Wir müssen einen gewissen Preis erzielen

Besuch beim Winzer Uli Kremer in Großheubach (Churfranken)

Uli Kremer

Wir treffen Uli Kremer am Fuße des Weinbergs, der heute mit 50 ha eine ziemlich große Lage ist – alles Bischofsberg links und rechts von Großheubach – außer dem Klostergarten, der (nomen es omen) rund ums Kloster liegt (der eine Hektar dort wird von Kremers allein bewirtschaftet). Die alten kleinteiligen Gewannbezeichnungen sind offiziell verschwunden, was erstens schade und zweitens unpraktisch ist: wie soll man sich denn da verabreden als Winzersleut‘? „Oh doch,“ sagt Uli Kremer, „wir nutzen untereinander schon noch die alten Flurnamen und treffen uns beispielsweise am Sündfluss!“.

Das Weingut ist gar nicht mal so alt: Vater Stefan hat es 1975 gegründet. „Mein Großvater war Müllermeister, hat Mehl gemahlen, hat ein bisschen Landwirtschaft gehabt“, erzählt Uli Kremer. Zur Landwirtschaft gehörte, so war das früher®, natürlich auch ein Weinberg. Aber der war verpachtet. Weil aber Vater Stefan eine Mehlstauballergie hatte, musste er sich entscheiden – es sollte irgendwas mit Saft sein. vielleicht Apfelsaft oder Apfelwein. Oder gleich richtiger Wein: 1975 wurden die ersten Trauben wieder im Weingut ausgebaut, aus dem einen Weinberg wurden schnell fast drei Hektar Rebfläche. „Die Weine wurden eigentlich alle über unsere Heckenwirtschaft verkauft“, weiß Kremer. Nicht untypisch für die Gegend ist das, und es funktioniert auch ganz gut in Churfranken – sowohl für die Winzer als auch für durstige Kehlen (eigene Erfahrung bei einer STIPvisite). Die Heckenwirtschaft hat fünfmal im Jahr für ca. zwei Wochen offen, mit kleinen Speisen und natürlich hauseigenem Wein.

Uli Kremer ist seit 2014 mit im Betrieb, zuerst nur im Keller und nun mit seinen erst 33 Jahren insgesamt verantwortlich. Die drei Hektar hat man auch hinter sich gelassen, derzeit sind es 15 ha. „Aber jetzt ist so ein Punkt, wo es reicht. Mehr wollen wir nicht, mehr können wir nicht“, sagt Kremer (mal sehen, wieviel er hat, wenn wir uns in zwei, drei Jahren mal wieder sehen sollten…). Was er anders gemacht hat? „Ich habe sehr viele Stellschrauben noch feiner gedreht, vor allem draußen im Anbau“, sagt er. Und im Ausbau geht es eher Back to the Roots. „Wir lassen dem Wein einfach deutlich mehr Zeit und machen das Ganze ohne großen Behandlungsstoffe.“

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PetNat

Neben so grundsätzlichen Überlegungen macht er auch sonst manches anders. Zum Beispiel gibt’s zur Begrüßung am Weinberg einen PetNat. Einen was? fragen da natürlich gleich welche – und es gibt Antworten auf verschiedenen Ebenen. Die reichen vom wertenden „So Hipster-Sekt mit buntem Etikett“ bis zur wissend dahergesagten Langfassung des PetNat-Kürzels: Pétillant Naturel, was zwar richtig ist, aber keinen weiteren Erkenntnisgewinn außer neuerlicher Verwirrtheit bringt. Also sagt der Winzer, der aus einer Flasche mit schönem bunten Etikett (aha!) eine milchig-trübe, leicht blubbernde Flüssigkeit ins Glas schenkt: „Das ist eine Art Champagner, es ist die Urtradition, wie früher Champagner hergestellt wurde!“ Also Flaschengärung, aber ein bisschen ursprünglicher als beim Schampus und somit auch hier zurück zu den Anfängen: der Jungwein kommt noch gärend in die Flasche, die Hefen arbeiten dann dort weiter, wobei CO2 entsteht. Die Kohlensäure kann aber nicht raus aus der Flasche, weil da ein Kronkorken vor ist… Anders als bei Sekt oder Champagner bleibt die Hefe mit in der Flasche. „Wir arbeiten hier komplett Natur, also das heißt ohne Schwefel“, erklärt Uli Kremer die Trübe des PetNat, der allerdings keine Trübnis beim Trinken bereitet. Denn es ist ein durch und durch natürliches Produkt, bei dem in der Beschreibung des Winzer ganz viel „ist nicht drin“ vorkommt: „Wir haben keine Dosagezuführung gemacht, also keinerlei Restzucker hinzugefügt!“ Und sie haben im Keller weder Säure rausgenommen noch Säure hinzugegeben. Und das Ganze ist ohne Schwefelung gemacht!

