Kopfarbeit ist und bleibt das A und O

Podcast "Auf ein Glas", Folge 164: Peter Bohn, P.J.Valckenberg

Peter Bohn

Peter Bohn ist einer der beiden Executive Partner beim Weinhandelshaus P. J. Valckenberg (der andere ist Tilman Queins) – einem Haus mit Geschichte (Peter Joseph Valckenberg gründete das Weinexporthaus 1786). Seit 2011 ist Bohn Geschäftsführer bei Valckenberg, 2015 haben er und Queins die Firma gekauft – und seitdem unter anderem den US-Markt entwickelt. Der hat sich in der jüngeren Vergangenheit, gelinde gesagt, als ein problematischer Markt erwiesen – in einer für die Weinwirtschaft weltweit eh nicht gerade problemlosen Situation. Darüber reden wir – und was man machen kann, um dem zu begegnen: andere Märkte entwickeln. Da ist unser Thema, natürlich, das Segment der alkoholfreien Weine. In einem anderen großen Block reden wir über die Zeit vor dem Valckenberg-Engagement: 1996 kam Peter Bohn nach Sachsen, er fing auf Schloss Proschwitz im Marketing und Vertrieb an. „Das waren extrem geniale Jahre – und extrem harte Jahre!“, schwärmt Bohn – der in Westhofen (Rheinhessen) arbeitet, aber nach wie vor im sächsischen Meißen wohnt.

Wir tranken beim Podcast einen 2015 Champagne Lombard – und danach zur Pasta mit Ragú einen 2020 Assmannshausen Höllenberg GG vom Weingut Künstler.

…und das sind unsere Themen:

