Alphabet des nützlichen Weinwissens

Der kleine Johnson, Ausgabe 2026

Alles ist relativ, das wissen wir nicht erst seit Albert E. Deswegen darf ein Buch mit stattlichen 512 Seiten Umfang auch Der kleine Johnson heißen – schließlich gibt es auch ein umfangreicheres Werk, das dann folgerichtig der große Johnson ist. Der also nicht ganz so kleine Johnson erscheint seit 1977 im englischen Original, seit 1978 auch auf deutsch. Sein namengebender Gründer Hugh Johnson ist seit 2022 nicht mehr Chefredakteur – Margaret Rand erledigt das jetzt federführend. Aber da sie schon länger dabei war, tut das dem Inhalt keinen Abbruch – und beim Titel setzt man eh auf Tradition.

„Der kleine Johnson“ ist zwar ein Weinguide, aber er ist anders als die anderen. Zum einen sind die Texte denkbar knapp – kein Platz für Geschwafel und Blabla! –, zum anderen ist er umfangreich. Die 47. deutsche Ausgabe erschien (auf Grundlage der 49. englischen Originalausgabe) am 3. September 2025 und läutete damit das Rennen des aktuellen Who is Who in der Weinbranche ein. Natürlich steht, auch wenn die Weine aus 2024 (oder davor) sind und die Texte 2025 geschrieben wurden, draußen 2026 drauf – so ist das nun mal in der marketinggetriebenen Welt der Bücher.

Anders als die bisher hier vorgestellten Guides zum Thema Wein ist der Johnson nicht deutschlandzentriert – aber (natürlich? natürlich!) sind deutsche Winzer und deren Weine dabei. Einer hat’s sogar in die Kategorie Zwölf Weine für 2026 geschafft, in der sieben Rot- und fünf Weißweine gelistet sind. Ich halte zwar aus vielen Gründen nichts von derlei Listen, lese sie aber dennoch, weil ja immer irgendwas zum Lernen drin enthalten ist (oder zumindest sein sollte). Unter lessons learned verbuche ich also, dass bei den Rotweinen einer aus dem Libanon dabei ist und bei den Weißweinen einmal England. Für Nerds vielleicht nicht überraschend, aber so als Normalo schon die Überlegung wert, dass es hinterm Elbkilometer 456 weitergeht. Der deutsche Wein kommt übrigens von der Saar und ist der Scharzhofberger Riesling GG 2018 vom Weingut von Hövel. „Hier zeigt der deutsche Riesling wieder einmal, dass ihm in Sachen Spannung und Haltung keiner gleichkommt“, lautet das abschließende Urteil in der Begründung.

Womit ich gleich mal im Kapitel Deutschland blättere. Seite 234 bis 262 (oben) gehört den Winzern und ihren Weinen aus deutschen Regionen. Für Deutschland verantwortlich ist (nein, in diesem Fall nicht die Bundesregierung, sondern im Buch) Ulrich Sautter, ein profunder Kenner der Weinlandschaft. Sachsen mag er auch – das weiß man, wenn man seine Beiträge im Falstaff liest, wo er der Chefredakteur Wein ist. Also geben wir mal den Lokalpatrioten und schauen, wer dabei ist und wie bewertet. Das ist auch die Chance, auf die knappe lexikalische Machart des kleinen Johnson hinzuweisen: Nach einer Karte mit den Anbaugebieten und einer kurzen Einführung findet man für neun der 13 Anbaugebiete eine Jahrgangsübersicht – zwei Zeilen maximal pro Jahr müssen da reichen. Für den internationalen Markt sind Sachsen, Saale-Unstrut, die Hessische Bergstraße und der Mittelrhein für diese Statistik wumpe, aber egal.

Dann geht’s alphabetisch weiter, thematisch munter durcheinander – woran man sich aber prima gewöhnen kann. Ich wollte ja über Sachsen schreiben: da sind zwischen Aust (Seite 238) und Zimmerling (Seite 262) die auch meiner Meinung nach bedeutenden Weingüter Schloss Proschwitz und Martin Schwarz dabei. Um mal ein Beispiel zu geben, wie so ein Eintrag aussieht: „Schwarz, Martin Sachsen *** Perfektionistischer Winzer (6 ha) in Meißen, SACHSEN: CHARDONNAY, RIESLING, SPÄTBURGUNDER und, ob Sie es glauben oder nicht, NEBBIOLO.“ Kann man knapper und kürzer kaum fassen – und macht doch neugierig, oder? Unter dem Eintrag Sachsen, den es im Alphabet des nützlichen Weinwissens natürlich auch gibt, findet man noch den Hinweis auf andere empfehlenswerte Weingüter der Gegend: Drei Herren, F. Fourré, Gut Hoflössnitz, Rothes Gut, SCHLOSS WACKERBARTH, Schuh – plus die vier zuvor genannten, natürlich. Bewertet sind die vier mit eigenem Eintrag erwähnten sächsischen Erzeuger übrigens alle mit 3 Sternen (von vier möglichen), sie befinden sich damit in allerbester Gesellschaft.

Nachdem die lokale Neugier fort ist und beim Schmökern auch die ein oder andere Deutsch-Info mitgenommen wurde, zum Beispiel der Info-Kasten „Preiswertes in Deutschland“ (Preis-Leistung ist ein Schwerpunktthema in dieser Ausgabe des Kleinen Johnson), blättere ich nochmal zurück an den Anfang und erfreue mich am Rebsortenverzeichnis (Goldriesling fehlt, obwohl ein Text wie bei der roten Napa Gamay („nichts, worüber man ins Schwärmen geraten könnte„) sie schon qualifizieren würde!) und den beiden Kapiteln zum Foodpairing: welcher Wein zu welchen Speisen und andersrum, außerdem die was-passt-zu-welchem-Käse-Frage. Dann geht’s auch schon bald in die Länder, wobei Frankreich am meisten abbekommt – mit viel Jahrgangswissen vor dem Schlagwort-Alphabet.

Den kleinen Johnson gibt es auch als E-Book – was, bei aller Liebe zum richtigen Buch – in diesem Fall wahrscheinlich die bessere Wahl ist. Denn wenn man unterwegs mal was wissen möchte, lässt sich’s so problemlos auf das umfangreiche Wissen der Autor*innen zurück greifen…

Der kleine Johnson 2026
Herausgeberin Margaret Rand
24,99 € als Buch, 20,99 € z.B. in der Kindle-Version
ISBN: 978-3-96584-552-7
Hardcover, 512 Seiten

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