PetNats, das haben die Erfahrungen der ersten Winzer nach der Wiederentdeckung der alten Technik vor einigen Jahren gezeigt, schmecken besser bei der Verwendung von Aromarebsorten. In diesem ist das ein Muskateller, und zwar „100 % gesundes, reifes Traubenmaterial. Nicht überreif, denn wir wollen ja nicht zu viel Alkohol haben. Wir wollen es einfach schön frisch mit schöner Aromatik“, sagt der Winzer. Und die Zweifler werfen ein: da bleibt ja nur bedingt viel übrig, nachdem die Trauben für knapp 30 Stunden auf der Maische stehen und spontan (also ohne Zusatz von Reinzuchthilfen) vergoren wurden. Aber wie so oft: die einen mögen’s nicht und die anderen lieben es. Einer, der es liebt, ist Fabian de Vries vom Tofree auf Sylt – mit dem zusammen hatte Uli Kremer erst 2023 die Idee für einen PetNat. Und so entstand der PAT BOOM BANG, mit Etikett im Comic-Stil und (wenn man’s mag…) herrlich erfrischendem Trink-Erlebnis.

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Im Weinberg

Auf dem Weg zum Zwischenziel – einer Art offener Holzkiosk – gehen wir einen Teil des Weinlehrpfads. Man kann den natürlich auch alleine gehen und die Schilder lesen – zum Silvaner, zur Geschichte des Weinbaus am Bischofsberg, zur Weinbaugeschichte: solche Dinge – oder sich vom Winzer schlau machen lassen. Das ist insofern die bessere Lösung, weil der natürlich im Kiosk auch eine Zwischenweinprobe vorbereitet hat. Aber er kann eben auch erzählen…

„Es gibt jedes Jahr so viele Sachen, die ich probieren möchte und verändern auch möchte!“, sagt Uli Kremer – „aber man hat halt immer nur jedes Jahr eine Chance…“ Das ist ja der Winzer Leid: sie arbeiten mit der Natur, und die gibt auch den Zyklus der Arbeiten vor. Aber unabhängig von der jährlich einen, großen Chance gibt es natürlich die kleinen Experimente und Stellschrauben, die der Weinqualität dienen. Dazu gehört beispielsweise, den Weinen mehr Zeit zum Reifen zu geben: bei der Premium-Linie sei aktuell der 22er Jahrgang im Verkauf, der 23er liege noch komplett im Fass und werde nach dem Herbst (der Lese) oder auch erst im Winter gefüllt und erst 2025 verkauft. Stilistisch habe er immer ein Ziel, sagt Kremer: „Immer eine schöne Frucht, eine angenehme präsente Säure, aber niemals marmeladig, niemals überladen, niemals überreife Trauben!“ Und immer auch das Ziel, den Weinen nicht zu viel Alkohol mitzugeben – zwölf, zwölfeinhalb Volumenprozent strebt er an.

Was Neues kann auch mal was Altes sein – alte Reben beispielsweise. Im Weinbau kein wirklich geschützter Begriff, entsprechend locker wird damit umgegangen. Bei den alten Reben des Silvaners, den Kremer vor vier Jahren neu dazu bekam, stellt sich die Frage nicht: die Anlage ist knapp 90 Jahre alt! „Das sind wirklich uralte Knochen, richtig, richtig dicke Stöcke mit ganz wenig Ertrag!“, schwärmt der Winzer und teilt seine Gedanken, wie er aus so alten und zudem wurzelechten Reben den passenden Wein machen kann. Ein Stückfass (da passen 1.200 Liter rein) war die Wahl der Stunde, um dem Wein nur einen Hauch von Holz mitzugeben. Bestellt war es schon, fränkische Eiche sollte passen. Soweit, so gut gedacht. Aber die alten Knorzen geizten zwar nicht mit Geschmack, aber mit Menge, es kamen nur 600 Liter zusammen. Glücklicherweise hatte der Fassmacher noch ein Halbstückfass…

