Das große Vorbild ist der Beaujolais Primeur (oder Beaujolais Nouveau) aus dem französischen Weinbaugebiet Beaujolais nördlich der Stadt Lyon: ein junger Wein, der schon in dem Jahr fertig ist und verkauft wird, in dem die Trauben wuchsen. Frisch und fruchtig soll er sein und möglichst zügig auch getrunken – die jungschen Weine sind keine Langstreckenläufer. Aber: sie schmecken unkompliziert und kommen so vielen entgegen. Der Marketing-Gag der Franzosen war, diesen Wein immer am dritten Donnerstag im November in den Verkauf zu bringen und das Datum mit dem Erscheinen des Nouveau zum Hype zu machen. Das können wir besser und vor allem schneller! hat man sich vor neun Jahren bei der Winzergenossenschaft in Meißen gedacht – seitdem gibt es immer am 11. November – also auf jeden Fall vor dem dritten Donnerstag des Monats! – den Grünschnabel. Aber er ist nicht nur früher dran, sondern er hat als Hingucker auch ein jährlich wechselndes Etikett, das von Anfang an der Künstler und Karikaturist Lutz Richter entwirft.
Der Grünschnabel (also der auf dem Etikett) erzählt jeweils ein wenig, wie es denn so war in dem Jahr. Weswegen es in diesem Jahr beinahe ein fröstelnder Grünschnabel in einem Eisblock geworden wäre, denn der Frost Ende April hat den Winzerinnen und Winzern der Genossenschaft Meißen natürlich genauso zugesetzt wie den meisten anderen Winzern der Region. Auf einer Pressekonferenz zeigte Lutz Richter jetzt den Entwurf: lustig – aber in Wirklichkeit natürlich für die Winzer gar nicht lustig. Wie schön, dass die Meißner Winzer eine durch und durch positive Alternatividee hatten: Auf der AWC Vienna – der weltweit größten offiziell anerkannten Weinbewertung – räumten die Winzer nämlich ab. Fünf Gold- und vier Silbermedaillen und ein daraus folgendes beachtliches Gesamturteil: 4 Sterne (von fünf möglichen). 10.824 Weine von 1.412 Produzenten aus 41 Nationen durften die 208 Verkoster aus 17 Nationen bei der AWC VIENNA 2024 probieren, sie vergaben Punkte nach dem international üblichen Schema, die bis zu 100 reicht.
„Wir sind das erste sächsische Weingut, das mit vier Sternen ausgezeichnet wurde!“, freute sich Lutz Krüger, der Geschäftsführer der Winzergenossenschaft – und konnte sich einen freundlichen Seitenhieb nicht verkneifen: „Wackerbarth hat zwei und Lippe hat einen Stern“, gab er schmunzelnd zu Protokoll und hob sein Glas – Scheurebe-Sekt brut, mit 90,5 Punkten bei der AWC Vienna mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Die vier Sterne, die sich nach der Addition der sechs bestbewertesten Weine ergaben, zieren jetzt das Etikett des 24er Grünschnabels: er jongliert sehr locker mit ihnen herum – und die fünf güldenen Medaillen baumeln an der Brust des gut gelaunten Vogels.
Der Grünschnabel (dieses Mal: der Wein) ist ein typischer Jungwein. Janine Merkel, eine der beiden amtierenden Weinprinzessinnen, beschrieb den Grünschnabel: „Er hat ein sehr gutes, fruchtiges Bukett. Frisch, fruchtig und hier sehr exotisch. Ananas, Pfirsich und ein bisschen schwarze Johannisbeere“ roch sie. Dieses Jahr ist der Wein nicht so süß wie im vergangenen – da hatte der Grünschnabel 60 Gramm Restzucker bei 6 g Säure. In diesem Jahr sind es knapp unter 26 g Restzucker bei ähnlichem Säuereanteil, was den Wein immer noch nicht sächsisch-trocken macht, aber das soll er ja auch nicht sein. Die Kund*innen mögen’s aber süß: im vergangenen Jahr wurden rund 10.000 Flaschen verkauft, und trotz der mengenmäßig bescheidenen 24er Ernte (ungefähr nur ein Zehntel des normalen Ertrags) sollen es in diesem Jahr genau so viele werden. Und das nicht nur wegen der Tradition – es ist ja auch geschäftlich ein Erfolg: „Unsere Kunden haben sich in diesen Wein verliebt und so haben wir noch vor Beginn der Produktion Vorbestellungen für über 2.000 Flaschen“, sagte Lutz Krüger. Kaufen kann man den Wein ab 11. November – zum Beispiel in der Vinothek der Winzergenossenschaft für 10,95 Euro.
Winzergenossenschaft Meißen
Bennoweg 7
01662 Meißen
Tel. +49 3521 780970
winzer-meissen.de
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