Essen fürs immerwährende Archiv des guten Geschmacks

Kochsternstunden 2019: Restaurant Moritz

KSS Moritz

Kindheitserinnerungen nennt Sebastian Probst sein Menü, in dem nichts so ist wie in der Kindheit – aber alles so schmeckt! Dieser scheinbare Widerspruch zieht sich konsequent sieben Gänge lang durch das Menü, das Probst mit seinem Team im Restaurant Moritz in den kommenden Wochen im Rahmen der Kochsternstunden anbietet.

KSS Moritz-Königsberger Klopse

Königsberger Klopse zum Auftakt erinnerten optisch nur sehr bedingt an das, was man bei Muttern oder der Oma serviert bekam. Es fehlten die unattraktive Optik und die Mehlpampensauce, die früher® quasi state of the art waren. Statt dessen bringt der Service einen aufgeräumten Teller, auf dem man schnell so eine graue Klopskugel ausmachte und bei etwas genauerem Hinsehen dann auch die anderen typischen Dinge wie Kapern oder Schalotten entdeckt – wobei: gab’s damals Schalotten oder doch eher Zwiebeln? Aber egal, es geht ja um eine Transformation ins jetzt – und spätestens beim ersten Happs fühlt es sich im Mund eh an wie vor Jahren! Ganz ehrlich: die Mehlpampensauce habe ich nicht vermisst, und dass der Königsberger Klops sich schnell als ein nur der Optik wegen kurz angezogenes Tatar entpuppte, war auch überhaupt nicht schlimm. Ein toller Gang, der sich nachhaltig im Geschmacksarchiv festgesetzt hat.

KSS Moritz-Buchstabensuppe

Buchstabensuppen hatten ja früher® immer etwas scrabblemäßiges an sich. Wer findet die meisten Begriffe (ohne zu schummeln)? Die Buchstaben waren klein und nahezu geschmacklos, und ganz ehrlich: war’s die Suppe nicht oft auch? Da half dann der eine oder andere Spritzer Maggi – wir hatten ja sonst nichts, oder? Im Moritz gab’s eine Suppe mit sieben sehr wohl ausgesuchten Buchstaben, die erstens Geschmack hatten und zweitens größer als das Erinnerungsmuster waren. Der Teller kam flüssigkeitsfrei zum Tisch, das kennen wir ja schon und hilft dem Service, schlabberfrei den Gang von der Küche zum Gast zu bewältigen. Ungetrübt konnten wir also das Wort erraten – wobei die Kollegin Peter schon nach vier Buchstaben ein akzeptables Ergebnis ausrufen konnte: Moet! Nicht schlecht, aber natürlich nicht richtig… Die Suppe aus der Teekanne erwies sich als eine sehr kräftige Consommé, statt Maggi aus der Flasche setzte Liebstöckel einen ähnlich typischen Geschmacksakzent.

KSS Moritz-Saures Ei

Die Optik des dritten Gangs ist Kochsternstundenheftleserinnen und -lesern bekannt: Sebastian Probst hatte im vergangenen Jahr den Wettbewerb gewonnen (da noch mit seinem Projekt BrogunderBar) und durfte somit das Titelbild des diesjährigen Heftes gestalten. Saures Ei gehört ja auch zu den Schulspeisungsklassikern und kann mal so und (leider oft) mal so ausfallen. Die Probst-Variante gehört eindeutig in die WOW-Klasse und ist ein Beispiel für die Aussage des Kochs, dass er (und all seine Kolleginnen und Kollegen, die sich täglich die Mühe machen) Handwerker sind. Und, was er nicht gesagt hat, manchmal auch Künstler. Was da auf der Kartoffelstampfrolle drapiert ist, sieht einfach gut aus und bedarf ruhiger Hände beim Anrichten! Vom sanft pochierten Ei, aus dem das Eigelb nach einem gezielten Schnitt langsam wie Lava herausläuft, wollen wir ja gar nicht reden! Noch so ein Gang fürs immerwährende Archiv des guten Geschmacks.

KSS Moritz-Frikassee

Zum Frikassee vom Huhn ist nicht viel Neues zu sagen: es kam wie eine geschichtete Torte im Glas, was optisch auf jeden Fall ein Hingucker war. Essen aus Gläsern muss man nicht mögen, es bedeutet ja vielleicht unnötige Mehrarbeit und vor allem Erziehung zum braven Aufessen: auf dem Teller wählerisch die leckeren Sachen pickern und die anderen liegen lassen – das funktioniert nicht. Man muss da von oben nach unten durch, und wenn man gehörig reingabelt ins Glas, bekommt man sogar mehr als eine Schicht mit in den Mund. Und das lohnte sich, weil von der Erbse übers Huhn bis zum Champignon der gemeinsame Genuss dem Gaumen allerfeinstes Vergnügen bereitete.

