehr elegant-sanfte Weise dem Sättigungspunkt – aber: warum nicht? Zumal so ein Sorbet aus Bergamotte mit fermentiertem Pfeffer, das mit einem Crémant de Loire aufgegossen wurde, einfach schmeckt! Außerdem ahnt man: jetzt kommt der Hauptgang!

TrüffelTrüffel. Dazu die Kellerkunst aus Bad Bibra – der Wein heißt wirklich so und ist eine Cuvée aus Weißburgunder, Riesling und Silvaner, die 24 Monate im Barrique gereift ist. Dass der Wein nicht jedes Jahr gleich schmeckt, wundert uns nicht, weil: ist so. Aber hier spielt der Kellermeister Sören Siegmund mehrfach herum, denn er variiert die Anteile der beteiligten Rebsorten, er nutzt unterschiedlich alte Fässer – und dann spielt ja die Natur jedes Jahr ansders mit, das hatten wir ja schon. Die Trüffel zum Wein kamen aus dem Perigord. Dazu gab’s regionalen Spinat. Als Pürree und als Blattspinat (lauwarm mariniert mit Sesamöl). Das Ei, das jeden Trüffel in den nächsten Himmel hebt, kam leider nur in Form von ein paar getrockneten Eigelb-Hobel auf den Spinat, aber ganz ohne Fett musste der Trüffel nicht auskommen, denn die Trüffel-Mayonnaise erfüllte diese Aufgabe. Und weil der Gang Trüffel hieß, kam er auch noch als Schaum und reichlich frisch gehobelt auf den Teller.

DessertNackedEi und Kellerkunst waren furztrockene Weine mit keiner oder kaum Restsüße. Aber wenn es sein muss, können sie durchaus auch süß: der Riesling süß heißt nicht nur so, er ist es auch. Ein Zwischending zwischen Kabinett und Dessertwein mit wenig Alkohol – den es auch gibt, weil „unser Kellermeister heimlich gerne süße Weine trinkt“, wie Daniel Zein verriet. Ein Wein, der die Schokolade gut unterstützt. Vom namensgebenden Bestandteil sah man freilich erst einmal nichts, sondern einen dicken weißen Ball mit roten Akzenten drumherum. Das Rote waren Paprika-Gel und Paprika-Puder, unter der Baiserhaube verbargen sich dann eine Schokoladen-Mousse und ein Paprika-Sorbet. Klingt ungewöhnlich? Nun ja, aber warum nicht?

Menü

  • Tomate
  • Bete
  • Aubergine
  • Sorbet
  • Trüffel
  • Schokolade

Getränkebegleitung

  • Portwein & schwarze Johannisbeere
    oder ohne Alkohol:
    Manufaktur Jörg Geiger Inspiration 4.0
  • Weißer Schuh & Aprikose
    oder ohne Alkohol:
    Natureo 0,0 & Aprikose
  • Wermut & Fenchel
    oder ohne Alkohol:
    Martini 0,0 & Fenchel
  • Domina, Weingut Ulrich
    oder ohne Alkohol:
    Kombucha & Orange
  • Marqués de Montemor Tinto & Preiselbeere
    oder ohne Alkohol:
    Ananas & Preiselbeere

Preis

  • Menü 105,00 € | Getränkebegleitung 59,00 €

Nicht Fisch Nicht Fleisch
Nürnberger Str. 32
01187 Dresden

Tel +49 351 26068144
nfnf-dresden.de

Geöffnet:
Lunch mit wöchentlich wechselnder Bistrokarte – Di–Fr 12–14 Uhr
Degustationsmenü in 4, 5 oder 6 Gängen – Mi–Sa 18–23 Uhr

[Besucht am 1. März 2024 | Zur Karte der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung] .

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Hinweis:
Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.

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