Die Trauben wurden vergleichsweise früh gelesen (das hilft beim Ziel des moderaten Alkoholgehalts), aber auch nicht zu spät – um dem Wein noch eine angenehme Säure mitzugeben. „Silvaner, wenn er zu reif wird, neigt dazu, Säure so abzubauen, dass da fast nichts mehr vorhanden ist“, erfahren wir. Die gelesenen Trauben stehen dann über Nacht auf der Maische, damit sich die ganze Aromatik aus der Beere löst. Und dann wird der Traubensaft ohne Einsatz von Reinzuchthefen spontan mit der eigenen Flora, die sie aus dem Weinberg mitbringen, vergoren. Und dann kommt der Faktor Zeit ins Spiel. Der 23er liegt im September 24 noch im Fass. „Der liegt genauso auf der Vollhefe. Die wird nicht aufgerührt, die bleibt einfach so!“ Abgezogen wird der Wein Ende September.

Probe in der Vinothek | Klicken öffnet mehr

Vinothek

Die Vinothek ist modern, aufgeräumt und noch gar nicht so alt: 2019 wurde sie fertig. Genau: das Jahr drauf war da pandemiebedingt nicht so arg viel los, aber „online tastings aus einer schönen Vinothek machen sich auch besser!“. Einige Jahre danach klingt der Humor schon gar nicht mehr so sarkastisch. Den Hinweis auf die Schönheit der Vinothek versteht man besser, wenn Uli Kremer vom nächsten Vorhaben berichtet: eine neue Halle muss her! Der Grund ist nachvollziehbar, denn das Weingut ist so dimensioniert, dass man den Ertrag von drei Hektar ganz gut verarbeiten kann. Nun sind es aber deutlich mehr, und das macht’s eng. „Ich kann keine Führung durch den Keller machen, weil der voller Tanks und Holzfässer bis hoch unter die Decke steht – es platzt eigentlich alles aus allen Nähten!“ Auf dem Hof sieht’s nach Aussagen des Winzers nicht besser aus, und von der Garage für das Auto der Frau will er gar nicht reden: auch schon von Holzfässern okkupiert. Also muss eine große Halle her, „da gehen wir jetzt langsam in die Planung“. Mindestens 600 Quadratmeter soll sie groß sein,was auch heißt: da kommen große Investitionen auf Uli Kremer zu –von einer „guten Millionen auf jeden Fall“ spricht er.

FrühburgunderDarauf einen Frühburgunder vom Großheubacher Bischofsberg, Jahrgang 2022. „Ich habe mir immer geschworen, Frühburgunder werde ich niemals pflanzen“, bekennt Uli Kremer. Ich habe nicht gefragt, warum – denn seit dem Besuch beim Herrn Lüttmer weiß ich: „Frühburgunder ist eine Diva, die will umsorgt sein“. Aber als Uli Kremer die Möglichkeit erhielt, einen schönen Weinberg in Großheubach mit einer Gesamtfläche von 1,5 Hektar zu übernehmen, schlug er zu – auch wenn da auf einem Drittel Frühburgunder stand. „Mittlerweile möchte ich ihn gar nicht missen, weil er echt wunderschön ist!“ Es wird auch dieses Jahr aus diesem ganzen halben Hektar, „ich denke mal ein gutes Fass geben“. Mehr nicht, denn die Anlage war ganz schön getroffen vom April-Frost. „Aber was drin hängt, sieht sehr vielversprechend aus und das müssen wir auch alle zwei Tage kontrollieren, weil ich denke, bis Mitte nächster Woche wird er auf jeden Fall nach Hause kommen,“ sagt Uli Kremer. Der 22er Frühburgunder im Glas ist erst sein zweiter Versuch, aber der zeigt, was in der Diva steckt: schöne frische Frucht, typischer Frühburgründercharakter. Und wie schon theoretsich erörtert: trotz des warmen Jahrgangs ’22 weder opulent noch marmeladig, verträgliche 13 Volumenprozent Alkohol. Ein feiner Wein!