KSS Moritz-Roulade

Der für mich größte Fake-Gang nannte sich Roulade vom Rind. Schmeckte irgendwie auch so, aber wieder war alles anders. Omas Roulade (eigentlich nur echt, wenn auf Wunsch ihres Enkels mindestens einmal kurz angebrannt) bestach ja vor allem durch die Sauce, von der es nicht genug geben konnte – und litt manchmal unter dem doch sehr, sagen wir mal: festen Fleisch. Hier kam ein Stück Filet zum Einsatz, aber das war gar nicht gerouladet, sondern eine ordentliche Scheibe aus dem im Ganzen perfekt rosarot gebratenen Stück. Links und rechts davon ein Sößchen, das tatsächlich nach Roulade schmeckte – wir rätselten, ob es als Personalessen die richtigen (naja: die gewohnten) Rouladen gegeben hatte und die Mannschaft auf die Sauce verzichten musste?!? Wie auch immer: toll! Der zusätzliche Rouladengeschmack verbarg sich in einer Kartoffelroulade, mit Speck und Zwiebel. Möhre wurde aufrecht stehend serviert, aber viel spannender: als unheimlich geschmackintensives Pürree – dito der Sellerie. Als die Küchencrew nach dem Essen an den Tisch kam, gab’s sogar Rezepthinweise dazu (die wir aber nicht verraten. Selber hingehen macht schlau!

KSS Moritz-Desserts

Zwei Dessertgänge: darunter macht es Sebastian Probst nicht, der ja nicht nur Koch ist, sondern auch gelernter Konditor. Milchreis (in einer Zimthippe als Ring drumherum) mit gepufftem Reis und Apfelsorbet machte aus dem deftigen Gericht ein leichtes Etwas – und die Heiße Lieber 2.0 setzte heiße Himbeere, Milch mit Vanille und Pistazie optisch wie geschmacklich aufs Feinste in Szene. Dazu kam aus dem GinHouse, das wie das Restaurant Moritz zum Suitess Hotel gehört, Waldemar Bornemann mit einer eigenen Kreation hoch ins Restaurant: ein London Dry Gin mit (unter anderem) Zitrus- und Granatapfelsaft, in Milch gekippt und mehrfach gefiltert – nach dem aufwändigen 16stündigen Herstellungsprozess ein überaus passender Absacker. Dessen Name fasste den Abend eh trefflich zusammen: Beautiful Day.

Das Menü

  • KÖNIGSBERGER KLOPSE TATAR*
    Kaper | Schalotte | Senf | Petersilie
  • BUCHSTABENSUPPE*
    Consommé | Liebstöckel | Hartweizen
  • SAURES EI
    Kartoffel | Balsamico | Schnittlauch | Perlzwiebel
  • FRIKASSEE VOM HUHN
    Erbse | Champignon | Parmesan
  • ROULADE VOM RIND*
    Filet I Sellerie | Speck | Zwiebel | Karotte | Kartoffel
  • MILCHREIS
    Apfel | Zimt | Zucker
  • HEISSE LIEBE 2.0*
    Himbeere | Vanille | Milch | Pistazie

Die Getränkebegleitung

  • „mit Bier, Wein und Gin aus dem Gin House“ steht auf der Karte. Dahinter verbargen sich
  • Pils’ken (0,1 l!) oder 2017 Blanc de Noir vom Rotweingut Adeneuer, Ahr
  • 2017 Chardonnay Bockenheimer Schlossberg, Weingut Neiss, Pfalz
  • 2017 Riesling Rupperstberg, Weingut Bassermann-Jordan, VDP.Orstwein, Pfalz
  • 2015 Pinot Meunier Reserve, Weingut Heitlinger, Baden
  • Gin „Beautiful Day“

Der Preis

  • 4-Gänge-Menü alle Gänge mit *59,00 € – inkl. Getränkebegleitung 79,00 €
  • 5-Gänge-Menü ohne Ei & Milchreis69,00 € – inkl. Getränkebegleitung 99,00 €
  • 6-Gänge-Menü ohne Milchreis 79,00 € –inkl. Getränkebegleitung 109,00 €
  • 7-Gänge-Menü komplett 89,00 € – inkl. Getränkebegleitung 119,00 €

Restaurant Moritz im Hotel Suitess
An der Frauenkirche 13 / Zugang über die Rampische Straße
01067 Dresden

Tel. +49 351 417270
www.moritz-dresden.de

Öffnungszeiten:
täglich ab 17:30 Uhr

[Besucht am 8. Februar 2019 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

Hinweis:
Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.

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