  • [00:43] zu Gast bei Peter Bohn in Meißen
    der erste Vertriebler auf Schloss Proschwitz, nun aber bei Valckenberg
    wenn die Herkunft am Geburtsort bemessen werden soll – dann ist er Römer!
    Valckenberg also: was ist das?
    Peter Joseph Valckenberg, Gründer des ältesten familiengeführten Weinexporthauses Deutschlands
    1786 gegründet
    er war auch Bürgermeister von Worms (also Valckenberg)
    ein Wein, der Furore gemacht hat…
    Weinhandelshaus gegründet als Dealer namhafter Weine
    1808 hat P.J.V. das Liebfrauenstift erworben – Napoleon sei Dank (der hat ja verscherbelt, was zu verscherbeln war)
    der Wein aus den Flächen rund um die Liebfrauenkirche zu Worms war besonders: Liebfraumilch
    preislich in der Größenordnung wie sehr gute klassifizierte Bordeaux lag der damals…
    das kippte, als das Gesetz (1907?!) zuließ, auch andere Weine unter dem Namen zu vermarkten
    aber der Wein, der mehr auf günstigen Preis denn auf Qualität setzte, wurde zu einem Exportschlager
    wir produzieren immer noch eine Liebfraumilch
    die Tradition lebt!
    was ist mit Wiederbelebungsversuchen wie der Christoph Hammel sie betreibt
    BWL an der RWTH Aachen studiert…
    1996 nach Sachsen gegangen
    …dort im Brigadegebäude gestartet
    in einem Büro ohne Heizung bei Außentemperaturen von -30 Grad
    wenn man nach Sachsen des Weines wegen geht und die Leute fragen: gibt’s da überhaupt Wein?
    das war eine absolute Startup-Kultur, die Prinz Lippe implementiert hatte!
    die nicht vorhandenen Strukturen in den 90er Jahren…
    nach dem Frost war die Erntemenge 1997 mickrig: 6hl/ha
    das waren extrem geniale Jahre – und extrem harte Jahre
  • [12:04] wollen wir über die Zeit sprechen?
    was da in Sachsen passiert ist, war extrem spannend
    Pioniergeist mit keiner Hierarchie
    null Berührungsängste, wilde Aufbauzeit
    aber: die Leute, die was aufgebaut haben, die wollen es häufig auch zeigen…
    ein bisschen abgedriftet ins Neureiche
    es wird snobby oder pseudo-snobby
    uvs hat seit 1990 Vergleichsmöglichkeiten…
    von Gutmeinern und Glücksrittern
    die Restaurantlandschaft in DD – gar nicht mal so schlecht
    die Sorge ist: Dresden muss weltoffen bleiben
    die Region (Sachsen) ist großartig, aber sie darf sich nicht abkapseln
    Sächsischer Wein spielt außerhalb von Sachsen nicht so die Rolle – keine Frage der Qualität, sondern Menge und Preis sind die Kriterien
    man hat viel probiert – erfolgreich: Traminer Eiswein Platz eins der Edelsüßen bei Vinum, Scheurebe die als Pirat bei einer Sauvignon-Blanc-Verkostung den 2. Platz gemacht hat
    irgendwo in den Nuller-Jahren ist die qualitative Weiterentwicklung stehen geblieben
    weil man davon leben konnte!
    Daniel Deckers in der FAZ: Es ist ’ne Grenzregion
  • [23:10] Kopf schlägt Kapital – Budgetdenken ist eine der größten Unsitten!
    natürlich entsteht der Wein im Weinberg – aber sehr wichtig: er entsteht auch im Kopf!
    Kopfarbeit ist und bleibt das A und O
    Winzer, die sagen: der Wein entsteht im Weinberg, machen angeblich nichts im Keller – und erzählen dann lange, was sie dort wie tun
    wir sind also beim Storytelling – natürlich ist das wichtig
    ich bin ein großer Freund von Geschichtenerzählern
    im Nachhinein lassen sich gut Geschichten erzählen…
    wogegen ich gar nichts habe – Geschichten ein bissl aufzupeppen
    ist der Portos so eine aufgepeppte Geschichte?
    der Kern ist absolut richtig! (der vergessene Dornfelder)
    mit Alex Pflüger zusammen probiert…
    Staunen über gereifte Pinot Noir und Pinot Blanc
    ich war positiv erschrocken, was hier in den Nuller-Jahren an Qualität entstanden ist!
    Pinot aus dem Merbitzer Bauernberg
    wir überlegen, diese Idee wieder aufleben zu lassen…
    wir haben leidenschaftlich diskutiert und gestritten – über alles!
    Freundschaft ist mehr als gleicher Meinung zu sein!
  • [36:03] was trinken wir eigentlich beim Gespräch?
    im Glas: Champagne Lombard, ein 15er Jahrgang, brut nature
    aus verschiedenen Grand Cru Lagen
    im Februar 2023 degorgiert
    Philosophie unseres Hauses (Valckenberg): wir werden – gerade in Amerika – als fine wine house wahrgenommen
    sie vertreten deutsche Weingüter und internationale, wie Baron Longo
