Kein Weinfest wie alle anderen

Herbst- und Weinfest Radebeul mit Wandertheaterfestival vom 27. bis 19. September

Zum Wohl das Weinfest

Weinfeste gibt es viele – keine Weinregion kommt ohne sie aus. Nicht alle sind gleich, viele folgen immer noch der althergebrachten Formel Wein, Weib und Gesang – wobei letzterer oft so ist, dass man gut drauf verzichten könnte, und auch ein respektvollerer Umgang mit den Frauen täte ja manchem Fest gut. Bleibt der Wein, und das ist dann ja auch gut so. Etwas anders – nein: viel anders! – ist es in Kötzschenbroda auf dem Dorfanger, denn das Weinfest dort ist eine innige Beziehung eingegangen mit dem Internationalen Wandertheaterfestival, das diesem Herbst- und Weinfest einen ganz eigenen und einzigartigen Charakter verleiht.

Helmut RaederWas dieses Miteinander so besonders macht, fasst Helmut Raeder – der wissende, ganz oft ansteckend lächelnde und trotz manchmal sicher nerviger Publikumsfragen immer auskunftfreudige Kopf des Festivalteils – rückblickend zusammen. Rückblickend, weil er nach 27 Jahren von Bord geht und (in diesem Jahr gemeinsam mit dem Nachfolger Björn Reinemer) die künstlerische Leitung übergibt. Also sagte Helmut Raeder bei der Vorab-Pressekonferenz: „Speziell beim Weinfest hatte ich ja die Chance genutzt, zusammenzufügen, was zusammengehört: das Fest des Weines fest zu verbinden mit der Theaterkunst.“ Aber Raeder wäre ja nicht der mit dem Schalk im Nacken, wenn er nicht gleich hinterher schieben würde, dass so ganz eigentlich ja nicht er es gewesen ist: „Es war nicht meine Idee, sondern die Idee ist Jahrtausende alt. Ich habe schlichtweg historische Dinge genommen, die in der Antike schon praktiziert wurden, nämlich bei den Dionysen im alten Athen!“ Da gab es nämlich ausschweifende Feste zu Ehren von Dionysos (später in Rom: Bacchus)! Der Anstich des ersten Fasses Wein wurde gefeiert, so ähnlich wie bei uns der Anstich des ersten Fasses Federweißer.

Es gab turbulente Umzüge, es gab ausschweifende Orgien und es gab Theater. Das war also der Moment im Laufe des Jahres, wo die großen Dichter und Denker aufeinander trafen und sich dort gemessen haben. Sogar einen Publikumspreis gab’s schon, so wie er sich beim Wandertheaterfestival bewährt hat: wer den gewinnt, darf im kommenden Jahr wieder kommen (aber jeder, einzige Wermutstopfen und doch irgendwie gerecht, darf nur einmal gewinnen). „Im Jahr 442 v.CHr. hieß der Sieger Sophokles, er gewann mit seiner Antigone„, gab Raeder sein (schnell zuvor online aufgefrischtes Wissen, wie er zugab) weiter. In diesem Jahr ist Sara Twister als Gewinnerin des Publikumspreises 2023 wieder dabei und wird alles tun, um ihrem Ruf als quirlige und waghalsige Bogenschützin gerecht zu werden. Das hat schon auch was von Drama, Baby! – aber natürlich nicht im Sophokles-Sinn. Aber vielleicht hat ja Bernd Lafrenz da eine Chance: er ist „Mit Shakespeare unterwegs“ und schafft es, den in der Schule manchmal arg gequälten Stoff so zu vermitteln, wie es bei Shakespeare und seiner Truppe üblich war: mit Leidenschaft und Spaß! Begleiten lässt sich Lafrenz übrigens von Thomas Roth, der sich einem sehr schönen (und hierzulande wenig bekannten) Instrument verschrieben hat: der Nyckelharpa.

