Hochgenuss beim One-Month-Stand

PopUp Restaurant "Jens & Friede" im Weingut Schuh

Jens&Friede

Frischer Wind ist wie neue Besen: beides tut gut! In der Gastronomie bieten PopUp-Restaurants Gelegenheit, mal für Durchzug zu sorgen und unkompliziert Neues kennen zu lernen. Nur allzu sehr verlieben sollte man sich nicht: PopUps gehen so schnell, wie sie gekommen sind, da bildet auch das sommerliche Zwischenspiel von Jens & Friede im beschaulichen Sörnewitz unterhalb der Bosel keine Ausnahme: es ist ein One-Month-Stand, den der Dresdner Sommelier Jens Pietzonka (Weinzentrale/Elbzentrale) und der Berliner Koch „Friede“ Friedrich Hofmann (war mal Sous-Chef im tulus lotrek und ist dabei, sich selbstständig zu machen) im Weinhaus Schuh vom 12. Juni bis 13. Juli jeweils donnerstags, freitags und samstags anbieten.

Es gibt ein Viergang-Menü mit passenden Weinen oder einer alkoholfreien Getränkebegleitung, die es in sich hat. Sharin Polte, die eine Zeit lang in der Weinzentrale sommelierte und jetzt wieder in Berlin (im Restaurant Skykitchen) als Sommeliere arbeitet, hat sehr ausgetüftelte Kreationen geschaffen – wie gut, dass wir zu zweit waren und einfach einmal mit und einmal ohne Alkohol bestellt hatten (Menü-Komplettpreis: 129 €/p.P.)

AmuseDer Abend begann mit zwei (nahezu obligaten) Grüßen: der Jens schickte Pane Maggiore aus dem Dresdner Backhaus mit zweierlei Aufstrichen, der Friede hatte Zuckerschotensalat mit Zitronen-Créme-Fraiche und Blütensalat im Gebäckkörbchen arrangiert. Dazu tranken wir Perlwein aus dem Badischen. Aber nicht irgendeinen, sondern den Rosé Mineral vom Weingut am Klotz. Das ist ein Gemeinschafts-Spaß von Fritz und Friedrich Keller aus Oberbergen am Kaiserstuhl einerseits sowie Herbert und Steffen Reinecker aus Auggen im Markgräflerland andererseits. Im Drucktank beim Sektmacher Reinecker vergoren und dann mit der natürlichen Kohlensäure aus dieser 1. Gärung in die Flasche gebracht. Klingt wie ein PetNat? Gut aufgepasst!

ForelleBei unserem Besuch hatte Jens Pietzonka eine PopUp-Auszeit genommen, weil der Sohn Jugendweihe hatte und family first im Gegensatz zu anderen first-Formulierungen ja wirklich mehr als akzeptabel ist. Also kamen wir in den Genuss der Doppelbedienung durch Jana Schellenberg und Alexander Stange (der seit kurzem das Sommelier-Team in der Weinzentrale komplettiert). Für den ersten Gang brachte Alexander eine Spezialabfüllung des Winzers Matthias Schuh für die Weinzentrale: Pinot Funky ist ein Weißburgunder, der nicht die normale Zuwendung erfahren hat, sondern mit den Rappen über Nacht auf der Maische lag und dann lange Hefekontakt hatte. Im Februar war Premiere in der Weinzentrale – mittlerweile hat der Funky noch an Kraft und Strahlkraft gewonnen. Zu einem sehr erfrischend-sommerlichen Teller mit Forelle, Gurke, Apfel und Buttermilch passte der Wein zwar gut – aber im internen battle hatte die alkoholfreie Begleitung die Nase vorn: Gurke – Traube – Wasabi – Minze brachte eben einfach zu viel Gemeinsames oder passend Ergänzendes zur Vorspeise mit! [Drüben bei der SZ gibt’s mehr Funky-Wein-Wissen]

Konfiertes EigelbKonfiertes Eigelb mit Spargel, Kartoffel und Molke klingt ja nach nicht viel Aufregung – aber falsch: das war ein extrem animierender Gang, in dem das konfierte Ei (wer’s nachmachen will, bitte Onsen-Ei googeln…) sich unter zwei Schäumchen versteckte und der Spargel so winzig klein geschnitten war, dass man ihn zwar immer wieder schmeckte, aber nicht wirklich sah. Die Konsistenz des Kartoffelschaums kann nicht genug gelobt werden, vor allem, wenn dann das wachsweiche Eigelb erreicht war und alles zusammen zum sommerlichen Soulfood verschmolz. Dazu musste es natürlich einen Chardonnay geben – einen kräftigen sogar: 2021 Chardonnay Fleuri Domaine Michelot passte – und errregte deutlich mehr Nachschenklust als Gelber Muskateller Traube – Orange – Zimt, von dem freilich auch nichts übrig blieb…

RehBeim Hauptgang erregte ein Reh aus Brandenburg unsere Aufmerksamkeit: es schmeckte nach Wild, aber nicht wild. Es war mehr rot als rosa, aber nicht blutig. Es hinterließ nicht diesen lebernen Eindruck, wie Wild das sehr gerne mal macht. Und es lag in reichlich Sauce, was man bei jungen engagierten Köchen auf jeden Fall lobend erwähnen muss! Dass die beiden Fleischstücke außen kross angebraten waren, hatten wir schon aus der Küche heraus gerochen und Lust bekommen – da war Butter im Spiel, ganz bestimmt! Der sehr passende Rotwein 2021 Origines Rouge war ein Grenache von Christophe Marin und hatte gegenüber dem Mix aus Kirsche – Rote Paprika – Agave den Vorteil, nachhaltiger Geschmackspuren zu hinterlassen. Zum Essen selbst mochten wir uns gar nicht entscheiden, wir fanden beide Optionen sehr passend – aber bei den Säften gilt: wenn weg, dann weg. Da haben gute Weine einfach mehr drauf.

ChouxZum Dessert durfte es ein kleines deutsch-französisches Wortspiel sein: Choux sind kleine französische Windbeutel – und sie sprechen sich wie das Weingut, das die Heimat des PopUp-Restaurants ist: Schuh. Im Brandteig gab eine Vanilleeiskugel reichlich Haselnusscréme Halt – und wenn wir uns nicht geirrt haben, war da auch noch etwas Himbeere im Spiel. Die fand sich auf jeden Fall in der alkoholfreien Begleitung Himbeere – Earl- Grey – Honig wieder, die für sich genommen sehr süß war – aber zum Dessert genossen jegliche Süße verlor und primstens passte. Auch wenn bei mir (wieder einmal der Wein!) ein Rosé Cru Classé aus der Provence vom Château Galoupet mehr mit den gelernten Erwartungen kokettieren konnte…

PopUp Jens&Friede
im Restaurant vom Weingut Schuh
12. Juni – 13. Juli 2024 Do–Fr–Sa ab 18 Uhr
Nur mit Reservierung (über jenspietzonka.de)

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