    man kann ihn im Podcast hören
    wir reden dann doch erst mal über Valckenberg
    das fine wine Geschäft mit voller Leidenschaft betreiben
    aber 80-90 % des wine business läuft in anderen Bereichen
    wir haben manchmal das Problem, dass wir Wein auf ein Podest heben und schaffen damit eine Aura, die manchen Leuten Angst macht
    warum Basisweine wichtig sind
    deutscher Wein ist im Ausland immer eine Nische
    es ist eine Nische – aber vielleicht die beste Nische, um sie zu entdecken!
    wir sind in der Wahrnehmung der Sommeliers präsenter als in der Wahrnehmung der Endverbraucher
    wir haben zwei Firmen in den USA: die deutsche PJValckenberg GmbH und die Valckenberg Internatioanal
    Valckenberg arbeitet auch als Hersteller eigener Weine
    wir werden kaufmännisch (wieso eigentlich „wir“?!?)
    wie macht man ein kleines Vermögen? Indem man ein großes in ein Weingut investiert
    der Weinmarkt ist prinzipiell gesättigt
    wann ist die Currywurst erfunden? 4. September 1949 (es gibt abweichende Meinungen 😉 )
  • [55:49] zurück vom Abschweifen zum Export
    im Western Warehouse in New Jersey unweit New Yorks sind eine ganze Menge Weine eingelagert
    Netzwerk von Distributeuren in über 40 US-Staaten
    Amerika: zwar ein Land, aber 50 Staaten – und alle haben eigene Regeln
    was machen wir?
    Administration, Versand
    das System in vier Stufen: Unternehmen in D schickt zum Exporteur – der Exporteur zum Distributeur – der schickt’s zum Fachhändler/Gastronom – von da geht’s zum Kunden/Endverbraucher
    das macht’s nicht günstiger 😉
    wenn Amerikaner in Deutschland sind, erfreuen sie sich an den günstigen Preisen
    unsere Aufgabe ist dafür zu sorgen, dass die Weine rüber kommen und dort vermarktet werden
    große Weintour im Mai mit ca 20 wichtigen Geschäftspartnern
    in Deutschland unterwegs, Weingüter besuchen
    amplifying Tour mit acht, neun Weingütern in Amerika
    du musst vor Ort sein, trotz aller virtuellen Konferenzen!
    was passiert bei schwankenden Zöllen?
    wir leben in Zeiten maximaler Unsicherheit
    Stimmung und Umsatz waren beide schon besser…
    gibt es andere Märkte zum Ausweichen?
    China? Hat seit Corona stärker dicht gemacht
    Japan und der Wechselkurs (macht Weine teurer)
    Einschub: seit 2011 ist er Geschäftsführer bei Valckenberg, 2015 die Firma gekauft
    wir haben den US-Markt entwickelt
    aber man entwickelt Märkte nicht von heute auf morgen!
  • [1:08:57] was man machen kann: andere Märkte entwickelt im Sinne von Produkten!
    Gehirnschmalz und Invest in die Entwicklung von sehr guten alkoholfreien Produkten
    Pressereise alkoholfrei mit DWI
    wir waren bei Rotkäppchen, bei Trautwein…
    …denn mit dem Alkohol schwinden die Geschmäcker
    Kabi: It’s not a catagory – it’s a lifestyle!
    wir verfolgen den Markt seit über 20 Jahren – aber erst vor 5 Jahren gab’s nen Qualitätssprung
    Vakuumdestillation, Aromarückgewinnung auf der technischen Seite – aber auch das Bewusstsein, dass man alkoholfreie Weine anders liest (so wie man auch Champagnertrauben anders liest als solche für Stillwein)
    alkoholfreien Wein macht man nicht für Weintrinker! (sagten die Medienagenten)
    zwei Varianten: Zero und – besonders! – It’s not a Sin
    keinen reinen Wein einschenken!
    wie beim Remix: was zugeben!
    wir spielen mit natürlichen Aromen
    diese Aromen geben den finalen Touch
    zur Erinnerung: alkoholfrei darf bis 0,5 % alc haben – Zero hat 0,03 maximal
    denn mit dem Alkohol schwinen die Aromen – daher Aromarückgewinnung und/oder zusätzliche, andere hinzu
    das ist auch ein großer Markt: Wachstum von 30% bis zu 40% (von geringer Basis, aber ja)
    Klimawandel ist auch ein Wandel der Sorten, die angebaut werden
    Rotwein alkoholfrei gestaltet sich schwieriger!
    gute alkoholfreie Weine können nicht billig sein!
    im Discount-Bereich wird man gute alkoholfreie Alternativen nicht finden!
    es geht um den Geschmack und um den Spaß beim Genuss!

Infos: valckenberg.com

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Auf ein Glas – der Podcast der STIPvisiten. Gespräche beim Wein. Über Wein. Über Essen. Und übers Leben, natürlich.

Alle Folgen unter diesem Link: podcast.stipvisiten.de

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