Björn ReinemerWomit wir ganz unvermittelt bei der Musik sind. Den Part zu gestalten hat in diesem Jahr Björn Reinemer übernommen. Der war schon als Kind auf dem ersten Wandertheaterfestival (natürlich mit seinen Eltern) dabei und will jetzt einerseits Bewährtes lassen („Ich liebe das Fest, ich liebe diese Vielfalt, diese friedliche Atmosphäre!“), andererseits aber auch neue Akzente setzen. Zum Beispiel sei ihm die Förderung der jungen Bands und Musiker und Musikerinnen wichtig. In diesem Jahr kann man u.a. Jaeman, KellerKumpanen und Sonnenbrillenmann erleben (alle im Hoftheater Nr. 15). Insgesamt kommen 27 Bands – plus auf dem Theaterkarussell des famosen Georg Traber als 28. Band Kolotoć feat.Maja Rolenova. Außerdem natürlich in den Höfen, die ja auch für das Fest ziemlich wichtig sind, verschiedene Bands und Akteure. Insgesamt werden über 100 Musiker und Musikerinnen spielen – aus der Region, national sowie international (Schweden, Frankreich, Argentinien, Schweiz, Kolumbien, Armenien).

Bacchus und WeinköniginUnd was ist mit Wein? Ruhig, Brauner: den gibt es ausreichend. Um die 35 Winzer*innen und Weinbaugemeinschaften aus Sachsen und Saale-Unstrut sind dabei – wer schon mal da war: die meisten findet man da, wo man sie immer findet. Schlendern ist die beste Suche, da sieht man auch Dinge, die man nicht geplant hat. Aber es gibt auch ausreichend Infos im Netz, inklusive einer Karte mit den Weinständen. Eine Weinsonderedition gibt es auch – der Förderverein Internationales Wandertheaterfestival Radebeul e.V. unterstützt mit dem Erlös der auf 350 Flaschen limitierten Edition das Festival. Das Künstleretikett auf der Flasche hat die Radebeuler Malerin Karen Graf gestaltet. Sie hat das diesjährige Fest-Motto „Mimen, Masken, Musenküsse“ aufgenommen und spielerisch in Szene gesetzt. In der Flasche ist ein Müller Thurgau (Jahrgang 2023) von alten Radebeuler Reben aus dem Goldenen Wagen. Dass der in Paris geborene Frédéric Fourré den Wein gemacht hat, passt nicht schlecht zum internationalen Charakter des Festivals. Am Stand des Fördervereins neben dem Theaterkarussell kann man die Flaschen käuflich erwerben – und Frédéric Fourré ist wie immer an seinen beiden Stammplätzen zu treffen auf ein Glas Wein…

Wie immer: das Event kostet Eintritt. Nicht am Freitag, aber Samstag und Sonntag. Im Vorverkauf ist es günstiger, als Wochenend-Ticket auch (Details im Netz). Auch wie immer: wer mit dem Auto kommt, wird doppelt bestraft: es gibt kaum Parkplätze und Wein plus Autofahren ist nie eine gute Idee. S-Bahn und die Linie 4 der DVB sind die besseren Möglichkeiten, stressfrei hin und zurück zu kommen.

Muriel e CésarAuch wie immer, aber dieses Jahr ein bissl anders: das große Finale auf der Elbwiese. Wieder ein Feuerspektakel, aber in diesem Jahr vom chilenischen Künstlerpaar Muriel und César gestaltet – die auch an den beiden Tagen zuvor die Elbwiese mit ihren Ideen bereichern. Wenn es nicht klick gemacht hat bei den Namen: Muriel und César stecken hinter vielen fantasievollen Kreationen, die man auf den Radebeuler Festem schon gesheen hat: der Abenteuerspielplatz zu den Karl-May-Festtagen, die fliegenden Figuren beim Puppentheaterfestival Kasperiade, die leuchtende Weihnachtskrippe und der Figurenbaum auf dem Weihnachtsmarkt „Lichterglanz & Budenzauber“ und die Kunstinstallationen auf den Streuobstwiesen stammen von ihnen.

Informationen: radebeul.de/weinfest/

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