FrühburgunderFrage einer Mitreisenden:“Und was wird dann eine Flasche kosten, circa?“ Uli Kremer holt aus (das ist ja nie ein gutes Zeichen…) und meint, dass er an seiner Preispolitik noch ein bisschen arbeiten müsse. Was natürlich nicht bedeutet, dass der Wien zukünftig günstiger zu haben sein wird. Derzeit steht der Frühburgunder mit 15 € in der Liste, demnächst könnte er „irgendwo zwischen 20 und 30 Euro kosten“. Da ist nicht nur die geplante neue Halle dran Schuld, es geht Kremer um die Anerkennung der Arbeit, bei der viel Handwerk drin stecke. Außerdem müsse man auch sehen, „dass wir hier doch sehr wenig ernten. wir haben alles Handarbeit, gerade in den Steillagen, in den Terrassenlagen.“ Und das gelte nicht nur für den Frühburgunder. „So einen Weinberg wie den Silvaner alte Reben überhaupt zu pflegen, das macht eine Wahnsinnsarbeit!“  Um wirtschaftlich überleben zu können, müsste er aus diesem Weinberg mindestens 5.000 bis 6.000 Liter rausholen, es seien aber gerade mal 600. Kremer greift zum Glas mit dem Frühburgunder und denkt quasi laut: „Also das ist dann schon so reduziert, dass wir einfach sagen müssen, wir müssen einen gewissen Preis erzielen.“ Er nimmt einen Schluck vom Frühburgunder, guckt zufrieden und wiederholt: „Wir müssen einen gewissen Preis erzielen!“

Bevor wir zum nächsten Rotwein kommen – es ist die Cuvée Steiner – noch ein paar Gedanken zur Sortenvielfalt im Weingut. Es sind zu viele! „Auch solche, die ich einfach gar nicht brauchen kann, aber aktuell noch den Absatz dafür habe!“, bekennt Uli Kremer. Aber da will er ran, das minimieren und sich auf Burgunder spezialisieren und den Silvaner lassen (zumal der ja bei ihm auch burgundisch schmecken kann).

SteinerDie 2022 Rotwein-Cuvée Steiner im Glas hat ihren Namen von einer dieser alten Gewannenbezeichnungen vom Großheubacher Bischofsberg: oben am Hangrücken des Bischofsberges gibt es eine sehr steinige Lage, daher die Bezeichnung Steiner. Drei Berge fallen in diesem Gewann zusammen, und aus ihnen kommen die Haupt-Cuvée-Partner Merlot und Cabernet Franc (Merlot entstand aus einer Kreuzung mit Cabernet Franc) – Weine, die nach Bordeaux klingen. Dort haben die Weine gerne so 14 und mehr Volumenprozent, dieser hier hat 13,5 und gehört damit zu den vergleichsweise gradlinigen Vertretern. Natürlich ist der 22er noch jung und entsprechend verschlossen, aber so lange wie die großen Bordeaux-Brüder wird er nicht brauchen, um noch mehr zu gefallen. Aber wer bei Rotwein eher an was Kräftiges denkt, wird sich von der Farbe bis zum Geschmack beim Steiner wohl fühlen (15 €/Flasche).

Pinot Noir ReserveZum Abschluss aber noch ewas von der Königin der Rotweinsorten: Pinot Noir, Spätburgunder. Dieser hier im Glas hat auch schon fast das richtige Alter, es ist ein 2017er Jahrgang vom Centgrafenberg. Für den VDP-Betrieb Fürst ist das eine Große Lage, für die anderen dort schaffenden Winzer selbstredend auch eine großartige. 2017 war auch eher ein kühleres Jahr, auch da gab es leichte Frostschäden im Frühjahr – aber nicht im Centgrafenberg. Dieser Pinot Noir Resérve ist von der Machart noch Kremer-Old-School: „Alles ganz normale Maischegärung und entrappt. Seit dem Jahrgang 2019 arbeiten wir teilweise mit Ganztrauben und dann halt zwölf Monate Ausbau im kleinen Fass.“ Der Pinot überzeugte mit ganz schön großem Geschmack. Den hätte man gerne nicht nur zur kleinen Probe gehabt, sondern den ganzen Abend…

Weingut Kremer
Mühlgasse 12
63920 Großheubach

Tel. +49 9371/3270
weingut-kremer.de

Öffnungszeiten der Vinothek
Mo-Fr 8.30-12.00 & 13.30-18.00 Uhr, Sa 8.30-15.00 Uhr

[Besucht am 5. September 2024  | Alle Beiträge Churfranken –  Wein und Winzer Franken]

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Hinweis:
Die Recherchen zu diesem Beitrag wurden unterstützt mit einer Pressereise auf Einladung des Churfranken e.V.

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